Unser junger Handke und die alte Hedwig

Seine Erzählung „Die linkshändige Frau“ (1976)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Die Leser vor diesem Büchlein warnen zu wollen, wäre abwegig. Denn zum Widerspruch oder gar zur Aufregung gibt es hier nicht den mindesten Grund. Und nur weil die Erzählung „Die linkshändige Frau“ von dem beliebten und auch in mancherlei Hinsicht repräsentativen Nachwuchsdichter Peter Handke stammt, müssen wir auf dieses erstaunlich harmlose Prosastück, das schon von einigen Rezensenten mit Andacht analysiert wurde, etwas näher eingehen.

Eine Frau verläßt ihren Ehemann. Weil sie einen anderen hat? Das eben vermutete das Publikum bei der französischen Erstaufführung von Ibsens „Nora“. Als sich aber im letzten Akt endgültig herausstellte, daß jener Geliebte der kleinen Nora, dessen Existenz die Pariser für selbstverständlich hielten, gar nicht vorhanden war,fühlten sie sich getäuscht und pfiffen ärgerlich. Seitdem sind fast hundert Jahre vergangen, und die Geschichte von der Frau, die sich beherzt von ihrem Ehepartner abwendet, ohne daß im Hintergrund ein Ersatzmann wartet, gehört mittlerweile zum ständigen Repertoire der Emanzipationsliteratur.

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