Tohuwabohu

Dürrenmatts „Durcheinandertal“ (1989)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Das Mißlichste in unserem Gewerbe – meinte einer seiner würdigsten Repräsentanten, August Wilhelm Schlegel – sei, „eine scharfe Kritik gegen ältere Zeitgenossen zu richten, die schon seit geraumer Zeit im Besitz des Beifalls und des Ruhmes“ sind. So sei ihm vorgeworfen worden, er habe sich bemüht, „die wohl erworbnen Lorbern von Wielands grauem Haupte zu reißen“. Ob diese Lorbeeren nicht deshalb heruntergefallen seien – gab Schlegel zu bedenken –, weil sie schon „welk und mürbe“ waren?

Nun hatte unser großer Kollege gut reden. Denn er war auf Wielands Werke nie näher eingegangen. Wie aber, wenn man einen Schriftsteller viele Jahre lang gelobt, ihm geradezu die Stange gehalten hat, seine späten Bücher jedoch arg enttäuschen oder gar gänzlich mißraten? An traurigen Beispielen ebenso aus der unfernen Vergangenheit wie aus der unmittelbaren Gegenwart mangelt es nicht. Indes macht sich heutzutage etwas bemerkbar, was man früher nicht kannte: Unsere Autoren werden, wie wir alle, glücklicherweise immer älter, aber mit dem Publizieren von dürftigen Alterswerken beginnen sie immer schneller, manch einer gleich nach seinem Debüt.

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