Bibel, Blut und Leichenwürmer

Arne Dahls neuer Kriminalroman "Rosenrot"

Von Christina LangeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Lange

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Spätestens seit der Erfolgsautor Henning Mankell uns mit seinen sozialkritischen Kriminalromanen überschwemmt hat, wissen wir ja Bescheid: Schweden ist viel mehr als das familienfreundliche Ferienland mit den bunten Häuschen, den lustigen Elchen und dem leckeren Knäckebrot. Zugegeben, es wirkt - dank dünner Besiedelung und hübscher Landschaft - wie das perfekte Idyll auf den naiven Mitteleuropäer. Umso schlimmer muss es den Leser treffen, dass gerade dieses pittoresk-freundliche Ländchen offenbar nicht nur Probleme wie Ausländerfeindlichkeit und unerlaubte Medizinexperimente kennt, sondern auch fast ununterbrochen von wahnsinnigen Massenmördern heimgesucht wird, deren bestialische Taten an blutrünstiger Fantasie nichts zu wünschen übrig lassen.

Eben ein solcher monströser Serienmörder taucht also auch - welch Zufall - in Arne Dahls neuestem Kriminalroman "Rosenrot" auf. Und da es auch hier nebenher um Phänomene wie Abschiebung von Flüchtlingen aus afrikanischen Ländern und um vertuschte Skandale in der Pharmaindustrie geht, fühlt man sich doch oft an Herrn Mankell und seinen Antihelden Kurt Wallander erinnert, selbst wenn Arne Dahl sich viel lieber von dem schwedischen Kultkrimi-Duo Maj Sjöwall und Per Wahlöö inspiriert wissen will.

Tatsächlich sind es denn auch Mitglieder der legendären A-Gruppe Stockholms, die hier ermitteln. Besonders betroffen ist Dahls Heldin Kerstin Holm, die privat viel tiefer in die fürchterlichen Vorfälle verstrickt zu sein scheint als sie zunächst selber begreift. Sie und ihr schlampig wirkender Kollege Paul Hjelm haben sich schon in vier vorherigen Büchern Dahls als krimitaugliches Ermittlerduo erwiesen und dürften auch mit "Rosenrot" wieder ihr Publikum finden. Umringt von dem Rest der teils chaotischen, teils skurrilen Ermittler-Truppe, der mit seinen Charakteren den richtigen Rahmen gibt, meistern sie alle Unannehmlichkeiten, allerdings nicht zu souverän, nicht zu glanzvoll, was sie sympathisch macht.

Auch wenn "Rosenrot" reichlich mit Klischees aufwartet, die dem Leser inzwischen allzu vertraut sein dürften (der wahnsinnige Massenmörder teilt sich zum Beispiel - wie originell - mit Vorliebe in Bibelzitaten mit), bleibt die Geschichte doch die meiste Zeit über spannend. Der Autor findet oft die richtige Sprache, um eben diese Spannung aufrecht zu erhalten, ohne dabei gänzlich seinen Humor zu verlieren. Mal kostet er genüsslich alle Ekelfaktoren aus - gerne geht es in diesem Zusammenhang um Kolonien von Leichenmaden, um diverse blutige Szenerien und schließlich um einen abgeschlagenen Kopf -, mal nähert er sich der Psyche seiner traurigen Heldin geradezu sensibel. Und selbst wenn das alles nicht besonders neu ist, es funktioniert. Zumal es dem Autor bewundernswert gut gelingt, selbst die winzigsten eingestreuten Details vom Anfang der Geschichte zuletzt noch dramaturgisch einzusetzen. Eine Qualität, die für einen guten Kriminalroman von großer Wichtigkeit ist.

Somit könnte sich "Rosenrot" durchaus einreihen in die immer länger werdende Schlange der zurzeit populären skandinavischen Kriminalromane. Sicherlich der richtige Platz, um das alte Bild des flachsblonden Kalle-Blomquist-Schweden einmal mehr durch das neue Image des mal zerrissenen, mal melancholischen Normalo-Skandinaviers zu ersetzen.


Titelbild

Arne Dahl: Rosenrot. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt.
Piper Verlag, München 2006.
400 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3492048099

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