Etwas overstyled

Der Medienmogul Alfred Neven DuMont hat den Roman „Drei Mütter“ vorgelegt

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit mehr als fünfzig Jahren ist Alfred Neven DuMont eine der schillerndsten Figuren in der deutschen Medienlandschaft, doch als Romancier trat er erst im Pensionärsalter in Erscheinung. Nach dem Studium trat der Spross einer angesehenen Verlegerfamilie 1953 in den elterlichen Betrieb ein, übernahm alsbald die publizistische Verantwortung für den „Kölner Stadt-Anzeiger“, gründete 1964 den „Express“, das rheinische Konkurrenzblatt der „Bild“, und hatte nach der großen Expansion seines Verlages auch die Zügel bei der „Mitteldeutschen Zeitung“, der „Frankfurter Rundschau“ und der „Berliner Zeitung“ in der Hand.

Stolze 82 Jahre war Neven DuMont alt, als er 2009 mit „Reise zu Lena“ sein spätes literarisches Debüt gab – einmal abgesehen von einem kaum beachteten, 1994 unter Pseudonym veröffentlichten Roman. Vor zwei Jahren hatte der Medienmogul mit „Vaters Rückkehr“ für Furore gesorgt, einer exzellent erzählten Geschichte um eine komplizierte Vater-Sohn-Beziehung. Ein vermuteter autobiografischer Hintergrund um die Streitigkeiten, die Neven DuMont mit seinem Sohn um dessen Position im Unternehmen öffentlich ausgetragen hatte, erwies sich als Trugschluss. Und auch im neuen Roman überwiegt – trotz einiger autobiografischer Details – der fiktive Anteil.

Der 86-jährige Alfred Neven DuMont breitet vor dem Leser die „Entwicklungsgeschichte“ einer männlichen Figur namens Alwyn aus. Wir erleben dessen Kindheit und Jugend hautnah mit, die von „drei Müttern“ geprägt wird: seiner leiblichen Mutter, einer „umwerfenden Schönheit“, die sich für einige Jahre in ein Vagabundenleben an der Seite eines mäßig erfolgreichen Tennisprofis verabschiedet, seiner fünf Jahre älteren Schwester Alwena, die die Mutterrolle in ziemlich autoritärer Weise übernimmt, und schlussendlich seine aus Argentinien stammende Stiefmutter Milena, die ihn in die Geheimnisse der körperlichen Liebe einweiht.

„Ich bin ein Opfer der Frauen“, heißt es gleich zu Beginn der Handlung. Emotional sorgt das Wechselspiel der Bezugspersonen für reichlich Turbulenzen, denn drei Mütter bedeuten aus der Perspektive des Protagonisten drei Konkurrentinnen, die sich strengen Vergleichen unterziehen müssen. Den stärksten Einfluss übt fraglos seine Schwester Alwena aus, die ihre Rolle als Lehrerin und Erzieherin bis an den Rand der Selbstaufgabe ausfüllt – vermutlich auch inspiriert von latenten sexuellen Motiven. Später macht Alwena ihrem Bruder konkrete Avancen, doch Alwyn entzieht sich.

Neben dem eigenwilligen, musikalisch hochtalentierten und empfindsamen Protagonisten ist die innerlich zerrissen gezeichnete „große“ Schwester, die später in Chicago studiert und einen renommierten Mathematiker heiratet, die interessanteste Figur – immer ein wenig zwischen Engel und Teufel changierend.

Wie kann sich der Protagonist zwischen solch dominanten und extrovertierten Frauen entwickeln und die Abwesenheit einer männlichen Bezugsperson (der Vater weilte viele Jahre in Südamerika) kompensieren? Alwyn wirkt (in allen Altersstufen) wie ein Ewigsuchender, ein Getriebener, den es zum Großvater nach Afrika zieht, der mit den Eltern einer Mitschülerin, die später seine Frau wird, in den Urlaub nach Marokko fährt und der erst im Gesang und später als Abiturient auf der Theaterbühne bei einer Hamlet-Aufführung neue „Ufer“ entdeckt. Aus der erwachten kreativen Ader macht er einen Beruf, arbeitet als Schriftsteller, heiratet seine einstige Mitschülerin Eva und wird rasch Vater.

Das klingt alles ziemlich aufregend, ereignisreich, spannend und sogar unterhaltsam, doch wahrhaftige innere Anteilnahme kann Autor Alfred Neven DuMont nicht evozieren. Sein Alwyn-Entwicklungsroman findet nämlich nicht den adäquaten Ton. Es ist nicht die etwas altbackene, wie ein steriles Thomas-Mann-Remake klingende Sprache, sondern es sind die gravierenden Probleme mit der kindlichen Erzählperspektive, die das Lektürevergnügen erheblich stören.

„Der Geschlechterkampf konnte beginnen“, lässt uns Alwyn zu Beginn seiner Schulzeit wissen, und aus dem Mund eines anderen Erstklässlers hören wir den wohl formulierten Satz: „Wir wollten unserem Ansporn Referenz erweisen.“ Da ist ganz schlicht die schriftstellerische Fantasie mit dem Autor durchgegangen, denn welch ein sechsjähriges Kind spricht und denkt derart „overstyled“?

Schade, denn dieser Geschichte um Alwyn und seine drei Mütter liegt eine äußerst reizvolle Figurenkonstellation zugrunde. Vielleicht lieferte Alfred Neven DuMont kürzlich sogar selbst die Erklärung dafür, warum ihm nicht der ganz große Wurf gelungen ist. Auf die Frage nach weiteren Romanplänen antwortete er: „Ich bin schon längst dabei!“ Wahrscheinlich liegt genau darin die Crux. Ein großer Geist von jetzt 86 Jahren, der erst im Seniorenalter seine große Liebe zur Literatur auslebte, steckt noch voller künstlerischer Pläne und hat sich deswegen einem selbstverordneten, allzu starken Tempodruck ausgesetzt.

Titelbild

Alfred Neven DuMont: Drei Mütter. Roman.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013.
304 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783455404210

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