Anders als lustig

Ein Sammelband von Susanne Reichl und Mark Stein untersucht Formen postkolonialen Gelächters

Von Christian WerthschulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Werthschulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Analysing humour is like dissecting a frog. Nobody enjoys it." Mit diesen Worten beginnt "Cheeky Fictions: Laughter and the Postcolonial" und nach der Lektüre der 314 Seiten muss man dem beipflichten: Die fünfzehn hier versammelten englischsprachigen Essays vergnüglich zu nennen, wäre verfehlt. Weiter störend ist dieser Umstand jedoch nicht, wird die mangelnde Zugänglichkeit doch mit einer fundierten Reflexion darüber belohnt, warum vorwiegend Comedy und Satire die Formen und Formate bilden, in denen Migranten und indigene Gruppen einen Platz in der medialen Öffentlichkeit zugebilligt bekommen.

Obwohl Humor ein "distinctive feature" zeitgenössischer postkolonialer Kulturprodukte zu sein scheint, so erklären Susanne Reichl und Mark Stein in ihrer lesenswerten Einleitung, sei der Versuch, diese in einem kohärenten theoretischen Rahmen zu fassen, bisher ausgeblieben. Allenfalls als ästhetisch-politische Intervention, als subversive Satire bilde Humor einen Gegenstand postkolonialer Theoriebildung. Auf der anderen Seite zeigen sich kulturtheoretische Versuche, den Gegenstand zu fassen, in ihren Ergebnissen widersprüchlich, in ihrem Anspruch zu verallgemeinernd und wurden in der Regel vor der beginnenden politischen und literarischen Dekolonisierung verfasst. Als Beleg für diese These mag der immer wiederkehrende Bezug auf Sigmund Freuds Theorie des Witzes dienen, der zusammen mit Homi Bhabhas Überlegungen zur Wirkung der Mimikry und des Stereotyps den theoretischen Rahmen bildet, in dem der Großteil der Essays seinen Gegenstand zu erfassen versucht. Während Freuds Theorien jedoch in der Regel als verkürzt oder unzureichend zurückgewiesen werden, bleibt Bhabha von der Kritik verschont, die ihm seit der Veröffentlichung von "The Location of Culture" und dem nachfolgenden "Hype um Hybridität" (Kien Nghi Ha) überwiegend von sozialwissenschaftlicher Seite entgegengebracht wurde.

Wie leicht dieser Rahmen jedoch überschritten werden kann, demonstrieren die Essays in Teil I des Buchs: "Laughter's Double Vision-Humour and Cultural Ambiguity". Virginia Richter beispielsweise stellt in ihrem Beitrag "Laughter and Aggression: Desire and Derision in a Postcolonial Context" Freud und Helene Cixous' Bemerkungen über das Lachen der Medusa gegeneinander. Während Freud den gelungenen Witz als eine Aggression gegen einen Kontrahenten beschreibt, die durch das Gelächter Dritter ihre Legitimation erhält, erkennt Cixous im Witz die Möglichkeit des "Empowerment" subalterner Positionen. Da Sander Gilman zufolge die von Freud untersuchten Witze in der Regel über die Verwendung von antijüdischen Stereotypen funktionieren, scheint der gelungene Witz die Etablierung gemeinsam geteilter Stereotypen zur Folge zu haben. An dieser Stelle greift Richter auf Homi Bhabha zurück, demzufolge der Stereotyp durch die Gleichzeitigkeit narzisstischer und aggressiver Identifikation gekennzeichnet ist, so dass die subalterne Subjektposition gleichzeitig das Objekt der Begierde und das des Spottes darstellt. Auf diese Weise wird zugleich die Möglichkeit und Unmöglichkeit des "empowerment through laughter" demonstriert. In der Analyse von Joe Penhalls Drama "Blue/Orange", das die Therapie eines afro-britischen Psychiatrie-Insassen (Christopher) durch zwei weiße Psychiater (Bruce und Robert) thematisiert, zeige sich jedoch das Scheitern von sowohl Freuds als auch Cixous' Theorien darin, die dem Gelächter zugrunde liegenden Machtbeziehungen zu erfassen.

Ulrike Erichsen widerum vermag zwei Aspekte von Humor entdecken, die für die postkoloniale Diskussion relevant sein könnten. Zum einen könne er als "comic relief" dabei behilflich sein, die emotionale und soziale Ausgeglichenheit einer diskriminierten Person wiederherzustellen, zum anderen kann sein Einsatz das Aufdecken kultureller Stereotypen und Differenzen zur Folge haben: "As far as the inner-textual level is concerned, I will argue that humour can be used as a means to defuse cultural conflicts and by offering a strictly limited context for such conflict." Humor funktioniere somit als ein Mittel der Kritik, die den ursprünglichen Konflikt nicht verschärfe, und lenke auf diese Weise die Aufmerksamkeit auf die dem Konflikt zugrundeliegenden kulturell geprägten Verhandlungs- und Argumentationsmuster.

Antony Ilona wendet sich für seinen Beitrag V. S. Naipauls "A House for Mr Biswas" und Earl Lovelace's "The Dragon can't dance" zu. Gemeinsam sei diesen Texten eine disruptive Form des Humors, der es gelingen würde, bedrohliche Strategien der Subjektkonstitution zu unterwandern. Diese Form der "mock-signification" entdeckt Ilona in der karibischen Tradition des Picong, eines ironischen Schlagabtauschs zweier Teilnehmer an einem Calypso-Wettbewerb. Innerhalb dieses Wettbewerbs appropriieren die Kombattanten eine Figur wie "Lord Kitchener" oder "The Mighty Duke", die nicht selten auf Versatzstücken der kolonialen Vergangenheit fußt. Diese Praxis finde in beiden Romanen ihren Widerhall, die die Vorstellungen einer "singular and elevated notion of self and identity" parodieren, um die Heterogenität der karibischen Lebensgeschichten sichtbar hervortreten zu lassen.

Helga Ramsey-Kurz spricht dagegen ein aktuelles und besonders in der politischen Linken kontrovers diskutiertes Thema an: die Figur des militanten Muslims in den Bestsellern von Salman Rushdie "The Satanic Verses", Zadie Smith "White Teeth" und Hanif Kureishi "My Son, The Fanatic". Die in der postkolonialen Literatur zum Standardrepertoire gehörende Glorifizierung gewaltsamer Dissidenten werde durch eine strategisch eingesetze Lächerlichmachung heruntergespielt, um die eigenen politischen Positionen vor der Gefahr der öffentlichen Ächtung zu schützen. Diese Strategie schlägt dann unweigerlich fehl, wenn die nur lokal begrenzt verständlichen Strategien des Humors nicht angenommen werden, wie dies im Falle der Fatwa gegen Rushdie deutlich wird. Ein weiteres Verständnisproblem stellt die Wahl des Genres dar. Das sich selbst hinterfragende Prinzip der Komödie behält auch in Situationen seiner vermeintlichen Auflösung seine Wirkung, die todbringenden Handlungen der komisch angelegten Militanten weisen somit auf ihre politische Motivation, während ihre Herkunft aus den ehemaligen Kolonien dazu beiträgt, Chaos als ein "inevitable but not necessary deletorious corollary of cultural diversification" zu verstehen.

Stärker kommentierte Gefilde postkolonialen Schreibens werden in Teil II "Traditions and transgressions-writing back and forth" in den Mittelpunkt gerückt: Heinz Antor untersucht beispielsweise eine oft bemühte Trope des kanadischen Selbstverständnis, den "inferiority complex" gegenüber den USA, und dessen Thematisierung in Mordecai Richlers "The Incomparable Atuk", einem Werk aus der Hochphase des kanadischen Nationalismus Mitte der 60er-Jahre. Anhand der Geschichte des nach Toronto gezogenen Inuit Atuk und seinen Verwicklungen in die boomende Ökonomie decke Richler zum einen die anhaltende innere Kolonisierung der First Nation People Kanadas und deren Anfälligkeit für die Verlockungen des Kapitalismus auf, zum anderen exponiere er das Kanada der 60er-Jahre als amerikanisches Derivat, dessen pompöse Identitätskonstrukte eine geeignete Bühne für "mock-heroic deconstructions" bieten würden.

Detlef Gohrbrandt analysiert im Anschluss die Selbststilisierung des ehemaligen Mutterlandes nach Überschreiten des Höhepunkts kolonialer Ausdehnung in Form von Robert Searles "The Rake's Progress". In einer Reihe satirischer Portraits zeichnet Searle ein Panorama repräsentativer englischer Charaktertypen im Streben nach Ruhm, deren Aufstieg und Misserfolg er als Folge von Engstirnigkeit, insulärer Unschuld und der Unfähigkeit, althergebrachten und modernen Versuchungen zu widerstehen, darstellt. Die spezifisch postkoloniale Struktur in Searles Sammlung stellt sich durch die Konstrastierung einer provinziellen Englishness und des Festhaltens an überkommenen Institutionen mit der imaginierten Großartigkeit der Kolonialzeit her, der jedoch ihr provinzielles Pendant immer schon zu Grunde gelegen habe, eine "post-imperial tristesse, a look back in laughing sadness (or ist sad exultation?)".

Teil III des Buches nähert sich dann bekannteren Formen der "ethnic comedy" an. Deutlich stellt sich an dieser Stelle die Wichtigkeit strenger Genrekonventionen heraus, deren Bruch das Entstehen neuer Bedeutungen ermöglicht. Mita Banerjee untersucht die gegenseitigen Anerkennungsprozesse zur Etablierung von Identität unter Berücksichtigung von Shyam Selvadurais "Funny Boy". Selvadurais Narrativ über das Coming-of Age des homosexuellen tamilischen Jugendlichen Arjie gewinne seine Bedeutung überwiegend über die Suspendierung der Zuschaueridentität, so dass die Rollen von Spötter und Verspottetem uneindeutig bleiben: "homophobic laughter is a sign both of the ascription of difference and the uncertainty of those who inscribe it". Banarjees erfrischend eklektischer Ansatz, der die queere Maskarade mit Überlegungen zum Kabarett deutsch-türkischer Migranten verknüpft, verweist schließlich auf die Bedeutung von Gelächter für eine Form der Betrachtung postkolonialer Subjekte, die der nordamerikanische Kulturtheoretiker Gerald Vizenor als "victimry" beschreibt, eine Präferenz für eine tragische Erzählweise, die eine zwangsläufige Kausalität impliziere, durch die Komödie jedoch permanent unterlaufen werde und somit gleichfalls die Möglichkeit des therapeutischen "laughing off" ausschließe.

Christiane Schlote sieht die Erkenntnisleistung der Zuschauer ebenfalls als maßgebend für das Gelingen oder Nicht-Gelingen des Genres der "ethnic comedy" an. Als Beispiele führt sie drei Sitcoms aus den USA, Großbritannien und Deutschland an, deren erste Leistung in der Repräsentation demografischer Veränderung besteht und schildert ihre Schwierigkeiten zwischen künstlerischen Autonomiebestrebungen, kommerziellen (Miss-)Erfolgen und der Funktion als unfreiwillige Spokesperson für die jeweilige ethnische Gemeinschaft.

Susanne Mühl setzt diese Untersuchungen fort und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Omnipräsenz von sozio- und dialektischen Variationen als Quelle der Komik in TV-Comedies. Diese operieren zum Teil mit der Einrichtung sog. 'focal individuals', deren sprachliche Ausdrucksweise eine Referenz um ihrer selbst willen wird. Als Beispiel sei an dieser Stelle an den spanischen Kellner "Miguel" aus John Cleeses "Fawlty Towers" erinnert, dessen Standardantwort "Que?" generationenübergreifend für Gelächter sorgte, obwohl sie ein rein mediales Produkt ethnischen Humors darstellte. Dieser sei zudem über das Zusammenwirken der Handlungen "Toleranz gegenüber ethnischen Minderheiten" und "Humor" sozial positiv sanktioniert. Es verwundert von daher nicht, dass verschiedene Serien wie das im karibischen Immigrantenmilieu angesiedelte "Desmond's" oder das auch in Deutschland gesendete "Ali G" unterschiedliche Strategien im Umgang mit Dialekten pflegen, die jedoch den Verzicht auf realistische Repräsentation gemeinsam haben. Stattdessen bedienen sie sich der Formen der Mimikry, um einen gemeinsamen Code zwischen ZuschauerInnen und Charakteren zu etablieren, übertreiben Stereotypen als eine Form der Karikatur oder nutzen die Mittel der Travestie, um die autoritäre Einheit eines Charakters zu unterminieren.

Der letzte Teil des Buchs untersucht schließlich Versuche des "laughing it off", eines therapeutischen Einsatzes von Humors, der insbesonders historisch erlittenes Unrecht ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Maggie Ann Bowers stellt eine Form des "Native American Humour" vor, den sie als Mittel "of healing the damage caused by colonialism through both its community building and cathartic effects" beschreibt. Zeitgenössische Schriftsteller indianischer Herkunft wie Thomas King, Sherman Alexie, Gerald Vizenor oder W.P. Kinsella würden Humor als einen "ethnic glue" betrachten, der sowohl ein Gemeinschaftsgefühl herstelle, das Überleben der Kolonisierung feiere und interkulturelle Spannungen abbaue, da er mit den Reibungen und Unterschieden zwischen verschiedenen Volksgruppen spiele. Gleichzeitig richte er sich aber auch gegen die eigene Community, wie zahlreiche Witze über die angebliche Spielsucht amerikanischer Ureinwohner beweisen würden. Eine ebenfalls weit verbreitete Spielart dieses Humors seien die bekannten "Trickster Tales", deren Witz sich nicht nur aus dem trickreichen Handlungsrepertoire des Protagonisten, sondern auch aus seinem doppeldeutigen Umgang mit sprachlichen Bedeutungen speist.

Gisela Feuerle widmet sich abschließend Humor als Mittel der Versöhnung in Südafrika nach dem Ende der Apartheid. Gegenstand ihrer Untersuchung ist der Comicstrip "Madam and Eve", der die Beziehung zwischen einer weißen Hausherrin und ihrer afrikanischstämmigen Haushälterin schildert. Dieser wird in 19 verschiedenen Zeitungen und Magazinen sowohl in Englisch wie auch in Afrikaans abgedruckt und lieferte die Vorlage für eine gleichfalls erfolgreiche Fernsehserie. Das Verhältnis zwischen Madam und Eve stellt das "core relationship" der südafrikanischen Gesellschaft dar, an dem verschiedene Themenfelder wie die 'colour line', Arbeitsbeziehungen und -abhängigkeiten dargestellt werden können, die auch nach dem Ende der Apartheid ihre Form nicht grundlegend geändert haben. Einen entscheidenden Unterschied setzt 'Madam and Eve' hier jedoch durch die humoristische Behandlung des Themas, die einen Kontrapunkt zur politisch engagierten Literatur der Apartheidzeit setzt. Seine politische Relevanz für den "national funnybone" erhalte der Cartoon durch die breite Rezeption, die Klassen- und Hautfarbengrenzen überschreite und dabei einen spezifisch südafrikanischen Erfahrungsraum thematisiere, der für Außenstehende einen authentischen Einblick in nationale Problemlagen biete. Die Möglichkeit des geteilten Gelächters erlaube dann auch eine Auseinandersetzung über seine Ursache und liefere, so Feuerle, auf diese Weise einen Beitrag zur Entstehung einer demokratischen Kultur.

Die große Stärke von "Cheeky Fictions" liegt in der Bescheidenheit, mit der die versammelten Aufsätze ihren Gegenstand behandeln. Anstatt die Bildung einer allgemeinen Theorie postkolonialen Gelächters anzustreben, erkennen die AutorInnen die Heterogenität ihres Feldes an und beziehen regionale Spezifika in ihre Analyse ein. Leider ein wenig unterrepräsentiert ist in dieser Auswahl der postkoloniale Film, dem lediglich ein Aufsatz gewidmet ist. Gerade mit Blick auf die Erfolge Gurinder Chadhas und anderer britischer Regisseure und Drehbuchschreiber asiatischer Herkunft hätte sich hier ein vertiefender Blick angeboten. Um auch Stimmen außerhalb des etablierten Kulturbetriebs zu repräsentieren, wäre gleichfalls die Einbeziehung oraler Erzähltraditionen und populärer Witze in die Analyse interessant gewesen, so steht Gisela Feuerles Aufsatz über "Madam und Eve" ein wenig alleine unter den überwiegend literatur- und sprachwissenschaftlich orientierten Aufsätzen.

Diese Kritikpunkte schmälern jedoch den positiven Gesamteindruck nicht, sondern verdeutlichen vielmehr, dass das Feld postkolonialen Humors weiterer Untersuchungen zu harren scheint. Neben einer breiten Leserschaft möchte man daher den AutorInnen und HerausberInnen gerne wünschen, den Grundstein für weitere Forschungen gelegt zu haben.


Titelbild

Susanne Reichl / Mark Stein (Hg.): Cheeky Fictions. Laughter and the Postcolonial.
Rodopi Verlag, Amsterdam 2005.
315 Seiten, 77,50 EUR.
ISBN-10: 9042019956

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