Nur Mittel zum Zweck

Über das Stauffenberg-Buch des rechtsgerichteten Historikers Werner Bräuninger

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

62 Jahre ist es her, dass Claus Schenk Graf von Stauffenberg das wohl berühmteste Attentat der deutschen Geschichte verübte. Bei einer Lagebesprechung Adolf Hitlers und hohen Militärs platzierte Stauffenberg eine Bombe, um Hitler zu ermorden. Der schwere Eichentisch, unter dem die Bombe stand, verhinderte jedoch den Tod des Diktators, und Stauffenberg wurde in der Nacht des 20. Juli 1944 im Hof des Heeresamtes in der Bendlerstraße in Berlin erschossen. Insgesamt fanden über sechzig Offiziere und Soldaten, die an der Verschwörung beteiligt waren, den Tod.

Die Motivation Stauffenbergs ist seit diesem Tag Mittelpunkt zahlreicher Untersuchungen. Und so zahlreich diese sind, so mitunter falsch sind auch die Gründe, die Stauffenberg unterstellt werden. Dass er nicht aus demokratischen Beweggründen heraus handelte, ist zwar längst erwiesen, aber nach wie vor nicht aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Diese Tatsache war mit eine Veranlassung für Werner Bräuningers Arbeit über Stauffenberg. In "Die Genese des Täters aus dem Geiste des Geheimen Deutschland" sucht der Historiker die Erklärung für Stauffenbergs Tat im Reichsgedanken des Dichters Stefan George. Um diesen scharten sich zu Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts eine Gruppe junger Intellektueller und Offiziere mit häufig preußischem Hintergrund. Bräuninger versucht nachzuweisen, dass die Sehnsucht nach einem deutschen Staat preußischen Zuschnitts die Hauptmotivation für den jungen Grafen gewesen ist, ein Attentat auf Hitler zu verüben. Stauffenberg sei vom so genannten "George-Kreis", dem Bräuninger auch homoerotische Tendenzen zuschreibt, hinsichtlich des Reichsgedanken geprägt worden: "Aber das Anliegen aller im europäischen Raum gewachsenen Stämme wird es immer sein, [...] dass sie sich nur im Reich erfüllen können, so viele Namen sie ihm geben, [...]. Es bleibt doch immer das Reich."

Das Zitat aus einer Ausgabe der "Vordersten Front", einer rechtsgerichteten Publikation des NPD-nahen Nationaldemokratischen Hochschulbunds (NHB), in der zuerst der von der rechten Szene geprägte Begriff der "national befreiten Zone" auftauchte, zeigt nicht etwa Stauffenbergs Motivation, sondern vielmehr die politische Position des Autors Werner Bräuninger. Zu oft nämlich tritt er in den Vordergrund, um seine persönliche Vorstellung von Staat, Nation und Reich zu propagieren. Und viel zu selten sind die Zusammenhänge zwischen George-Kreis und Stauffenberg plausibel. Tatsächlich bleibt Bräuninger so gut wie immer im Konjunktiv und schafft es dabei nicht, seiner Theorie ein nachvollziehbares Fundament zugrunde zu legen. Vielleicht weil er das gar nicht will. Und schnell wird, wenn man Bräuninger nicht schon vorher als rechtsgerichteten und reaktionären Historiker kennt, klar, dass es ihm nicht um die Geschichte Stauffenbergs geht. Es ist eher so, als benutze Bräuninger Stauffenberg (und dessen zweifelsohne vorhandene Reichsaffinität), um sich polithistorisch und gegenwartspolitisch zu verorten: "Nichts von den Ideen und Wertvorstellungen der Männer des 20. Juli ist in der Gegenwart der Berliner Republik [gemeint ist die rot-grüne Regierung von 2002] spürbar". Dass eine derartig persönliche Wertung in einer wissenschaftlichen Arbeit nichts verloren hat, bedarf kaum der Erwähnung. Dass Bräuninger eher als rechter Agitator denn als ernst zu nehmender Historiker zu verstehen ist, dagegen sehr wohl.


Titelbild

Werner Bräuninger: Claus von Stauffenberg. Die Genese des Täters aus dem Geheimen Deutschland.
Karolinger Verlag, Wien 2002.
208 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 3854181043

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