Die Anläufe eines Heimatlosen
Zu Erich Frieds neuem Prosaband „Kinder und Narren“ (1965)
Von Marcel Reich-Ranicki
Gewiß, immer schon waren Dichter ohne Heimat unheimliche Dichter. Aber diese hier scheinen mir doppelt unheimlich zu sein: die damals noch Halbwüchsigen, die zwar den für sie bestimmten, den von Deutschen „sinnvoll erdachten Wohnungen des Todes“ (Nelly Sachs) entgehen konnten, denen es jedoch nicht mehr gelingen wollte, sich vom deutschen Wort zu befreien. Dichten können sie nur in der Sprache ihrer Kindheit und Jugend.
Die Situation dieser Überlebenden, die jetzt Ende dreißig oder in den Vierzigern sind, muß daher paradox anmuten. Sie leben seit Jahrzehnten in London oder in Paris, in Schweden oder in der Schweiz. Jedenfalls wohnen sie dort. Wo leben sie wirklich? Sie haben englische, französische oder schwedische Pässe. Und sind überall Ausländer: Fremde in der Heimat und Gäste in der Fremde. Es mag sein, daß sie sich nur unterwegs zu Hause fühlen. Eine alte Wahrheit ist es: Wer einmal exiliert war, hört niemals auf, ein Exilierter zu sein.
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