Kamerad Fühmann

(1963)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Im Kriegsgefangenenlager wurde er gefragt, ob er Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen gewesen sei. „Ich hob den Kopf und sagte laut: ,Ja, ich war in der SA!‘“[1] – Hiermit ist bereits auf den wohl wichtigsten Schlüssel zum Verständnis des Phänomens Franz Fühmann hingewiesen.

Er wurde 1922 in einer böhmischen Kleinstadt als Sohn eines Apothekers geboren. Aufgewachsen sei er – wird von ihm berichtet –·in einer Atmosphäre „von Kleibürgertum und Faschismus“. Als Gymnasialschüler bewunderte er Hitler. Er liebte, er vergötterte ihn. Stolz trug er die braune Uniform. Am 1. September 1939 meldete er sich spontan zur Wehrmacht. Aber erst später wurde er eingezogen. Er war lange und an vielen Fronten Soldat, in Rußland vor allem und in Griechenland. Den 9. Mai 1945 erlebte er in seinem heimatlichen Bezirk. Von einem einzigen Gedanken war er damals besessen: „Weiter, nur weiter, nur von den Russen weg!“ Es ist ihm nicht gelungen: „Ich war westwärts gelaufen, die Richtung hatte gestimmt, doch nun waren die Russen auch schon im Westen; der Weg in die Freiheit war zugekeilt!“[2]

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