Gabriele Wix macht mit „Die Schriften“ den Anfang für eine umfassende Entdeckung des Schriftstellers Max Ernst

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Max Ernst, weltberühmter Maler, Zeichner, Grafiker und Bildhauer, war ein gleichermaßen experimentierfreudiger wie unbestechlicher Poet, Romanschreiber, Essayist, Kunstkritiker, Autobiograf und Übersetzer. Das ist wenig bekannt: Die Einzelveröffentlichungen sind lange vergriffen, und einen Überblick über sein literarisches Werk in allen Genres und Schaffensperioden gab es bislang noch nicht. Den Anfang einer umfassenden Entdeckung des Schriftstellers Max Ernsts macht nun die deutschsprachige Ausgabe seiner Schriften – exakt 100 Jahre, nachdem der Künstler Deutschland endgültig verließ und mit dem Aufbruch nach Paris in den französischen Sprachraum emigrierte. Die Schriften umspannen einen Zeitraum von über sechzig Jahren, in denen sich der 1891 in Brühl geborene und 1976 in Paris verstorbene Max Ernst mit großer Leichtigkeit zwischen den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch bewegt. Er spielt mit Wort und Bild, doch bleibt in seinen intermedialen Publikationen die Autonomie von Sichtbarem und Sagbarem gewahrt. So wurden die Illustrationen als autonome Kunstwerke in Ausstellungen gezeigt und die Texte ohne Illustrationen veröffentlicht. Die auf das Wort konzentrierte Ausgabe rückt das Bild des Schriftstellers Max Ernst in den Fokus der Aufmerksamkeit. Sein „génie littéraire“ (Michel Butor) zeigt sich in seiner gewitzten Ironie und aufrührerischen Sprachlust ebenso wie in seiner zarten Poesie und unerbittlichen Strenge, wenn es um die Einforderung bürgerlicher und künstlerischer Freiheitsrechte geht.

Schreiben, das spürt man, da man nun seine Schriften in bislang ungekannter Vollständigkeit auf Deutsch lesen kann, bereitet ihm großes Vergnügen. Ein Vergnügen um so mehr, als er sich die Sphäre der Literatur erkämpft hat, indem er gängigen Gattungen und Genres nicht etwa auswich, sondern sich ihrer annahm, um ihre Regeln zu strapazieren. Ein Dichter von heiterer Rücksichtslosigkeit. (Marcel Beyer)

 

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Titelbild

Max Ernst: Die Schriften.
Hg. von Gabriele Wix. Mit einem Nachwort von Marcel Beyer.
Aus dem Französischen von Dagmara Kraus, aus dem Englischen von Uljana Wolf.
Walther König, Köln 2022.
635 Seiten, 48,00 EUR.
ISBN-13: 9783960988670

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