Pasteten und Poesie

„Mit Robert Burns durch die schottische Küche“ lautet der Untertitel eines liebevollen lukullischen Führers

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer an die Küche Schottlands denkt, dem kommen sicherlich zuerst Haggis und Räucherlachs in den Sinn. Schottland war in der Tat „schon immer“ ein Land des Fischfangs und der herzhaften Fleischspezialitäten, schreiben Dieter Berdel, Simon Dabosenig, Jasmin Haier und Karl Menrad, die Autoren von Haggis, Whisky & Co. – einem Buch mit etlichen schottischen Rezepten und Menüvorschlägen. Wildenten- und Kalbspastete, Hirschsteak mit Portweinsauce und glänzende Forellen sind nur einige der darin genau beschriebenen kulinarischen Highlights. Sogleich anzumerken ist, dass die Zubereitung der Gerichte und vor allem des Fleisches für viele Leserinnen und Leser eine Herausforderung sein wird, wenn das Buch die Arbeit an den heimischen Kochtöpfen anleiten soll. Es wird einige Übung vorausgesetzt. Besonders schwer wird möglicherweise der Umgang mit Innereien: Leber, Lunge, Herz und Talg. Denn es wird auch der mit Innereien gefüllte Schafsmagen Haggis zubereitet, dessen Rezept nicht ohne Grund mit dem Hinweis versehen ist: „Das folgende Rezept ist nichts für Zartbesaitete!“

Wem es zu blutig wird, der findet frohe Volkslieder, Sprüche und Märchen in dem Buch. Gemäß dem Untertitel Mit Robert Burns durch die schottische Küche wechseln sich Rezepte und Erzählungen ab. Robert Burns wurde 1759 geboren und starb viel zu früh 1796. Trotz seines kurzen Lebens hinterließ der schottische Dichter ein sehr umfassendes Œuvre. Er wird zum „Dreigestirn am literarischen Himmel Schottlands“ gezählt, das aus Walter Scott, Robert Louis Stevenson und Robert Burns zählt. Ihre patriotischen Verse und Tischsprüche werden in Schottland bis heute verehrt und im Buch zitiert.

Die Verehrung und Liebe der Autoren von Haggis, Whisky & Co. zu Schottland, seiner Küche und Gedichten, Sagen und Mythen ist im gesamten Buch spürbar. Ganz besonders, wenn zum Ende eines gemeinsamen Abends das Anstimmen von Auld Lang Syne empfohlen wird; spätestens mit dem berühmten „Ohrwurm“ wird es „feierlich“. Die Autoren sparen nicht mit Lob für die aufgezählten Werke. Außerdem werden Gedichte respektvoll in ihrer Originalversion und einer deutschen Übersetzung abgedruckt, sodass der Leser selbst entscheiden kann, ob er sich einmal daran versuchen möchte, Gedichte in Scots oder Lallands, dem ländlichen Dialekt der Lowlands, zu lesen. 

Viel Fleisch wird in Haggis, Whisky & Co. zu Pasteten, Haggis und Steaks verarbeitet. Gemüse wird in Schottland hingegen vor allem in Suppen und Eintöpfen verwendet. Die Autoren lassen die schottischen Dichter hierüber urteilen: Robert Burns schrieb recht emotionslos über Wassersuppe und Kohl. Der schottische Dichter Allan Ramsay widmete Kohl im 17. Jahrhundert ein ironisches Gedicht. Es klingt nach karger Kost. Doch auch Vegetarier finden interessante Gerichte in dem Buch – etwa Blumenkohl-Teigkörbchen und sogar vegetarischen Haggis. Darüber hinaus lassen die vegetarischen Nachtische Vorfreude auf Beeren, Schokolade und Gebackenes wachsen: Apfel-Brombeeren-Tarte, Schoko-Whisky-Creme und ein „Cream-Crowdie“ mit Heidekrauthonig seien nur als Beispiele genannt. Außerdem soll Orangenkonfitüre eine schottische Erfindung des frühen 18. Jahrhunderts sein, behaupten die Autoren.

Der „Speiseplan der verarmten schottischen Landbevölkerung“ bot keine dieser lukullischen Tafelfreuden. Selbst Haggis konnten sich „die ärmeren Schichten auch nur selten leisten“. Hafermehl galt als Voraussetzung für das tägliche Überleben. Mürber Hafermehlkuchen, Suppe aus Mehl, Porridge und Brot waren die täglichen Speisen. Auch die Zubereitung des Porridge wird ausführlich im Buch vorgestellt; er gilt ebenfalls als geeignet für ein spannendes Menü. Und am Ende zählt ohnehin nur das gemeinsame Mahl, die Gastfreundschaft. Die Autoren schreiben, dass es in Schottland trotz Armut als ehrlos galt, „seine Haustüre verschlossen zu halten“. Schotten seien „einfache Leute mit außerordentlich guten Manieren, ausgestattet mit Stolz“, schrieb Thomas Pennant im 18. Jahrhundert.

Ein torfiger Whisky verbessert jedes Menü. Dass zu den Gerichten neben schottischem Single Malt auch Whisky aus Österreich empfohlen wird, mag daran liegen, dass Jasmin Heider nicht nur eine der Autorinnen ist, sondern auch Destillateurin und für das Marketing im Familienunternehmen, das seit 1995 den ersten österreichischen Whisky herstellt, zuständig ist. Die Ausführungen zur Entstehung der modernen schottischen Whisky-Industrie in Haggis, Whisky & Co. werden kaum Neuigkeiten für Liebhaber des torfigen, zweimal destillierten Lebenswassers bieten können. Wer sich intensiver mit den Besonderheiten der Brennereien und den Geheimnissen des Whiskys befassen möchte, dem seien andere Bücher anempfohlen. Das umfangreiche Literaturverzeichnis des Buches gibt einige gute Tipps.

Und wem beim Gedanken an gefettete Soufflé-Formen mit Speck und Wirsing oder Entenbrust mit Whisky-Birnen nicht das Wasser im Munde zusammenläuft, der sollte die Finger vom Buch lassen. Wer sich jedoch auf eine Gedankenreise mit schottischer Poesie und Gaumenfreuden einlassen möchte oder wer gar eine Burns Night plant, der wird das Buch in sein Herz schließen. Es eignet sich hervorragend als Begleiter eines Kochabends mit Schottland-Freunden, während dem das Rezitieren von Robert Burns Versen aus Haggis, Whisky & Co. zweifellos gute Laune verbreiten wird. Wenn dann dem Whisky während des gemeinsamen Kochens reichlich zugesprochen wird, ermöglicht das Buch sogar das Anstimmen alter Straßengesänge von Fischweibern aus Edinburgh. Slàinte!

Titelbild

Dieter Berdel / Simon Drabosenig / Jasmin Haider / Karl Menrad: Haggis, Whisky & Co. Mit Robert Burns durch die schottische Küche.
Mandelbaum Verlag, Wien 2021.
216 Seiten , 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783854769828

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