Auch Deutsche unter den Opfern

70 Jahre Ende des Nationalsozialismus: Über die Erinnerungspolitik und den Antisemitismus seit 1945

Von Clemens HeniRSS-Newsfeed neuer Artikel von Clemens Heni

Einleitung

70 Jahre nach Ende des Holocaust und des Nationalsozialismus sind die Deutschen so vergnügt, so beliebt und so mächtig wie noch nie seit 1945. Laut einer Umfrage von Bertelsmann möchte eine Mehrheit der Deutschen nichts mehr von der Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust wissen, wie die „taz“ berichtet:

Demnach möchten 81 Prozent der Befragten die Geschichte der Judenverfolgung ‚hinter sich lassen‘ und sich gegenwärtigen Problemen widmen. Einen regelrechten Schlussstrich wollen 58 Prozent der Befragten ziehen. Bei den 40- bis 49-Jährigen ist es jeder Zweite; bei den über 60-Jährigen sind es hingegen 61 Prozent.

Vor diesem Hintergrund rennt der Sunnyboy der kulturwissenschaftlichen Elite, Harald Welzer, offene Türen ein, wenn er sich 2012 mit seiner Kollegin Dana Giesecke vehement gegen eine Erinnerung an die NS-Zeit wendet. Er findet Gedenktafeln wie in Berlin-Schöneberg, die an die KZ- und Vernichtungslager erinnern, überflüssig, ja schädlich, da sie eine negative Botschaft transportierten. Er möchte das positive gedachte „Menschenmögliche“ betont wissen.[1] Die armen, gebeutelten Deutschen seien Opfer einer „Diktatur der Vergangenheit“, wie die Sozialwissenschaftlerin Brigitta Huhnke in einer Kritik an Welzer und Giesecke analysiert.[2] Der Erziehungswissenschaftler Klaus Ahlheim monierte deshalb, Welzer schwadroniere. Ahlheim zeigt jedoch auch, wie trendig Welzer ist, was sich am Beispiel der Unternehmensberaterin und Coacherin Barbara von Meibom zeigt, deren Buch „Deutschlands Chance. Mit dem Schatten versöhnen“ er zerpflückt und mit Welzers Publikation kontextualisiert.[3]

In der Forschung wird ebenso seit Jahren eine Abkehr vom Gedenken an den Antisemitismus im Nationalsozialismus eingefordert. Das kann man exemplarisch an Hand der Geschichte des Naturschutzes zeigen. Die beiden Landschaftsarchitekten bzw. Historiker des Naturschutzes, der Freiraumplanung und Landschaftsarchitektur Gert Gröning und Joachim Wolschke-Bulmahn fordern seit den 1980er-Jahren eine solche kritische Geschichte ihres eigenen Fachbereichs ein und haben vielfältige Forschungen zur Geschichte des Antisemitismus, der völkischen Ideologie und des Nationalsozialismus vorgelegt.[4] Gröning hat darüber hinaus auch an den Beitrag von Juden zur Geschichtsschreibung des Naturschutzes und zum Verhältnis von Juden zum Naturschutz geforscht sowie Dokumente zugänglich gemacht.[5] Doch der Mainstream der Forschung geht andere Wege, wie etwa diejenigen von Frank Uekötter oder Joachim Radkau zeigen, die lieber von der Vielfalt der Möglichkeiten des Naturschutzes im SS-Staat reden und vom Antisemitismus, wie etwa bei einem der führenden Naturschützer in Nazi-Deutschland, Walther Schoenichen[6], wenig wissen wollen.[7]

Was wir derzeit erleben, ist ein Revisionismus, eine vorgeblich neutrale Wiederbetrachtung der Geschichte ungeahnten Ausmaßes. Wie ich mit diesem Vortrag zu zeigen versuche, haben wir es weltweit mit einer Trivialisierung der Shoah zu tun, einem vor allem in der Wissenschaft permanentem Gerede über „Genozid“, das jegliche Spezifik und Einzigartigkeit des Holocaust vernebelt oder bewusst verwischt. Holocaustleugnung ist kein großes Thema mehr, die Trivialisierung des Holocaust ist die neue Mode. Zudem haben wir es besonders in der muslimischen und arabischen Welt mit einer Affirmation des Holocaust zu tun sowie mit der Ankündigung eines neuen. So riefen die Hacker von „Anonymous“ aus Solidarität mit den Terroristen des Islamischen Staates (IS) für Anfang April 2015 zu einem „elektronischen Holocaust“ gegen Israel auf und wollten das Land computertechnisch stilllegen.[8]

In Deutschland zeigt sich eine besonders merkwürdige Form des Umgangs mit der Vergangenheit. Neuerdings, ja eigentlich seit der Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1985, sprechen die Deutschen von einer „Befreiung“, die der 8. Mai 1945 angeblich für sie gewesen sei. 1999 argumentierte Bundesaußenminister und die Ikone der Grünen Joschka Fischer für einen NATO-Angriffskrieg gegen Serbien mit dem unsagbaren Spruch „Nie wieder Auschwitz!“ Und die Fernsehmoderatorin Anja Reschke sprach sich vor wenigen Wochen für eine Erinnerung an Auschwitz aus, was sehr bedeutsam ist, doch sie fügte hinzu, Auschwitz sei elementar für ihre „Identität als Deutsche“. Auf diese Tendenzen hat Anfang Februar 2015 der Literaturwissenschaftler Jan Süselbeck kritisch reflektiert.[9]

Völlig unkritisch, ja affirmativ wird hingegen eine „Europäisierung“ oder „Universalisierung“ des Holocaust durch die beiden Soziologen Daniel Levy und Natan Sznaider vorgestellt. Gerade den Krieg gegen Serbien im Jahr 1999 sehen sie als geradezu moralische Konsequenz des Holocaust, der zu einer „‘Universalität‘ der Menschenrechte“ beigetragen habe.[10] Die beiden Soziologen sind Anhänger des von Ulrich Beck vorgestellten Konzepts der „Zweiten Moderne“ und meinen, sie wären besonders reflektiert, wenn sie die Benutzung der Shoah für gegenwärtige Zwecke geradezu einfordern und darin keine Trivialisierung des Präzedenzlosen zu sehen vermögen. Levy und Sznaider gehen sogar soweit, dass sie kein Problem damit haben, dass Antikommunisten wie Stéphane Courtois von einem „Roten Holocaust“ reden,[11] darunter Joachim Gauck, im „Schwarzbuch des Kommunismus“ von Ende der 1990er-Jahre.[12]

Levy und Sznaider sind geradezu euphorisch, dass manche arabische Autoren wie Edward Said (1935–2003) den Holocaust nicht leugnen, sondern die arabische Welt auffordern, ihn anzuerkennen, damit die Juden und Israel ihre „Verbrechen“ an den Palästinensern von 1948, hier meint er die „Nakba“, auch anerkennen könnten. Er weiß, dass man die Vernichtung von sechs Millionen Juden nicht mit der (angeblichen oder tatsächlichen) Vertreibung von Palästinensern vergleichen kann – und wiederholt es trotzdem. Said ist bekanntlich der Ideologe des „Orientalismus“, einer antiwestlichen Ideologie, welche westlicher Kunst und Politik grundsätzlich einen rassistischen Blick auf den Orient vorwirft. Seine Studie „Orientalism“ von 1978[13] kulminierte in einer Attacke auf Israel, das die letzte Bastion des „Orientalismus“ und westlichen Rassismus sei.[14] Für Levy und Sznaider hingegen ist Said ein Vorkämpfer der Anerkennung der Rechte anderer, sie erwähnen seinen abgrundtiefen Hass auf den Zionismus und den jüdischen Staat Israel gar nicht, den man seinen Schriften unschwer entnehmen kann.[15] Auch in dem von ihnen zitierten Text Edward Saids von 1999 über „Koexistenz“ leugnet Said den Holocaust zwar nicht, aber durch seine Analogie zur Vertreibung der Palästinenser wird der Holocaust trivialisiert und derealisiert. Zudem ist die Annahme Saids völlig falsch, Israel sei (nur) wegen dem Holocaust gegründet worden.[16] Vielmehr war die Geschichte des Zionismus für die Entstehung des Judenstaates zentral. Die israelische Politikerin und Politologin Einat Wilf betont sogar, dass wir es auch in Europa und Nordamerika häufig mit einer Verleugnung des Zionismus zu tun haben, wenn wohlwollende Freunde Israels sagen, dass es das Land aufgrund der Ereignisse im Zweiten Weltkrieg und der Shoah gebe.[17] Doch das ist falsch, da bekanntlich der politische Kampf für Israel Ende des 19. Jahrhunderts mit Theodor Herzl und anderen führenden Persönlichkeiten der zionistischen Bewegung einsetzte und der Kauf von Land[18] und die Besiedelung zur gleichen Zeit einsetzten.

Die Geschichte der Hachschara-Ausbildungsstätten für Juden, den Chaluzim, die Vorbereitung für die Auswanderung nach Erez Israel insbesondere im Zeitraum 1900 bis 1940, zeigt die Bedeutung zionistischer Praxis. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die 1893 gegründete israelitische Gartenbauschule in Ahlem bei Hannover, die zwar nicht aus zionistischen Motiven gegründet wurde, alsbald aber auch für die Auswanderung nach Israel ausbildete.[19] Mehrere Absolventen wurden später Landschaftsarchitekten oder Gartenbauer in Palästina beziehungsweise Israel, darunter Yehiel Segal und Shlomo Weinberg-Oren.[20] Die Betonung des selbstbestimmten jüdischen Ausbildens in der Hachschara und die Bedeutung von zionistischer Idee und Praxis sind essentiell für das Verständnis, warum es 1948 zur Gründung des jüdischen Staates Israel kommen konnte.[21]

Was ist „sekundärer Antisemitismus“?

Unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 hat sich – zwar keineswegs exklusiv in Deutschland, aber doch auch (was Quantität und Qualität betrifft) spezifisch deutsch – neben dem Schweigen eine Art „Soft-core“-Leugnung entwickelt, um einen Begriff der Historikerin Deborah Lipstadt zu verwenden, die ihn auf heutige Tendenzen der Abwehr der Erinnerung anwendet.[22] Die Forschung spricht hier vor allem vom „sekundären Antisemitismus“, einem Judenhass nach und wegen Auschwitz.

„Soft-core“ im Unterschied zu „hard-core“ meint eine rhetorisch versteckte Form der Holocaustleugnung. Für Lipstadt ist diese „softe“ Variante gefährlicher und zukunftsträchtiger als die offene, harte Version, da sie oft vom Mainstream nicht erkannt, vielmehr geduldet, ja protegiert und generiert wird. Ich werde zwei Kategorien (man könnte auch drei daraus machen) analysieren: Derealisierung und Trivialisierung sowie Universalisierung.

Folgende Beispiele stehen zwar für eine Derealisierung der Verbrechen im Holocaust, aber sogar für den positiven Bezug auf die Schutzstaffel (SS) und Nazi-Deutschland. Zwischen Mitte Februar und Mitte März 2015 fanden in drei europäischen Staaten, Litauen, Lettland und Estland, vier neonazistische Demonstrationen statt, die auf ungeheuerliche Weise zeigen, wie im Jahr 2015 in drei EU-Ländern mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus und die Shoah umgegangen wird. Der Leiter des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem, der Historiker und Nazijäger Efraim Zuroff,[23] hat diese vier Demonstrationen erlebt und darüber berichtet. Ich selbst war im März 2010 in Riga, der lettischen Hauptstadt, Teilnehmer einer kleinen Protestkundgebung gegen den dortigen Aufmarsch ehemaliger SS-Mitglieder. Es war ein schockierendes Erlebnis, 65 Jahre nach Ende des SS-Staates alte Männer in Uniform zu sehen, die als lettische Nationalhelden, die die Kommunisten bekämpft hätten, einfach so auf den Straßen marschieren durften, unterstützt von kahlköpfigen jungen lettischen Neonazis.

In Deutschland läuft das alles natürlich viel subtiler ab, der offenen Huldigung der SS wird eher die Gleichsetzung von rot und braun vorgezogen, was einen ganz ähnlichen Effekt hat. Das fast vollständige Ausbleiben von internationalen Protesten gegenüber antisemitischen Ereignissen oder solchen Nazi- und Neonaziaufmärschen mitten in der EU zeigt eine politische Kultur des Gewährenlassens, des Einverständnisses an.

Was heißt „sekundärer Antisemitismus“? Sekundärer Antisemitismus ist ein Antisemitismus nach Auschwitz. Der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex brachte es in seinen Worten auf den Punkt: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“ „Sekundärer Antisemitismus“ ist ein Begriff von Peter Schönbach, einem Mitarbeiter Theodor W. Adornos.[24] Während es damals, um 1960 herum, generationsspezifisch um das „Nachleben des faschistischen Antisemitismus“ ging (genauer hätte von „nationalsozialistisch“ gesprochen werden müssen), stellt sich das Problem heute umfassender. Gerade Generationen von nach 1945 und auch nach 1968 Geborenen vertreten heute weniger einen plumpen, leicht erkennbaren Judenhass, als vielmehr einen sekundären unter dem Deckmantel der ‚Seriosität‘ und Salonfähigkeit.

Allerdings erleben wir in den letzten Jahren auch wieder zunehmend ganz offenen und vulgären Judenhass, wie antisemitische Demonstrationen und Aktionen im Sommer 2014 auf erschreckende Weise zeigten. Dabei gab es eine Mischung aus antizionistischem, gegen den jüdischen Staat gerichteten Antisemitismus, und traditionellem Antisemitismus. Dieser häufig muslimische und islamistische Antisemitismus wird flankiert vom Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft. Die Schuldprojektion, also die Diffamierung der Juden als „Nazis von heute“ ist eine der bekanntesten Formen des heutigen Antisemitismus. Häufig sind es gerade die liberalen und linken Vertreter des kulturellen und politischen Establishments wie der jeweiligen Subkulturen, die Antisemitismus verbreiten – und das mit allerbestem Gewissen, denn man ist ja auf der Seite der „Guten“. Doch begonnen hat die Trivialisierung des Holocaust durch ein ehemaliges Mitglied der NSDAP, das schon vor seiner Nazi-Zeit völkisch dachte.

Heidegger und die Erinnerungsabwehr, 1946/49

Eines der frühesten Beispiele, ja eines der Modelle, wie heute die Erinnerung an die Shoah abgewehrt, weil universalisiert wird, stammt von Martin Heidegger aus einem seiner Bremer Vorträge aus dem Jahr 1949, zum  „Ge-stell“:

„Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie die Blockade und Aushungerung von Ländern, das Selbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben.“[25]

Somit sei also die Moderne schuld an Auschwitz, genauso wie für den Niedergang der Landwirtschaft. Dazu kommt schon hier die Schuldumkehr: die Sowjetunion, auf deren Berlin-Blockade im Jahr 1948/1949 Heidegger hier anspielt, sei ebenso verbrecherisch wie jene Leute, die Gaskammern betrieben, wobei natürlich die Deutschen als Täter nicht genannt werden: Es ist ein Verschweigen, das der Seinsontologie geschuldet ist.

Schon 1946 hatte Heidegger in seinem „Brief über den Humanismus“[26] die deutschen Täter gewürdigt und Schuld abgewehrt, wie es sich für einen Seinsontologen gehört: „Aus demselben Grunde ist der Bezug Hölderlins zum Griechentum etwas wesentlich anderes als Humanismus. Darum haben die jungen Deutschen, die von Hölderlin wussten, angesichts des Todes Anderes gedacht und gelebt als das, was die Öffentlichkeit als deutsche Meinung ausgab.“[27]

Heidegger möchte „seine“ deutschen Soldaten retten. Diese hätten gar nicht das gedacht, was „die Öffentlichkeit“ dachte und als „deutsche Meinung“ ausgab. Vielmehr seien diese Soldaten offenbar für die „Würde“ des Seins gestorben, denn sie seien – so sie Hölderlin kannten – gerade nicht im Sinne des Humanismus gestorben. Damit möchte Heidegger die deutschen Soldaten für sich und seine Schule reklamieren, ja die deutschen Landser erscheinen als die wahren Recken im Kampf für das Sein und gegen den Humanismus.

Der Philosoph Hassan Givsan kritisiert den ‚deutschen Denker‘:

Das Ungeheuerliche und Grauenhafte des Heideggerschen Satzes [„Fabrikation von Leichen…“, d.V.] besteht darin, daß er die Vernichtung der Juden als Seinsgeschick faßt: denn das Ge-stell ist Seinsgeschick. Jene, die Heideggers Verabschiedung der Subjektphilosophie und des ‚Subjekts‘ als Wohltat feiern, müßten dann auch zur Kenntnis und in Kauf nehmen: die Vernichtung der Juden hat keine Subjekte. Denn es ist das Sein, das als Ge-stell west und die Vernichtung ins Werk setzt: es ist das Sein, das ‚dem Grimm‘ ‚Andrang zu Unheil‘ gewährt wie es in ‚Brief über den ‚Humanismus‘ (1946) heißt, und das ‚Wesen‘ des ‚Bösen‘ ‚besteht nicht in der bloßen Schlechtigkeit des menschlichen Handelns, sondern es beruht im Bösartigen des Grimmes‘. Nicht die Menschen haben ‚Böses‘ getan, niemand hat ‚Böses‘ getan – es ist das Sein, das Unheil schickt und das Böse gewährt. Die Menschen sind dabei bloß vom Sein gebraucht: sie sind bloß Werkzeuge des Sich-ins-Werk-setzens der Wahrheit des Seins. So gibt es keine ‚Schuld‘ und kein ‚Entschuldigen‘. Kurz: Das Ungeheuerliche und das Grauenhafte ist Heideggers Seinsdenken selbst. Heidegger hat nicht geschwiegen, auch nicht über den Holocaust.[28]

Diese Kritik an Heidegger ist essentiell und zeigt, dass schon lange bevor jetzt die „Schwarzen Hefte“ publiziert wurden, der Antisemitismus dieses deutschen Denkers erkannt werden konnte.

Ergänzend zur Seinsontologie Heidegers wird gerne auf einen italienischen Starphilosophen verwiesen, der auch von Suhrkamp einem deutschsprachigen Publikum angeboten wird: Giorgio Agamben. Agamben spricht vom „Lager als nómos der Moderne“[29] und setzt die Festsetzung illegaler Einwanderer in Italien 1991 mit der Deportation von Juden aus Vichy-Frankreich und mit heutigen Warteräumen für Flüchtlinge auf internationalen Flughäfen gleich.[30] Diese Vergleicherei des Unvergleichbaren, diese Gleichsetzung von Völkermord und Abschiebung sowie die Ineinssetzung von westlicher Demokratie und Nationalsozialismus zeigt die Niveaulosigkeit gegenwärtiger Theoriebildung und Forschung.

Bedeutsam ist eine Analyse des „ontologischen Negationismus“ bei Heidegger, wie es der französische Philosoph Emmanuel Faye nennt.[31] Faye zitiert den von Agamben herangezogenen Text Heideggers von 1949, Die Gefahr:

Hunderttausende sterben in Masse. Sterben Sie? Sie kommen um. Sie werden umgelegt. Sterben Sie? Sie werden Bestandsstücke eines Bestandes der Fabrikation von Leichen. Sterben Sie? Sie werden in Vernichtungslagern unauffällig liquidiert. Und auch ohne Solches – Millionen verelenden jetzt in China durch den Hunger in ein Verenden. Sterben aber heißt, diesen Austrag vermögen. Wir vermögen es nur, wenn unser Wesen das Wesen des Todes mag. Doch inmitten der ungezählten Tode bleibt das Wesen des Todes verstellt. Der Tod ist weder das leere Nichts, noch ist er nur der Übergang von einem Seienden zu einem anderen. Der Tod gehört in das aus dem Wesen des Seyns ereignete Dasein des Menschen. So birgt er das Wesen des Seyns. Der Tod ist das höchste Gebirg der Wahrheit des Seyns selbst, das Gebirg, das in sich die Verborgenheit des Wesens des Seyns birgt und die Bergung seines Wesens versammelt. Darum vermag der Mensch den Tod nur und erst, wenn das Seyn selber aus der Wahrheit seines Wesens das Wesen des Menschen in das Wesen des Seyns vereignet. Der Tod ist das Gebirg des Seyns im Gedicht der Welt. Den Tod in seinem Wesen vermögen, heißt: sterben können. Diejenigen, die sterben können, sind erst die Sterblichen im tragenden Sinn dieses Wortes.[32]

Faye analysiert:

Dieser Text übersteigt alles, was die Nationalsozialisten behauptet haben. […] Die Redewendungen von der ‚Wahrheit des Seyns‘, vom ‚Gedicht der Welt‘ und vom ‚höchsten Gebirg‘ können die Abscheulichkeit des Gesagten nicht verdecken. Das dreimal wiederholte ‚Sterben sie?‘ verlangt nach einer unhaltbaren Antwort: Heidegger zufolge ist in den Vernichtungslagern niemand gestorben, denn keiner der Ermordeten trug in seinem Wesen die Möglichkeit des Todes. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass diese Aussagen auf nichts anderem als auf dem schieren Gegenteil menschlicher Vernunft beruhen. Wir haben es hier nicht mehr mit Revisionismus zu tun, sondern mit totalem Negationismus, ja mit etwas, das alle Worte übersteigt und das recht eigentlich namenlos ist. (…)
Mit Absicht verwendet Heidegger zu Beginn des Abschnittes, wo von den in den Vernichtungslagern Ermordeten gesprochen wird, niemals das Wort ‚Mensch‘. Heidegger behauptet nämlich, dass nur der sterben ‚kann‘, der im ‚Gebirg‘ des ‚Wesens‘ des ‚Seyns‘ ist. Die in den Vernichtungslagern Ermordeten konnten nicht vom ‚Seyn‘ ‚geborgen‘ werden. Es waren keine ‚Sterblichen‘. Es sind für Heidegger keine Menschen.[33]

Faye erwähnt abschließend den derzeit „stetig wachsenden Einfluss Heideggers auf die iranischen Fundamentalisten“, den eine Studie von Victor Farias belege.[34]

Soweit die Kritik von Emmanuel Faye an Heidegger und Agamben. Für Agamben geht es den in Guantanamo inhaftierten Jihadisten oder des Jihadismus Beschuldigten schlechter als den Juden in den KZs, da den Juden wenigstens ihre Identität als Juden geblieben sei.[35] Selbst eine solche perfide Geschichtsklitterung vermag es nicht, ihn völlig zu diskreditieren.

Wenigstens am Rande sei vermerkt, dass auch der deutsche Soziologe und Systemtheoretiker Niklas Luhmann unfähig war, kategoriale Differenzen zwischen dem Nationalsozialismus und der Zeit nach 45 zu erkennen. In einem Interview im Jahr 1985 sagte er:

„Vor 1945 hatte man doch gehofft, daß nach dem Wegfall des Zwangsapparates alles von selbst in Ordnung sein würde. Das erste jedoch, was ich in der amerikanischen Gefangenschaft erlebte, war, daß man mir meine Uhr vom Arm nahm und daß ich geprügelt wurde.“[36]

Walser 1979: „Auschwitz bewältigen“

In Deutschland ist es für das Kreieren einer positiven ‚nationalen Identität‘ unumgänglich, Auschwitz zu trivialisieren. Den inneren Zusammenhang von Nation und Auschwitz brachte kein anderer als der damalige DKP-Sympathisant Martin Walser im Frühjahr 1979 auf den Punkt, als er in den legendären Bänden der edition suhrkamp, herausgegeben vom wirkungsmächtigsten Schüler Adornos und Totengräber der Kritischen Theorie, Jürgen Habermas, schrieb: „Auschwitz. Und damit hat sich’s. Verwirkt. Wenn wir Auschwitz bewältigen könnten, könnten wir uns wieder nationalen Aufgaben zuwenden.“[37]

Damit brachte Walser die politische Kultur des sekundären Antisemitismus in Deutschland wie kein zweiter auf den Punkt. Auch gegen Adorno und für Heidegger legte sich der deutsch-nationale Autor ins Zeug: „Schlimmer als der geschmähte Jargon der Eigentlichkeit kommt mir der Jargon vor, in dem da geschmäht wurde.“[38]

Der ganze nationalistische Rummel seit der Fußball-WM 2006, das Brüllen, Kreischen, die schwarzrotgoldenen Fahnenmeere waren 1979 jenseits von offen reaktionären Kreisen noch schwer denkbar und definitiv nicht massenkompatibel. Walser lamentierte: „Und selbst in Moskau oder New York darf ich nicht so rückhaltlos deutsch sein, wie die dort russisch oder amerikanisch sind. Man erwartet von mir geradezu, daß ich mein Deutschsein mit einer Art Fassung trage, wie man ein Leiden erträgt, für das man nichts kann, das man aber auch nicht mehr loswerden kann.“[39]

Zur fast gleichen Zeit, 1978, legte der Schriftsteller und langjährige Autor der linken Publikumszeitschrift Konkret, Hermann Peter Piwitt, einen Kranz am Hermannsdenkmal nieder und konnte nicht verstehen, dass sich ein Lehrer in Hamburg ihm gegenüber kritisch zu zwei Memoranden der Hamburger Schulbehörde äußerte, darunter eines darüber, „daß die Nationalhymne wieder stärker in das Bewußtsein der Schüler gebracht“ werden müsse.[40] Piwitt schrieb sodann, es gebe „nichts heimatloseres, entwurzeltes, Ahasver-hafteres als das Kapital“[41] – man könnte sagen, das ist eine linke Post-Holocaust-Variante des „ewigen Juden“, da Ahasver als der „ewige Jude“ bekannt ist.[42] Von hier ist es nur ein kleiner deutscher Weitsprung ins 21. Jahrhundert, wo nicht selten, wie von IG Metall-Zeitschriften oder SPD- und anderen Politikern,[43] gegen die „Heuschrecken“ des Kapitals agitiert wird. Dabei handelt es sich um die bekannte Aufspaltung in das „produktive“ Industriekapital und den „deutschen Arbeiter“ auf der einen und das virtuelle „Geldkapital“ oder „Finanzkapital“, wie Jürgen Elsässer und Ken Jebsen wohl sagen würden, auf der anderen Seite.

Doch entscheidend ist hier der deutsch-nationale Einsatz von Piwitt, der wie Walser zur gleichen Zeit ein Bedürfnis nach deutscher Identität hatte. Das war noch vor Helmut Kohl, der im Herbst 1982 seine „geistig-moralische Wende“ als Vorbereitung für die „Wende“ startete, das war noch vor dem Besuch der SS-Soldatengräber in Bitburg durch Kohl und US-Präsident Ronald Reagan im Mai 1985 und noch vor dem Beginn des Historikerstreits[44] am 6. Juni 1986 mit der Publikation eines Textes von Ernst Nolte, „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ in der Zeitung für Deutschland, der FAZ. [45]

„Ende der Schonzeit“ 1985, 1976, 1969

Walsers Sehnsucht nach der „Bewältigung“ von Auschwitz von 1979 lag vor dem 31. Oktober 1985, als in Frankfurt eine Gruppe jüdischer Demonstranten, die die Bühne der Frankfurter Kammerspiele wegen des geplanten antisemitischen Stücks „Die Stadt, der Müll und der Tod“ von Rainer Werner Fassbinder besetzt hatten, mit Sprüchen wie „Kommen Sie doch nicht immer wieder mit ihrem Auschwitz!“ attackiert wurden, wie Henryk M. Broder in „Der Ewige Antisemit“ festhielt.[46] Es war das „Ende der Schonzeit“, wie es ein bekannter Vertreter des kulturellen Establishments damals nannte.

Doch dieses „Ende der Schonzeit“ war für Juden schon längst gekommen, spätestens mit der Selektion von Juden und Nichtjuden am Flughafen von Entebbe in Uganda nach der Entführung eines Verkehrsflugzeugs am Sonntag, den 27. Juni 1976, auf dem Weg von Athen nach Paris, von Tel Aviv kommend. Spätestens am 1. Juli 1976 wurden dabei Juden durch die deutschen Entführer der Revolutionären Zellen (RZ), Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, von Nichtjuden selektiert. Als eine der Entführten Böse ihre in Auschwitz eintätowierte Nummer auf dem Unterarm zeigte, meinte er, er sei „Marxist“ und „kein Nazi“.

Schon die Tupamaros Westberlin hatten am 9. November 1969 mit einer Bombe vor dem jüdischen Gemeindehaus in Berlin ihren Antisemitismus und ihre Form der Erinnerungsabwehr unzweideutig zum Ausdruck gebracht.

Sarrazins Stolz auf das Deutschland der 1950er-Jahre: „angestachelt“ durch „die Katastrophe“ – das Volk der Tüftler

Doch die Konservativen stehen mit ihrer Form der Erinnerungsabwehr nicht im Abseits, sie geben vielmehr seit Jahren den Ton an und ergänzen linke Formen des Antisemitismus auf ihre Weise. Ein ganz typisches Beispiel ist der Bestsellerautor und Ex-Politiker Thilo Sarrazin. In seinem über eine Million mal verkauften Buch „Deutschland schafft sich ab“ von 2010 schreibt der SPD-Mann:

Die Bundesrepublik der frühen fünfziger Jahre war ein sehr modernes Staatswesen. Nach den zwei verloren Kriegen hatten sich katastrophale Folgen gezeigt: Die Institutionen waren zerstört, die Traditionen in Frage gestellt und die Bevölkerung durch Flucht und Vertreibung durcheinandergewirbelt. Doch die spezifischen deutschen Stärken – ein hoher Standard in Wissenschaft, Bildung und Ausbildung, eine leistungsfähige Wirtschaft und eine qualifizierte Bürokratie – waren durch die Katastrophe des Krieges und die Zerstörung der Infrastruktur erstaunlich wenig beeinträchtigt worden. Die Angehörigen der Führungsschichten und der Bürokratie waren zu 90 Prozent willige Helfer der Nazidiktatur gewesen; das wirkte sich aber keineswegs auf ihre Effizienz beim Wiederaufbau aus. Ganz und gar ungebrochen und durch die Katastrophe und die Chance zum Wiederaufbau sogar noch angestachelt waren der traditionelle deutsche Fleiß und der Hang zum Tüfteln und Verbessern.[47]

Diese Passage aus Sarrazins Bestseller, in dem es nur am Rande gegen Muslime und den Islam, zentraler schon fürs Kinderkriegen, gegen Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger geht, denen zur Heizkostenreduzierung ernsthaft empfohlen wird, „Pullover“ anzuziehen, zeigt, wie deutsche Ideologie im 21. Jahrhundert funktioniert. Es ist die Volksgemeinschaft der Selbstgerechten, der Tüftler und Weltverbesserer. Ja, die Deutschen haben sich, so Sarrazin, durch die „Katastrophe“, womit nicht Auschwitz, sondern die deutsche Niederlage gemeint ist, angestachelt gefühlt, weiter zu machen.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit Sarrazin noch heute die „qualifizierte Bürokratie“ der Deutschen im Nationalsozialismus und danach lobt, ohne mit einem Wort gerade diese Bürokratie und ihre Rolle bei der Vernichtung der europäischen Juden auch nur zu erwähnen. Er ist sich einig mit einem Großteil seiner Hunderttausenden Leserinnen und Leser: Stolz auf Deutschland, das mit dem Fokus auf die armen „Flüchtlinge“ aus dem Osten auch noch als Opfer präsentiert wird. Unter widrigen Bedingungen hätten die Deutschen ein Wirtschaftswunder hinbekommen, – und man mag hinzufügen: so wie sie unter widrigen Bedingungen während des Krieges Millionen Juden ermordeten.

Was bei Sarrazin nicht vorkommt, ist das brüllende Schweigen der gesamten deutschen Gesellschaft der BRD (nicht viel anders sah es in der DDR aus) bezüglich des Holocaust und der deutschen Täter der damaligen Zeit. Der Film von 2014 „Im Labyrinth des Schweigens“ von Giulio Ricciarelli, der die historische Leistung von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer auf beeindruckende Weise würdigt, legt Zeugnis ab von der unerträglichen Normalität der deutschen Gesellschaft der 1950er- und frühen 1960er-Jahre. Der Publizist Eike Geisel hat die deutschen Zustände so treffend wie kein anderer auf den Punkt gebracht: „Für Otto Normalvergaser ist die Welt von gestern noch in Ordnung gewesen.“

Der Super-GAUck

Der Bundespräsident Joachim Gauck möchte den 23. August, den Tag des Hitler-Stalin-Paktes von 1939, als neuen Feiertag einführen lassen, damit rot und braun europaweit als gleich schlimme Übel erkannt würden. Gauck ist als politischer Aktivist bei der Veröffentlichung des „Schwarzbuchs des Kommunismus“ (1998),[48] der „Prager Deklaration“ (2008) und der Initiative „23. August 1939“ (2009) an vorderster Front mit dabei. Darum sieht auch die (Neue) Rechte in Gauck ihren Kandidaten, wenn die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ titelte: „Wir sind Präsident“. Vom „Spiegel“ bis zur „Achse des Guten“ wird Kritik an Gauck jedoch als ein Ausscheren aus dem Konsens diffamiert, der demokratisch mit ‚volksgemeinschaftlich‘ verwechselt. Seit langem wird von Vera Lengsfeld[49] (und jener „Achse des Guten“[50]) Gauck promotet. Warum also regen sich viele Gauck-Fans dermaßen über Kritik auf, stehen doch fast alle Mainstream-Medien und ca. 90% der Wahlfrauen und -männer in der Bundesversammlung hinter ihnen?

Diese deutschen Zustände zeichnen sich dadurch aus, dass ein Grüner wie der damalige Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Jürgen Trittin, am 24. Februar 2012 in der TV-Sendung Maybrit Illner dem Journalisten Deniz Yücel „Schweinejournalismus“ vorwarf.[51] Yücel hatte sich auf einen Vortrag Gaucks aus dem Jahr 2006 bezogen, den ich bereits im Kontext[52] einer Analyse der „Prager Deklaration“ und des Antisemitismus im Sommer 2010 kritisierte[53]. Gauck sagte am 28. März 2006 in einer Rede der Vortragsreihe „Europa bauen, den Wandel gestalten“ vor der Robert Bosch Stiftung zum Thema „Welche Erinnerungen braucht Europa?“:[54]

Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocaust. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist. Offensichtlich suchen bestimmte Milieus postreligiöser Gesellschaften nach der Dimension der Absolutheit, nach dem Element des Erschauerns vor dem Unsagbaren. Da dem Nichtreligiösen das Summum Bonum – Gott – fehlt, tritt an dessen Stelle das absolute Böse, das den Betrachter erschauern lässt. Das ist paradoxerweise ein psychischer Gewinn, der zudem noch einen weiteren Vorteil hat: Wer das Koordinatensystem religiöser Sinngebung verloren hat und unter einer gewissen Orientierungslosigkeit der Moderne litt, der gewann mit der Orientierung auf den Holocaust so etwas wie einen negativen Tiefpunkt, auf dem – so die unbewusste Hoffnung – so etwas wie ein Koordinatensystem errichtet werden konnte. Das aber wirkt ‚tröstlich‘ angesichts einer verstörend ungeordneten Moderne.[55]

Wer je wissen wollte, wie sekundärer Antisemitismus funktioniert, weiß es jetzt. Hier wird die Erinnerung an Auschwitz verhöhnt und abgewehrt. Der Historiker Wolfgang Benz, dessen Doktorvater Karl Bosl ein Nazi war, was Benz bis heute nicht irritiert,[56] stellt sich mit Verve hinter Gauck und erklärte zur zitierten Passage auf die Frage der „taz“, ob das eine „Relativierung“ des „Holocausts“ sei:[57] „Nein. Gauck fordert eine Rationalisierung, also eine konkrete Betrachtung der Geschichte. Das ist weder Verleugnung noch Verharmlosung.“

Gauck sekundiert jedoch im Gegenteil der extremen Rechten der „Jungen Freiheit“, die von der „Sakralisierung des Holocaust“[58] spricht. Gauck sagt, dass der „Judenmord in eine Einzigartigkeit überhöht“ werde – was jedoch als ein „psychischer Gewinn“ zu verbuchen sei für diese quasi ‚Gläubigen‘ ohne Gott, aber mit Auschwitz.

Es gibt noch weitere Analogien von rot und braun, die die Shoah, den Nationalsozialismus oder die Vorgeschichte des NS-Staates derealisieren oder trivialisieren. Der Historiker Götz Aly, das gehätschelte enfant terrible der deutschen Geschichtswissenschaft, vergleicht die Bücherbrennung am 10. Mai 1933 mit dem Anzünden von Auslieferungswagen der Bild-Zeitung im April 1968 nach dem Attentat auf Rudi Dutschke.[59] Dabei wäre Kritik an manchen 68ern sehr notwendig, aber ganz sicher nicht mit solchen grotesken Analogien, wie sie Aly in seinem vor Exorzismus strotzenden Pamphlet „Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück“ aufmacht.[60] Andere Forscher wie Brendan Simms von der Universität Cambridge in England phantasieren über Hitler und meinen, er sei ein „Linker“ gewesen, ein „Antikapitalist“, der primär antibritisch beziehungsweise antiwestlich gewesen und dessen Antisemitismus gerade nicht ursächlich für seine Ideologie gewesen sei.[61] Abgesehen von der völlig veralteten Great Man Theory, dem ahistorischen Fokus auf Hitler und nicht auf die deutsche antisemitische Volksgemeinschaft: Solche Thesen sind nicht marginal, sondern werden von jungen aufstrebenden Historikern ernsthaft vertreten.

Geschichtsrevisionismus im 21. Jahrhundert: Universalisierung des Holocaust

Mehr noch: In der internationalen Forschung wird etwa von „Kaiser’s Holocaust“, also der Beziehung von Kolonialismus und Vernichtung, oder von einer imaginären Linie von „Windhuk nach Auschwitz“ gesprochen. Letzteres ist der Titel eines Buches des Afrikaforschers Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg. Der Historiker und ebenfalls Afrikaforscher Jakob Zollmann vom Wissenschaftszentrum Berlin hat Zimmerer und einige seiner postkolonial argumentierenden Kollegen en detail untersucht und scharf kritisiert.[62] Dem unzweifelhaften Rassismus des deutschen Kolonialismus stand eben gerade keinerlei Vernichtungsideologie wie der Antisemitismus zur Seite, und die deutschen Kolonialisten in Deutsch Südwestafrika (heute Namibia) hatten noch nicht einmal völlig Kontrolle über das ganze Land, von einer „faschistischen“ Herrschaft analog zum SS-Staat ganz zu schweigen.

Andere Holocaustverharmloser wie Ben Kiernan von Yale reden von „Blood and Soil“ von antiken Zeiten bis heute, wobei die Shoah nur einen völlig unspezifischen Bruchteil ausmacht.[63] Ein Kollege und weiterer Star gegenwärtiger Forschung von der Yale University, Timothy Snyder, bettet die Shoah in „Bloodlands“ ein, ein imaginäres Territorium in Osteuropa, vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer und Ostpolen bis zum westlichen Russland, in dem von 1932 bis 1945 14 Millionen Menschen getötet worden seien. Auch hier kommt der Zivilisationsbruch Auschwitz als solcher überhaupt nicht vor. Sein Buch wurde auch schon in der linken Monatszeitschrift Konkret beworben. Für Snyder wie für seinen Vater im Geiste Ernst Nolte war Stalin der erste Verbrecher, nicht die Deutschen. Snyder wird vor allem in Osteuropa verehrt, wie in Litauen. Kritik ist marginal, der Jiddischforscher und Holocaustforscher Dovid Katz[64] sowie der Historiker Efraim Zuroff[65] gehören zu den kontinuierlichen Kritikern Snyders, aber auch Historiker wie Dan Michman[66] oder Jürgen Zarusky[67] vom Institut für Zeitgeschichte aus München.

Ein zentraler Aspekt der Diskussion über Genozid und Holocaust ist die Abwehr der Einzigartigkeit der Shoah. Dabei hervorgetan hat sich in Deutschland vor allem der Antizionist Norman Finkelstein, der in seiner Abwehr der Thesen und Forschungen von David Jonah Goldhagen vor kaum einem antisemitischen Klischee zurückschreckte und den antisemitischen Terminus „Holocaust-Industrie“ prägte. Finkelstein wurde in Deutschland zu einem Bestsellerautor mit über 200.000 verkauften Exemplaren[68] seines Buches „Holocaust-Industrie“. Der Sozialwissenschaftler Marc Schwietring hat die Bedeutung Finkelsteins für die „Normalisierung des sekundären Antisemitismus in Deutschland“ kürzlich in einer Studie luzide analysiert.[69]

Nicht zuletzt gibt es jene rabiaten Tierschützer, die Juden mit Tieren vergleichen. Sie meinen für die Tiere sei es „wie Treblinka“. So auch die Tierrechtsorganisation PETA, die auf besonders perfide und widerwärtige Weise formulierte: „Der Holocaust auf deinem Teller“.[70]

Katholische, christliche und andere Antifeministen und Abtreibungsgegner reden vom „Abtreibungsholocaust“ oder „Babykaust“,[71] seit den später 1970er-Jahren war zudem gern die Rede vom „atomaren Holocaust“[72] und die Deutschen wie die Europäer konnten sich selbst als die neuen Juden herbeiphantasieren, die Opfer vor allem amerikanischer Rüstungs- und Außenpolitik werden könnten.

Deutscher Opferdiskurs

Während bis in die 1980er-Jahre in der BRD der 8. Mai als Niederlage oder Beginn der „Besatzung“ betrachtet wurde, je nachdem ob man für die CDU/CSU-Stahlhelm-Fraktion im Bundestag oder für die NPD und die Neue Rechte am Hermannsdenkmal in Detmold patrouillierte, wird seit einiger Zeit eher vom Opfer gesprochen. Alle möchten wenigstens ein bisschen Opfer gewesen sein. Opfer der bösen Nazis, doch vor allem Opfer der Engländer, der Amerikaner, der Russen und Tschechen.

Bücher, Texte und Filme über den Luftkrieg von Jörg Friedrich[73] vergleichen schon sprachlich Auschwitz mit Dresden und benutzen das Wort „Krematorium“ ganz gezielt für Deutsche als Opfer, nicht als Täter. Dazu kommt der Topos der „Vertreibung“ der Deutschen, dem sogar ein riesiges Zentrum gegen Vertreibung im Herzen des neuen Berlin gewidmet ist, unmittelbar angrenzend an die Topographie des Terrors. Soviel Gleichmacherei, soviel Trivialisierung des Holocaust war nie seit 1945. Es ist das Zeitalter des obsessiven Komparatismus.

Dazu passt die Kritik am Dresden-Mythos des Publizisten Henning Fischer, der auch die „Ablösung der ‚Schlussstrich‘-Fraktion durch die ‚Bekenntnis-Fraktion ab Mitte der 1990er Jahre“ untersucht.[74] Antonia Schmid hat darüber hinaus die Bedeutung von Filmen und TV-Produktionen für den deutsch-nationalen Diskurs über den Nationalsozialismus untersucht, wie „Dresden“, „Die Gustloff“ oder „Die Flucht“.[75] Vor allem der Film „Der Untergang“ steht symbolisch für den neuen deutschen Diskurs, für die „Auslöschung der Geschichte“, wie der Historiker und Publizist Hannes Heer gezeigt hat. Himmlers Adjutant Fegelein erscheint irgendwie „sympathisch“, Hitlers Geliebte Eva Braun überzeuge durch „ihre Natürlichkeit und ihren Frohsin“ und seine Chefsekretärin „Traudl Junge“ gewinnt das „Herz“ der Zuschauerinnen und Zuschauer „im Sturm“ wie Heer kritisch analysiert.[76] Das ist das Ende der Erinnerung an Nazi-Deutschland als einem verbrecherischen Land.[77]

Goldhagen und die deutsche Spezifik

Dabei gab es eigentlich nur während einer recht kurzen Periode so etwas wie Versuche einer Erinnerung an die Shoah. Begonnen hat es im Januar 1979 mit der Ausstrahlung der US-Serie Holocaust. In den 1980er- Jahren gab es dann einige lokale Initiativen. In gewisser Weise ein Höhepunkt der Erinnerung an den Nationalsozialismus und an die Shoah war die Publikation „Hitlers willige Vollstrecker“ des amerikanischen Politikwissenschaftlers Daniel J. Goldhagen im Jahr 1996. Goldhagen analysierte einen spezifisch deutschen Antisemitismus, den er „eliminatorisch“ nennt, was zwar insofern widersprüchlich klingt, als Antisemitismus immer auf die Tötung von Juden zielt, aber es eben historisch einen kategorialen Unterschied vom mörderischen Pogrom-Antisemitismus wie im zaristischen Russland und dem auf die Vernichtung aller Juden gerichteten deutschen Antisemitismus gab. Goldhagen untersuchte anhand von Quellen die mörderischen Aktionen deutscher Polizeibataillone im Holocaust, die Beziehung von Arbeitslager und Judenmord und schließlich die Todesmärsche gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und der Shoah. Theoretisch bettet Goldhagen das in eine politisch-kulturelle Analyse des spezifisch deutschen Antisemitismus vor allem seit dem 19. Jahrhundert ein. Dass er hingegen mit keinem Wort einem bösen „Essentialismus“ das Wort redete und nicht „die Deutschen“ aller Zeiten anklagte, zeigte sich in seinem nicht sehr überzeugenden Freispruch des heutigen – man muss betonen, Stand 1996 – Deutschland, das er als geläutert ansah oder ansieht.

Der Kern von Goldhagens Analyse jedoch ist so treffend wie selbstverständlich, doch niemand vor ihm hat es so prägnant zusammengefasst und ein ganzes Land damit konfrontiert: „No Germans – No Holocaust“; „keine Deutschen – kein Holocaust“.[78]

Goldhagen hat geschafft, was selbst radikale Linke in der BRD jahrzehntelang nicht vermochten: die Vernichter der europäischen Juden als das zu bezeichnen, was sie waren: Deutsche. Nicht bloß ‚Nazis‘, ‚SS-ler‘ oder eben ‚von Hitler Verführte‘, nein: „Dabei müssen wir bequeme, aber oft unangemessene und vernebelnde Etikettierungen wie ‚Nazis‘ oder ‚SS-Männer‘ vermeiden und sie als das bezeichnen, was sie waren, nämlich Deutsche. Der angemessenste, ja der einzig angemessene allgemeine Begriff für diejenigen Deutschen, die den Holocaust vollstreckten, lautet ‚Deutsche‘.“[79]

Es wäre eine ganze Vortragsreihe wert, sich auch den linken Lücken und Fehlinterpretationen bezüglich des Nationalsozialismus und der Shoah zu widmen. Die Abwehr einer deutschen Spezifik und des spezifisch deutschen Antisemitismus reicht dabei vom Traditionsmarxismus à la Wolfgang Abendroths Marburger Schule, Reinhard Kühnl und Manfred Opitz,[80] über Forscher und Autoren wie Karl-Heinz Roth, Detlef Hartmann, Götz Aly und Susanne Heim hin zu weiten Teilen der heutigen Linken, die mit Goldhagen schon deshalb nichts anfangen können, weil er nicht deren wertkritische und somit universalistische Grundhaltung teilt. Linke Anti-Goldhagen-Vertreter sind etwa der Soziologe Detlev Claussen oder der Historiker Ulrich Enderwitz sowie Bahamas-Autoren, die 1997 in dem Band „Goldhagen und die deutsche Linke“ von Matthias Küntzel, Ulrike Becker, Klaus Thörner und anderen untersucht und kritisiert wurden.[81] Der Partikularismus des allzu deutschen Weges in den Führerstaat und die antisemitische Volksgemeinschaft widerstrebt Theoretikern, die im Kapitalverhältnis, so unorthodox orthodox es immer analysiert werden mag, den Kern des Übels zu sehen glauben. Erinnert sei auch an einen programmatischen Text von Joachim Bruhn von der Initiative Sozialistisches Forum (ISF) aus Freiburg, der 2005 bezüglich des Holocaust von einer „Kahlfraßzone“ sprach und in Anlehnung an Götz Aly den Holocaust als „den konsequentesten Massenraubmord der Geschichte“ herunterdekliniert.[82]

Für Bruhn also waren die Deutschen, die Nazis, die SS eine Art Heuschrecken, die den Osten Europas kahl gefressen haben, sprich: die Juden ermordeten. Davon haben die deutschen Arbeiter zwar profitiert, das Kapital aber auch. Peter Kessen hat Alys gezieltes Ausblenden des Antisemitismus bei der Analyse des Nationalsozialismus kritisiert:

Götz Aly hat mit einer Pseudokritik der ‚Volksgemeinschaft‘ einen neuen Diskurs des Nationalen geschaffen. Sein Vulgärmaterialismus lässt den tödlichen Antisemitismus der Deutschen verschwinden, streicht die Elite der Bourgeoisie aus der Volksgemeinschaft, um mit dem beliebten Topos von der ‚Banalität des Bösen‘ eine sanft verständige und aktuelle Kritik der Unterschichtsmentalität in die Geschichte zu projizieren: ‚Die Menschen in Deutschland waren während des Zweiten Weltkrieges weithin passiv. Sie jagten dem kleinen Vorteil hinterher, frei nach dem Motto: Geld ist geil.‘ Übrig bleiben nur noch die abstraktesten Motive der Tatlosigkeit, Beschränktheit, Unmoral und Geldgier, quasi als Motive eines White Trash vieler Länder, der bei Gelegenheit ebenso gen Stalingrad gezogen wäre. In diesem Sinne hat Götz Alys ‚Volksstaat‘ den Holocaust internationalisiert und entgermanisiert. Die deutschen Buchhandlungen meldeten nach einer Woche den Ausverkauf.[83]

Matussek und die Stolzdeutschen 2006

Wann ging der nationale Taumel so richtig los? Mit Jürgen Klinsmann und dem sogenannten Sommermärchen vom WM-Sommer 2006, als die DFB-Elf nur Dank Italien gestoppt werden konnte? In seinem Buch von 2006 „Wir Deutschen. Warum uns die anderen gern haben können“ des damaligen Spiegel-Ressortleiters und heutigen Springer-Mannes Matthias Matussek spricht er mit der Journalistin Sarah Kuttner: „MM: Es gibt zum Beispiel die Parole ‚Nie wieder Deutschland‘. Es gibt den Wunsch mancher Deutschen, die sagen: ‚Nie wieder Deutscher, lieber Europäer sein oder lieber Weltbürger sein‘. Kuttner: Das ist genauso dämlich.“[84]

Matussek ist ganz begeistert ob der neuen deutschen Welle im Popgeschäft, Gruppen wie „Mia“ oder „Peter Heppner und Paul van Dyk“ haben es ihm angetan, wenn Mia singt „Fragt man mich jetzt, woher ich komme, tu ich mir nicht mehr selber leid“ oder „Wir sind wir“ von Heppner und van Dyk.[85]

Matussek ist ebenso angetan vom TV-Philosophen und Heidegger-Jünger Peter Sloterdijk, für den Wolfsburg die „interessanteste Stadt Deutschlands ist“ – kein Wunder, dass einem Sloterdijk gerade Wolfsburg so gefällt, wenn man bedenkt, dass sie 1938 als „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ gegründet wurde. Von der „Volkskunde“ über den „Volksempfänger“, den VE301,[86] hin zum „Volkswagen“ führt die volksgemeinschaftliche Linie im Nationalsozialismus. Matussek ist ein ganz typischer deutscher Autor, er passt so gut zum „Spiegel“ wie zur „Achse des Guten“ oder der Tageszeitung „Die Welt“, wenn er 2006 in „Wir Deutschen“ schreibt: „Ich bin nicht tief traumatisiert, denn ich denke nicht oft an die deutsche Schuld und den Holocaust“, er attackiert eine angeblich ‚sündenstolze deutsche Linke‘ und kämpft ebenso wie sein Vater im Geiste Martin Walser gegen die „moralische Keule“.[87]

Matussek ist ganz euphorisch ob der Inneneinrichtung im Haus des Journalisten Ulf Poschardt, dessen Innenleben „wesentlich schuldfreier“ daherkomme als das seiner 68er-Eltern. Poschardt möchte zurück zum „Vorkriegsdeutschland“, auch architektonisch, wie Matussek schreibt. Das Haus sei „minimalistisch, ja soldatisch eingerichtet“ und umgehend kommt Matussek auf Dresden zu sprechen und die bösen Engländer, die die Frauenkirche zerstört und die Großmutter seiner Frau traumatisiert hätten. Poschardt steht für Matussek somit jenseits der „Selbstgeißelungsprozessionen“, er steht journalistisch wie die Inneneinrichtung seines Hauses für die ungezwungenen, befreiten, neuen stolzdeutschen Bataillone.[88] „Ich finde Partypatriotismus ist für ein Land mit so einer düsteren Geschichte wie Deutschland – was den Nationalismus betrifft – etwas ganz Fantastisches“, erklärte Ulf Poschardt, stellvertretender Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, wie es in einem Bericht auf 3sat 2012 hieß. Die Grüne Jugend München, die sich gegen Nationalismus und Deutschtümelei während Fußballgroßereignissen wandte, wurde von Poschardt abwertend als „antideutsch“ bezeichnet.[89] Hingegen hat die Sozialpsychologin Dagmar Schediwy in Interviews mit Fußballanhängern empirisch untersucht, in welcher Beziehung möglicherweise kapitalistische Ökonomie, Versagensängste oder sozialer Abstieg in Relation zu Nationalstolz stehen;[90] 3sat berichtete dazu: „Schediwy erklärt das neue Streben nach Zugehörigkeit zur Nation mit Adorno und seiner Theorie der narzisstischen Kränkung. Wer im Alltag gedemütigt wird, sucht Zuflucht im Opium des Kollektivstolzes.“[91]

Hinzufügen muss man, dass auch wohlsituierte Deutsche, Poschardt mag ein typisches Beispiel dafür sein, ihren „Stolz“ auf Deutschland ganz nassforsch hinausbrüllen. Selbst bürgerliche Distanz zum kollektiven deutschen „Wir“ gibt es überhaupt gar nicht mehr. Das ist die Berliner Republik, die Verwandlung der Bundesrepublik in Deutschland.

Oder ging das deutsche Revival so richtig los mit der antiamerikanischen Offensive von Gerhard Schröder und der deutschen Friedensbewegung im Jahr 2003, als ganz ungeniert allerorten von einem „deutschen Weg“[92] geredet wurde? Unzweifelhaft war der 9. November 1989 ein historisches Datum, der Fall der Berliner Mauer, als wie selbstverständlich im Deutschen Bundestag die Nationalhymne angestimmt wurde, als ob alle seit dem 8. Mai 1945 beziehungsweise nach der Gründung von BRD und DDR 1949 nur auf diesen Tag gewartet hätten. Es war nicht nur ein Fanal für ungebremsten Nationalismus. Es folgten Rassismus, Mord und Totschlag von Migranten, nicht-deutsch-genug Aussehenden, Linken, Obdachlosen und anderen, wobei Nazi-Terrorgruppen wie der NSU noch gar nicht denkbar waren.

Der sekundäre Antisemitismus und die Erinnerungsabwehr sind notwendige Folge des neuen deutschen Nationalismus. Die Walser‘sche Paulskirchenrede von Oktober 1998 steht dafür paradigmatisch,[93] doch wie zitiert sekundiert sie nur Walsers deutsch-nationalen Einsatz der 1970er-Jahre.

Nichts wird verleugnet, doch das Wörtchen „Aber“ ist der Kern jeder Diskussion. „Es gab viele Verbrechen damals, an denen die Deutschen Schuld hatten, aber…“. So wird geredet, mal offen, mal verdruckster. So offen nationalistisch wie bei Fußballereignissen speziell seit dem Sommer 2006, als die Fußball-WM in der Bundesrepublik stattfand, ging es seit 1945 in diesem Land nicht zu. Soviel schwarzrotgoldener Wahnsinn war nie. Die Nazis reiben sich seit 2006 die Augen, wie selbstverständlich jede Krankenschwester, jede Chefärztin, jeder Taxifahrer, jede Zeitung, jede TV-oder Radio-Station und jeder Angestellte, Politiker, Manager ebenso wie Arbeitslose dem nationalen Geschrei und Herumfuchteln mit allen möglichen Accessoires in den Nationalfarben frönen. Die Zunahme nationaler Agitation auf den Straßen und vor dem Fernseher steht in direktem Zusammenhang mit dem Ende der Erinnerung an die Shoah.

Das Ende der Erinnerung an den Holocaust in Amerika?

Abschließend noch einige Worte zur aktuellen Diskussion über die Erinnerung an den Holocaust aus amerikanischer Perspektive. Der Forscher in Jüdischen Studien Alvin Rosenfeld aus Indiana hat 2011 das Buch „The End of the Holocaust“ publiziert, das 2015 auch in deutscher Sprache erschien. Rosenfeld befürchtet eine zunehmende Trivialsierung des Holocaust, was auch mit dem Begriff „Amerikanisierung des Holocaust“ Eingang in die Forschung gefunden hat. Dazu gehört auch die Debatte über die Einzigartigkeit der Shoah beziehungsweise die „uniqueness of the Holocaust“ wie sie etwa von dem Historiker und Forscher in Jüdischen Studien Steven T. Katz von der Universität Boston geführt wurde.[94] Der französische Publizist Bernard-Henri Levy hat eine der prägnantesten Analyse der Einzigartigkeit der Shoah publiziert und die völlige Sinnlosigkeit  des Holocaust betont. Selbst die Massenmorde an den Armeniern, in Kambodscha oder in Ruanda hatten nicht diesen eliminatorischen, die gesamte Gesellschaft auf dieses Ziel der Vernichtung aller Judenhin ausrichtenden Drang, dieses Aufspüren noch des letzten Juden in fast ganz Europa durch die Deutschen.[95]

Alvin Rosenfeld analysiert durchaus spezifisch amerikanische Formen der Erinnerung, die der Inklusion geschuldet sind, also dem für die politische Kultur der Vereinigten Staaten typischen Prinzip der Abwehr des Partikularismus. Besonderheiten dürfen selbstverständlich grenzenlos privat ausgelebt werden, aber im öffentlichen Raum sieht das anders aus, hier am Beispiel der Holocausterinnerung. Das geht los mit der Definition, wer Opfer des Holocaust war. Das ist eine Diskussion, die in Europa schwer verständlich ist, da der Holocaust die Vernichtung der europäischen Juden meint. Doch 1979 sprach der damalige US-Präsident Jimmy Carter am Holocaustgedenktag in USA in Anlehnung an Simon Wiesenthal von 11 Millionen Opfern im Holocaust.[96] Damit meinte er offenbar sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma, Homosexuelle, politische Gegner der Nazis und andere, die jedoch alle keineswegs Opfer des Holocaust wurden. Rosenfeld analysiert weiter: zur Amerikanisierung des Holocaust gehört auch, wiederum typisch amerikanisch, die Betonung des „Guten“, des „Optimismus“, von „Freiheit, Diversität und Gleichheit“.[97] Zentral seien Tendenzen der „Individualisierung, Heroisierung, Moralisierung, Idealisierung und Universalisierung“. Insofern sei es kein Zufall, dass ein Film wie „Schindlers Liste“ von Spielberg Weltruhm erlangte. Dabei ist der Plot, so Rosenfeld, völlig untypisch für den Holocaust, da es nur extrem wenige Retter und extrem wenige Gerettete gab. Doch so kann ein guter Deutscher promotet werden und eine positive Message bleibt hängen. Ähnlich Abstoßendes passiere mit Anne Frank, die kaum als ermordetes jüdisches Mädchen, vielmehr als Ikone jugendlichen Überlebenswillens erinnert werde.

Ganz typisch für die „Amerikanisierung des Holocaust“ ist laut Rosenfeld eine Aussage einer ehemaligen Direktorin für Kommunikation beim US Holocaust Memorial in Washington, D. C., die ernsthaft sagte, das „ultimative Ziel des Museums“ sei es zu zeigen, „was Menschen Menschen antaten und nicht was Deutsche Juden antaten“.[98]

Schluss

Ich habe zu zeigen versucht, dass es in der Bundesrepublik eine Tendenz zur Selbstversöhnungsrhetorik gibt, die der Literaturwissenschaftler Klaus Briegleb schon Ende der 1980er-Jahre diagnostizierte, als er schrieb: „Jede vaterländische Neuordnung im Vergangenheitsdiskurs, die ‚unsere Opfer‘ in die Zwielichtigkeit der Kriegserinnerungen stellt, um die (Selbst-)Versöhnungs-Rhetorik, auch die kritische, an ihnen entzünden zu können, ist strukturell antisemitisch.“[99] Vor wenigen Jahren legte er mit einer Studie über die Schriftsteller Gruppe 47 ein weiteres, sehr fein gearbeitetes Buch vor, das noch die feinsten Verästelungen des deutschen nationalen Apriori findet, decodiert und kritisiert.[100]

Dramatisch sieht es nicht nur in der Bevölkerung aus, wo ganz offene antisemitische Ressentiments auf Dinner-Partys der politischen und kulturellen Elite in den Nobelvierteln der Großstädte zu hören sind und von Schlägern auf den Straßen umgesetzt werden. Doch wie gezeigt sind es auch internationale Tendenzen, die einer emphatischen Erinnerung immer stärker im Wege stehen. Gerade die Forschung ist ein großes Problem, viele Forscherinnen und Forscher im Bereich Holocaustforschung, Postkolonialismus und Geschichte, lehnen entweder die Einzigartigkeit des Holocaust ab oder/und frönen antizionistischen Ressentiments. Die Ablehnung der Einzigartigkeit der Shoah, die Abwehr der substantiellen Kritik des deutschen Antisemitismus vor 1933 und nach 1945 sowie während des Nationalsozialismus sowie die Attacken auf Israel durch weite Teile gerade auch der Jüdischen Studien und der Antisemitismusforschung tun ihr übriges, nicht nur in Deutschland.

Was bleibt? Seit dem „Sommermärchen“ von 2006 sind die ganz normalen Deutschen so frech und stolzdeutsch wie noch nie seit 1945, Pegida ist nur der vulgärste und massenhafteste Ausdruck dafür. Die Deutschen haben die europäischen Juden vernichtet. Das deutsche Judentum wurde zum Großteil ausgelöscht. Es gibt dennoch wieder jüdisches Leben in Deutschland. Aber das ist nicht ansatzweise zu vergleichen mit dem, was jüdisches Leben vor der Shoah in Europa bedeutete. Sechs Millionen Juden wurden aus keinem anderem Grund, als dem, Jude zu sein, von den Deutschen (und ihren europäischen Helfern) ermordet. Der Zivilisationsbruch Auschwitz[101]  ist das unsagbarste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Schließen möchte ich mit einem Zitat von Vladimir Jankélévitch aus seinem Text „Verzeihen?“ aus dem Jahr 1971:

Ja, die Erinnerung an das, was geschehen ist, ist in uns unauslöschlich, unauslöschlich wie die Tätowierung, welche die aus den Lagern Davongekommenen noch auf dem Arm tragen. In jedem Frühling blühen die Bäume in Auschwitz, wie überall; denn das Gras ist nicht angewidert davon, in diesen verfluchten Gefilden zu wachsen; der Frühling unterscheidet nicht zwischen unseren Gärten und diesen Orten unaussprechlichen Elends. Heute, wo die Sophisten uns das Vergessen empfehlen, werden wir nachdrücklich unser stummes und ohnmächtiges Entsetzen vor den Hunden des Hasses zum Ausdruck bringen; wir werden nachdrücklich die Agonie der Deportierten ohne Bestattung und an die kleinen Kinder denken, die nicht zurückgekehrt sind. Denn diese Agonie wird dauern bis ans Ende aller Tage.[102]

 Anmerkungen:

[1] Dana Giesecke/Harald Welzer (2012): Das Menschenmögliche. Zur Renovierung der deutschen Erinnerungskultur, Hamburg: edition Körber-Stiftung, S. 20.

[2] Brigitta Huhnke (2012): 8. Mai 2012: Entrümpelung der Erinnerung im „Science Center“.

[3] Klaus Ahlheim (2014): Ver-störende Vergangenheit. Wider die Renovierung der Erinnerungskultur. Ein Essay, Hannover: Offizin, S. 60.

[4] Gert Gröning/Joachim Wolschke-Bulmahn (1983): Naturschutz und Ökologie im Nationalsozialismus, Die Alte Stadt, 10. Jg., Nr. 1, S. 1–17; dies. (1995)2: Liebe zur Landschaft. Teil 1: Natur in Bewegung. Zur Bedeutung natur- und freiraumorientierter Bewegungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Entwicklung der Freiraumplanung, Münster: Lit Verlag (zuerst 1986); dies. (1987): Die Liebe zur Landschaft. Teil III: Der Drang nach Osten. Zur Entwicklung der Landespflege im Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkrieges in den »eingegliederten Ostgebieten«, München: Minerva Publikation; dies. (Hg.) (2006): Naturschutz und Demokratie !?, München: Martin Meidenbauer; Joachim Wolschke-Bulmahn (1990): Auf der Suche nach Arkadien. Zu Landschaftsidealen und Formen der Naturaneignung in der Jugendbewegung und ihrer Bedeutung für die Landespflege, München: minerva publikationen; ders. (2001): Findlinge, Landschaftsgestaltung und die völkische Suche nach nationaler Identität im frühen 20. Jahrhundert, in: Gert Gröning/Uwe Schneider (Hg.), Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur, Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft, S. 76–93; ders. (2006a): Naturschutz und Nationalsozialismus – Darstellungen im Spannungsfeld von Verdrängung, Verharmlosung und Interpretation, in: Gröning/Wolschke-Bulmahn (Hg.), S. 91–113. Siehe auch Clemens Heni (2014): Naturschutz, Antisemitismus und Nationalsozialismus. Dem Historiker einer kritischen „Naturschutzgeschichte“ und „Freiraumplanung“ Gert Gröning zum 70. Geburtstag, in: Jüdische Rundschau, 1. Jg., No. 6, S. 32–33.

[5] Gert Gröning (2006): Siegfried Lichtenstaedter: ‚Naturschutz und Judentum. Ein vernachlässigtes Kapitel jüdischer Sittenlehre‘ – Ein Kommentar, in: Gröning/Wolschke-Bulmahn (Hg.), Naturschutz und Demokratie !?, München: Martin Meidenbauer, S. 137–150.

[6] Walther Schoenichen (1933): Denkmal- und Naturdenkmalfragen unserer Tage, in: Flugschriften der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen, Nr. 1, Sonderdruck aus der Zeitschrift Naturschutz, 15. Jg., Nr. 3; ders. (1933a): ‘Das deutsche Volk muss gereinigt werden.’ – Und die deutsche Landschaft?, Naturschutz, 14. Jg., Nr. 11, S. 205–209; ders. (1934): Alte Friedhöfe – neuzeitliches Denken, Sonderdruck aus der Zeitschrift Naturschutz, 15. Jg., Nr. 2; ders. (1934a): Naturschutz im Dritten Reich. Einführung in Wesen und Grundlagen zeitgemäßer Naturschutz-Arbeit, Berlin-Lichterfelde: Hugo Bermühler Verlag; ders. (1934b): “Der Naturschutz – ein Menetekel für die Zivilisation!,” Naturschutz, Vol. 15, No. 1, 1–3; ders. (1939): Biologie der Landschaft, Neudamm/Berlin: Verlag J. Neumann.

[7] Frank Uekötter (2005): Polycentrism in Full Swing. Air Pollution Control in Nazi Germany, in: Franz-Josef Brüggemeier/Mark Cioc /Thomas Zeller (Hg.) (2005): How Green were the Nazis? Nature, Environment, and Nation in the Third Reich, Athens: Ohio University Press, S. 101–128; ders. (2006): Der Alltag des Naturschutzes. Anmerkungen zu gegenwärtigen Entwicklungen in der Historiographie der Umweltbewegungen, Sozial.Geschichte, http://www.stiftung-sozialgeschichte.de/joomla/index.php/de/component/content/article/95-zeitschrift-archiv/sozial-geschichte-extra/beitraege/163-der-alltag-des-naturschutzes (eingesehen am 18.04.2015); ders. (2006a): The Green and the Brown. A history of conservation in Nazi Germany, New York: Cambridge University Press; ders. (2007): Green Nazis? Reassessing the Environmental History of Nazi Germany, German Studies Review, 30/2, S. 267–287; Joachim Radkau (2003): Naturschutz und Nationalsozialismus – wo ist das Problem?, in: Radkau/Uekötter (Hg.), S. 41–54; Joachim Radkau/Frank Uekötter (Hg.) (2003): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt/New York: Campus.

[8] „Cyber-Attacke: Hacker legen israelische Regierungswebsites lahm“, 7. Februar 2015.

[9] Jan Süselbeck (2015): Auschwitz als Teil deutscher Identität. Kritische Beobachtungen zum Stand der Erinnerungspolitik im Land der Täter, 5. Februar 2015.

[10] Daniel Levy/Natan Sznaider (2007): Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 227.

[11] Levy/Sznaider 2007, S. 237.

[12] Joachim Gauck (1998): “Das Ritual der Antifaschisten. Erfahrungen im Umgang mit den Gegnern des Schwarzbuchs des Kommunismus,” in: Horst Möller (ed.), Der Rote Holocaust und die Deutschen. Die Debatte um das „Schwarzbuch des Kommunismus“, Munich/Zürich: Piper, S. 227–231.

[13] Edward Said (1978): Orientalism, New York: Vintage Books.

[14] Zu Said und anderen Ideologen der Analogie von Holocaust und „Nakba“ vgl. Clemens Heni (2011): Schadenfreude. Islamforschung und Antisemitismus in Deutschland nach 9/11, Berlin: Edition Critic, S. 94–107 und 126–128.

[15] Edward Said (1969): The Palestinian Experience, in: Moustafa Bayoumi/Andrew Rubin (Hg.) (2001): The Edward Said Reader, London: Granta Books; S. 14–37; ders. (1979): Zionism from the Standpoint of its Victims, in: Bayoumi/Rubin (Hg.), S. 114–168; ders. (1998): Der dritte Weg führt weiter. An die arabischen Unterstützer von Roger Garaudy, 14. August 1998 (eingesehen am 18. April 2015); ders. (1999): An Interview with Edward Said, in: Bayoumi/Rubin (Hg.), S. 419–444; ders. (2006): Preface, in: Hamid Dabashi (Hg.) (2006): Dreams of a Nation, London/New York: Verso, S. 1–5; ders. (2010): The Pen and the Sword. Conversations with Edward Said by David Barsamian. Introductions by Eqbal Ahmad and Nubar Hovsepian, Chicago: Haymarket Books.

[16] Edward Said (1999): Bases for Coexistence(eingesehen am 17.04.2015).

[17] Einat Wilf (2013): Zionism Denial: Misusing the Holocaust to Erase Israel’s History, 3. März 2013 (eingesehen am 23.01.2014). Das ist ein Vortrag von Wilf auf der Jahreskonferenz des American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) im Mai 2013.

[18] Daniel Pipes (2012): Löwengrube. Eine westliche Sicht auf den Islam und den Nahen Osten, Berlin: Edition Critic, 54–55.

[19] Hans-Dieter Schmid (Hg.) (2008): Ahlem. Die Geschichte einer jüdischen Gartenbauschule und ihres Einflusses auf Gartenbau und Landschaftsarchitektur in Deutschland und Israel, Bremen: Edition Temmen.

[20] Ruth Enis (1998): The Impact of the »Israelitische Gartenbauschule Ahlem« on Landscape Architecture in Israel, in: Die Gartenkunst, 10. Jahrgang, Heft 2/1998, S. 311–330.

[21] Jehuda Reinharz (Hg.) (1981): Dokumente zur Geschichte des deutschen Zionismus 1882–1933, Tübingen: Mohr.

[22] »Holocaust scholar warns of new ’soft-core‘ denial«, Jerusalem Post, 6. Februar 2007 (eingesehen am 17.04.2015).

[23] Efraim Zuroff (2013)2: Operation Last Chance. Im Fadenkreuz des »Nazi-Jägers«, Münster/Berlin: Prospero.

[24] Theodor W. Adorno (1962): Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, in: ders.: Gesammelte Schriften, Band 20.1, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 360–383, hier S. 362. Vgl. auch Horst Peter Gerlich (2001): Sekundärer Antisemitismus in Deutschland nach 1989. »Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“, Diplomarbeit Technische Universität Berlin. (eingesehen am 19.04.2015) , hier S. 45f. Lars Rensmann (2004): Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden: VS Verlag. Siehe auch Jan Süselbeck (2014): Was ist sekundärer Antisemitismus? Ein Florilegium mit Hinweisen auf weiterführende Analysen von Claudia Globisch und Samuel Salzborn (eingesehen am 19.04.2015); Clemens Heni (2008): Sekundärer Antisemitismus. Ein kaum erforschter Teil des „Post-Holocaust“ Antisemitismus, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 47. Jg., Heft 3/2008, S. 132–142 (eingesehen am 19.04.2015).

[25] Martin Heidegger (1949): Einblick in Das Was Ist. Bremer Vorträge 1949, ders. (1949a): Bremer und Freiburger Vorträge, Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, Gesamtausgabe Band 79, S. 3–77, hier S. 27.

[26] Vgl. dazu auch das Unterkapitel „Denken gegen die Menschen und für das Sein – Heideggers Brief über den Humanismus“ im Kapitel „Neudeutscher Antihumanismus, Antiliberalismus und Antisemitismus vor, während und nach dem Nationalsozialismus: Wenig bekannte Quellen des katholischen Bundes Neudeutschland“, in: Clemens Heni (2009): Antisemitismus und Deutschland. Vorstudien zur Ideologiekritik einer innigen Beziehung, Morrisville: Lulu (zweite Auflage Berlin 2015, geplant), S. 152– 160.

[27] Martin Heidegger (1946)/1967: Brief über den Humanismus, in: ders. (1967): Wegmarken, Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann, S. 145–194, hier S. 170.

[28] Hassan Givsan (1998): Eine bestürzende Geschichte: Warum Philosophen sich durch den „Fall Heidegger“ korrumpieren lassen, Würzburg: Königshausen & Neumann, 83. Diese dünne Buch (133 Seiten) ist eine etwas längere „Anmerkung“ zu Givsans Habilitationsschrift aus demselben Jahr, ebd., 9.

[29] Giorgio Agamben (1995)/2002: Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 175 (Kapitelüberschrift). Dieser Band erschien in der Reihe „Erbschaft unserer Zeit“. Vorträge über den Wissensstand der Epoche, Band 16. Im Auftrag des Einstein Forums herausgegeben von Gary Smith und Rüdiger Zill.

[30] Agamben 2002, 183.

[31] Emmanuel Faye (2005)/2009: Heidegger. Die Einführung des Nationalsozialismus in die Philosophie. Im Umkreis der unveröffentlichten Seminare zwischen 1933 und 1935, Berlin: Matthes & Seitz, 407.

[32] Martin Heidegger (1949a): Die Gefahr, in: Ders. (1949): Bremer und Freiburger Vorträge, Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, Gesamtausgabe Band 79, 46–67, 56.

[33] Faye 2009, 408.

[34] Faye verweist auf eine Studie von Victor Farias, „Heidegger y su Herencia“, Faye 2009, S. 523, Anm. 63.

[35] „The USA Patriot Act issued by the U.S. Senate on October 26, 2001, already allowed the attorney general to ‚take into custody‘ any alien suspected of activities that endangered ‚the national security of the United States,‘ but within seven days the alien had to be either released or charged with the violation of immigration laws or some other criminal offense. What is new about President Bush’s order is that it radically erases any legal status of the individual, thus producing a legally unnamable and unclassifiable being. Not only do the Taliban captured in Afghanistan not enjoy the status of POW’s as defined by the Geneva Convention, they do not even have the status of persons charged with a crime according to American laws. […]The only thing to which it could possibly be compared is the legal situation of the Jews in the Nazi Lager [camps], who, along with their citizenship, had lost every legal identity, but at least retained their identity as Jews“, Giorgio Agamben (2005): State of Exception, Chicago/London: The University of Chicago Press, 3–4. Das sehen Anhänger von Agamben genauso wie ihr Vordenker, Andrew Norris (2005): Introduction: Giorgio Agamben and the Politics of the Living Dead, in: Andrew Norris (Hg.), Politics, Metaphysics, and Death. Essays on Giorgio Agamben’s Homo Sacer, Durham/London: Duke University Press, S. 1–30, hier S. 19; Alex Murray (2010): Giorgio Agamben, London/
New York: Routledge, S. 2.

[36] Niklas Luhmann (1987): Archimedes und wir. Interviews. Herausgegeben von Dirk Baecker und Georg Stanitzek, Berlin: Merve Verlag, S. 129. Das Zitat ist aus einem Gespräch Luhmanns mit Rainer Erd und Andrea Maihofer, das am 27. April 1985 in der Frankfurter Rundschau publiziert wurde.

[37] Martin Walser (1979): Händedruck mit Gespenstern, in: Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 1. Band: Nation und Republik, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 39–50, hier S. 48.

[38] Walser 1979, S. 46.

[39] Walser 1979, S. 47.

[40] Hermann Peter Piwitt (1978): Einen Kranz niederlegen am Hermannsdenkmal, in: Hans Christoph Buch (Hg.), Tintenfisch 15. Thema: Deutschland. Das Kind mit den zwei Köpfen, Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, S. 17–24, hier S. 17.

[41] Piwitt 1978, S. 18.

[42] Vgl. dazu Clemens Heni (2006): Ahasver, Moloch und Mammon. Der ›ewige Jude‹ und die deutsche Spezifik in antisemitischen Bildern seit dem 19. Jahrhundert, in: Andrea Hoffmann et al. (Hg.), Die kulturelle Seite des Antisemitismus zwischen Aufklärung und Shoah, Tübingen: TVV, S. 51–79.

[43] Vgl. zur Kritik beispielsweise ein Flugblatt einer Gruppe „GewerkschafterInnen und Antifa gemeinsam gegen Dummheit und Reaktion“ von 2012 (eingesehen am 18.04.2015).

[44] Hans-Ulrich Wehler (1988): Entsorgung der deutschen Vergangenheit. Ein polemischer Essay zum „Historikerstreit“, München: Beck.

[45] Ernst Nolte (1986): (1986): „Die Vergangenheit, die nicht vergehen will. Eine Rede, die geschrieben, aber nicht gehalten werden konnte“, 6. Juni 1986, Frankfurter Allgemeine Zeitung.

[46] Henryk M. Broder (1986): Der Ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls, Frankfurt a. M.: Fischer, S. 7.

[47] Thilo Sarrazin (2010): Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen, München: Deutsche Verlags-Anstalt, S. 13; Clemens Heni (2010): Vorbeigeredet. Sarrazin, Gutmenschen und die Stolzdeutschen, n: Tribüne. Zeitschrift für das Verständnis des Judentums, 49. Jg., Heft 196, 4. Quartal 2010, S. 19-22.

[48] Stéphane Courtois (Hg.) (1997)/1998: Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror. Mit dem Kapitel „Die Aufarbeitung des Sozialismus in der DDR“ von Joachim Gauck und Ehrhardt Neubert, München/Zürich: Piper. Die Originalausgabe erschien 1997 in Paris bei der Editions Robert Laffont; Joachim Gauck (1998): Vom schwierigen Umgang mit der Wahrnehmung, in: Courtois (Hg.), 885–894.

[49] Vera Lengsfeld (2010): Warum Deutschland einen Bundespräsidenten Gauck braucht, 16. Juni 2010 (eingesehen am 28. Februar 2012).

[50] Vera Lengsfeld (2012): Gauck!!! Ein Sieg der Bürger über die Politikkungelei!, 19. Februar 2012 (eingesehen am 28. Februar 2012).

[51] Maybrit Illner, 23.02.2012, 22.25 Uhr(eingesehen am 28.02.2012).

[52] Clemens Heni (2010): „Geistige Gesundung“. Joachim Gauck und die neueste deutsche Ideologie, 17. Juni 2010 (eingesehen am 4. März 2012).

[53] Clemens Heni (2012): Ein politisch-kultureller Super Gau(ck) – Antisemitismus erhält Einzug ins Schloss Bellevue, 20. Februar 2012 (eingesehen am 4. März 2012).

[54] Joachim Gauck (2006): Welche Erinnerungen braucht Europa?, (eingesehen am 27.02.2012).

[55] Gauck 2006, 14f.

[56] Clemens Heni (2010): Ein Nazi und sein Schüler: Karl Bosl und Wolfgang Benz, 15. Januar 2010, (eingesehen am 17.04.2015); ders. (2010a): Erlangen 1944/2010 – die „Aktion Ritterbusch“, Bosl und Benz, 27. März 2010, (eingesehen am 17.04.2015); Micha Brumlik (2010): Loyalität und Reflexion. Wolfgang Benz und die Causa Karl Bosl, taz, 06.04.2010 (eingesehen am 17.04.2015).

[57] Wolfgang Benz (2012): „Man darf konservativ sein“, taz, 3./4. März 2012.

[58] Thorsten Hinz (2007): Sakralisierung des Holocaust. „Brief an einen jüdischen Freund“: Sergio Romanos Werk trifft auch in Deutschland einen zentralen Nerv, Junge Freiheit, 26. Oktober 2007.

[59] Clemens Heni (2008): 1968 = 1933? Götz Alys Totalitarismusfiktion, Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 4/2008, 47–58.

[60] Götz Aly (2008): Vorabdruck aus „Unser Kampf“, Frankfurter Rundschau, 30. Januar 2008; Götz Aly (2008): Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück, Frankfurt a. M.: S. Fischer

[61] Brendan Simms (2014): Against a ‘world of enemies’: the impact of the First World War on the development of Hitler’s ideology, International Affairs, 90: 2 (2014), S. 317–336.

[62] Jakob Zollmann (2007): Polemics and other arguments – a German debate reviewed, Journal of Namibian Studies, [Jg. 1], No. 1, S. 109–130; ders. (2010): Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht; ders. (2013): From Windhuk to Auschwitz – old wine in new bottles? Review article, Journal of Namibian Studies, 14 (2013), S. 77–121.

[63] Ben Kiernan (2007): Blood and Soil. A World History of Genocide and Extermination from Sparta to Darfur, New Haven & London: Yale University Press. Er spricht auch von einem „China’s holocaust“, ebd., S. 537.

[64] Dovid Katz (2012): An Open Letter to Yale History Professor Timothy Snyder, 21. Mai 2012 (eingesehen am 17.04.2015).

[65] Efraim Zuroff (2010): A dangerous Nazi-Soviet equivalence. Timothy Snyder’s emphasis on the Hitler-Stalin pact as the genesis of war blurs the moral responsibility that was Germany’s, 29. September 2010 (eingesehen am 17.04.2015). Am 17. April sprach Zuroff per Video zu einer Konferenz in Vilnius und fasst die Hauptunterschiede einer Holocausterinnerung in West- bzw. Osteuropa zusammen (eingesehen am 18.04.2015).

[66] Dan Michman (2012): Bloodlands and the Holocaust: Some Reflections on Terminology, Conceptualization and their Consequences, unpubliziertes Manuskript [zur Veröffentlichung im Journal of Modern European History, 2012]; vielen Dank an Dan Michman von Yad Vashem, der mir seinerzeit seinen Artikel vor seiner Publikation zusandte.

[67] Jürgen Zarusky (2012): Timothy Snyders „Bloodlands“. Kritische Anmerkungen zur Konstruktion einer Geschichtslandschaft,” Vierteljahreshefte für Zeit­geschichte,  60. Jg., Nr. 1, S. 1–31.

[68] Alvin H. Rosenfeld (2011): The End of the Holocaust, Bloomington & Indianapolis: Indiana University Press, S. 266 bzw. S. 297, Fußnote 51.

[69] Marc Schwietring (2014): Holocaust-Industrie und Vergangenheitspolitik. Norman G. Finkelstein und die Normalisierung des sekundären Antisemitismus in Deutschland, Frankfurt a. M u.a.: Peter Lang.

[70] http://www.peta.org/Living/at-spring2002/treblinka/ (eingesehen am 9. März 2008); Charles Patterson (2002): Eternal Treblinka: our treatment of animals and the Holocaust, New York: Lantern Book.

[71] http://www.babykaust.de/(eingesehen am 17.04.2015).

[72] Georg Fuchs (1985)2: Von der Atombombe zum nuklearen Holocaust, Wien: Gazettaverlag; Anton-Andreas Guha (1981): Die Nachrüstung – Der Holocaust Europas. Thesen und Argumente, Freiburg: Dreisam-Verlag; N. Ranganathan (1984): Nuclear Holocaust or World Peace, New Delhi/Banga­lore/Jalandhar: Sterling Publishers; Ronald J. Sider/Richard K. Taylor (1982): Nuclear Holocaust & Christian Hope. A Book for Christian Peacemakers, Downers Grove: InterVarsity Press.

[73] Jörg Friedrich (2003): Brandstätten. Der Anblick des Bombenkrieges, Munich: Propyläen; der. (2004): “Interview,” Westdeutschen Rundfunk, November 1, 2004, ders. (2006): „The Fire“, New York: Columbia University Press.

[74] Henning Fischer (2013): Im Kielwasser. Der Mythos Dresden und der Wandel der deutschen Nationalgeschichte, in: AUTOR_INNENKOLLEKTIV »Dissonanz«, Gedenken abschaffen. Kritik am Diskurs zur Bombardierung Dresdens 1945, Berlin: Verbrecher Verlag, S. 35–50.

[75] Antonia Schmid (2013): One Nation on the Screen. »Dresden«, filmisches Erinnern und deutsch-deutsche Geschichtspolitik, in: AUTOR_INNENKOLLEKTIV »Dissonanz«, Gedenken abschaffen. Kritik am Diskurs zur Bombardierung Dresdens 1945, Berlin: Verbrecher Verlag, S. 77–95.

[76] Hannes Heer (2008): „Hitler war’s“. Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit, Berlin: Aufbau, S. 15.

[77] Zu grundsätzlichen Überlegungen über heutige Formen der „Shoah-Repräsentationen“ vgl. Jan Süselbeck (2013): Im Angesicht der Grausamkeit. Emotionale Effekte literarischer und audiovisueller Kriegsdarstellungen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, Göttingen: Wallstein, S. 404–467.

[78] Daniel Jonah Goldhagen (1996): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin: Siedler, S. 19.

[79] Goldhagen 1996, S. 19.

[80] Die völlig Verkennung, ja Verleugnung des Antisemitismus bei der Analyse der Shoah ist bei Reinhard Opitz offenbar, siehe Clemens Heni (2007): Salonfähigkeit der Neuen Rechten. ‚Nationale Identität‘, Antisemitismus und Antiamerikanismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970–2005: Henning Eichberg als Exempel, Marburg: Tectum, S. 98–100.

[81] Matthias Küntzel, Klaus Thörner u.a. (1997): Goldhagen und die deutsche Linke oder Die Gegenwart des Holocaust, Berlin: Elefanten Press.

[82] Joachim Bruhn (2005): „Aus der Kahlfraßzone“, Konkret 5/2005, S. 28–29, hier S. 28.

[83] Peter Kessen (2005): White Trash im NS. Götz Aly, die Flicks, die Elite und die Auftragsforschung, 30. März 2005 (eingesehen am 17.04.2015).

[84] Matthias Matussek (2006): Wir Deutschen. Warum uns die anderen gern haben können, Frankfurt a.M.: Fischer, S. 221.

[85] Matussek 2006, S. 212–213.

[86] Chup Friemert (1996): Radiowelten. Zur Ästhetik der drahtlosen Telegrafie, Stuttgart: Cantz Verlag, S. 78.

[87] Matussek 2006, S. 154–155.

[88] Matussek 2006, S. 105–109.

[89] Cornelius Janzen (2012): Schwarz-Rot-Gold. Fußball und Patriotismus, 3sat Kulturzeit, 26.06.2012 (eingesehen am 17. April 2015).

[90] http://www.dagmar-schediwy.de/ (eingesehen am 19.04.2015).

[91] Janzen 2012.

[92] Egon Bahr (2003): Der deutsche deutsche Weg. Selbstverständlich und normal, München (Karl Blessing Verlag); Werner Abelshauser (2003): Kulturkampf. Der deutsche Weg in die Neue Wirtschaft und die amerikanische Herausforderung, Berlin (Kulturverlag Kadmos; Kulturwissenschaftliche Interventionen Bd. 4, herausgegeben vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen); Carl Gustaf Ströhm (2002): Deutscher Weg. Plötzlich verkehrte Fronten, in: Junge Freiheit, Nr. 41, 04. Oktober 2002; Eckhard Fuhr (2005): Wo wir uns finden. Die Berliner Republik als Vaterland, Berlin (Berlin Verlag). „Übrigens ist die SPD auch heute noch die einzige demokratische Partei, bei der das ‚D‘ für Deutschland steht“ (ebd.: 149).

[93] Martin Walser (1998): Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede, in: Frankfurter Rundschau, Nr. 236, 12. Oktober 1998.

[94] Steven T. Katz (1983): „The ‚Unique‘ Intentionality of the Holocaust“, in: Steven T. Katz (1983a), Post-Holocaust Dialogues. Critical Studies in Modern Jewish Thought, New York/London: New York University Press, S. 287–317; ders. (1992): Auschwitz and the Gulag. Discontinuities and Dissimilarities, in: Steven T. Katz (1992a), Historicism, the Holocaust, and Zionism. Critical Studies in Modern Jewish Thought and History, New York/London: New York University Press, S. 138–161; ders. (1993): The Holocaust and Comparative History. The Leo Baeck Memorial Lecture, New York: Leo Baeck Institute; ders. (1994): The Holocaust in Historical Context. Volume 1. The Holocaust and Mass Death before the Modern Age, New York/Oxford: Oxford University Press; ders. (2010): The Murder of Jewish Children during the Holocaust, in: Steven T. Katz/Steven Bayme (Hg.), Continuity and Change. A Festschrift in Honor of Irvin Greenberg’s 75th Birthday, Lanham: University Press of America, S. 167–188. Ganz typisch für die jüngere Forschung und aggressive Abwehr der Einzigartigkeit des Holocaust: Donald Bloxham (2009): The Final Solution. A Genocide, New York: Oxford University Press; Donald Bloxham/Tony Kushner (2005): The Holocaust. Critical historical approaches, Manchester/New York: Manchester University Press. Kritik an Bloxham formulilert der Holocaustforscher Omer Bartov (2011): Locating the Holocaust, Journal of Genocide Research, 13. Jg., Nr. 1–2, S. 121–129. Zur Übersicht über die internationale Forschungsdiskussion über die Einzigartigkeit des Holocaust siehe Clemens Heni (2013): Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization – Islamism – Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism, Berlin: Edition Critic, 231–283.

[95] Bernard-Henri Lévy (2008): Left in Dark Times. A Stand against the New Barbarism. Translated by Benjamin Moser, New York: Random House, S. 159: „And you could take the time, with those who wonder, sometimes in good faith, about the uniqueness of the Holocaust, you could take the time to explain that this uniqueness has nothing to do with body count but with a whole range of characteristics that, strange as it may seem, coincide nowhere else in all the crimes human memory recalls. The industrialization of death is one such: the gas chamber. The irrationality, the absolute madness of the project, is the second: the Turks had the feeling, well founded or not, and mostly, of course, unfounded, that they were killing, in the Armenians, a fifth column that was weakening them in their war against the Russians – there was no point in killing the Jews; none of the Nazis took the trouble to claim that there was any point to it at all; and such was the irrationality, I almost said gratuitousness, of the process that when, by chance, the need to exterminate coincided with another imperative that actually did have a point, when, in the last months of the war, when all the railways had been bombed by the Allies, the Nazis could choose between letting through a train full of fresh troops for the eastern front or a trainload of Jews bound to be transformed into Polish smoke in Auschwitz, it was the second train that had priority, since nothing was more absurd or more urgent, crazier or more vital, than killing the greatest number of Jews. And the third characteristic that, finally, makes the Holocaust unique: the project of killing the Jews down to the last one, to wipe out any trace of them on this earth where they had made the mistake of being born, to proceed to an extermination that left no survivors. A Cambodian could, theoretically at least, flee Cambodia; a Tutsi could flee Rwanda, and outside Rwanda, at least ideally, would be out of range of the machetes; the Armenians who managed to escape the forces of the Young Turk government were only rarely chased all the way to Paris, Budapest, Rome, or Warsaw”.

[96] Rosenfeld 2011, S. 58.

[97] Rosenfeld 2011, S. 60.

[98] Rosenfeld 2011, S. 68.

[99] Klaus Briegleb (1989): Unmittelbar zur Epoche des NS-Faschismus. Arbeiten zur politischen Philologie 1978–1988, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 55.

[100] Klaus Briegleb (2003): Mißachtung und Tabu. Eine Streitschrift zur Frage: „Wie antisemitisch war die Gruppe 47?“, Berlin/Wien: Philo.

[101] Dan Diner (Hg.) (1988): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt a.M.: Fischer.

[102] Vladimir Jankélévitch (2004): Das Verzeihen. Essays zur Moral und Kulturphilosophie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 282.