Hautfarbe, Kultur, Herkunft

International, frankophon

Von Rufine SonguéRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rufine Songué

Im französischen Markt fällt der Verlag Rue du monde durch Publikationen zu Diversität besonders auf. Das 2008 erschienene, von Joan Grant geschriebene und von Neil Curtis illustrierte Kinderbuch Poisson et chat verdient seine Bezeichnung als „Coup de coeur d´ailleurs“ – Favorit von woanders – denn die Geschichte kommt ursprünglich aus Australien und ist seit ihrem Erscheinen auch in Frankreich ein großer Erfolg. Geschildert wird die utopische Freundschaft zwischen Fisch und Katze. Der auktoriale Erzähler beschreibt, wie sie sich eines Tages im Park treffen und beim ersten Anblick mögen. Zusammen machen sie das, was Freunde und vor allem Kinder miteinander machen: sie spielen und zeigen sich ihre Welten. Für die Katze ist es wichtig, dass der Fisch ihr geheimes Versteck kennenlernt und sieht, wie sie klettert und sich aufwärmt während der kalten Jahreszeit. Im Ozean ist der Fisch zu Hause und bringt der Katze das Schwimmen bei. Er stellt der Katze seine Freunde vor und zeigt wo er wohnt. Der letzte Satz des Buches markiert die Zusammenführung der beiden Tierfiguren. Sie entscheiden sich „…da zu leben, wo sich ihre Welten treffen und zu warten bis zum nächsten Abenteuer.“[1] Die Unterschiedlichkeit der Beiden wird im ganzen Buch nicht angesprochen, sondern die Grenzen (man lese: von Ethnien und Rassen) wie selbstverständlich überbrückt als ein Zusammenleben mit Unterschieden. Die Illustrationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Farben Schwarz und Weiß verweisen auf Kontrast und große Unterschiede. Allerdings werden diese Farben zusammengebracht und vermischt. Auf der linken Seite liest man schwarze Sätze auf weißem Hintergrund, die rechte Seite stellt schwarz-weiße Zeichnungen von Fisch und Katze in ihren unterschiedlichen Aktivitäten dar. Die Narration der Geschichte wird damit auf der Ebene der Illustrationen programmatisch aufgenommen.

Im selben Verlag erschienen ist Meme les mangues sont des papier (2006) von Yves Pinguilly und Aurélias Fronty. Im Gegensatz zur utopischen Welt von Poisson et chat werden vom Beginn der Geschichte an Konflikte geschildert. Die Kinder Momo und Khady träumen davon, auf die andere Seite der Welt zu gehen. Momo will dort arbeiten, um mit dem Geld seine Mutter zu heilen und seine Geschwister zu ernähren. Auf der anderen Seite der Welt scheint alles einfacher als in der Heimat. Die Kinder sprechen ein sehr komplexes Thema an: Migration. Als Momo und Khady älter geworden sind, fliehen aus ihrem Dorf und verstecken sich in einem Schiff zwischen Mangos, die nach Europa transportiert werden sollen. Leider werden sie entdeckt, und da sie im Gegensatz zu den Mangos keine Papiere vorweisen können, dürfen sie nicht mitfahren. Ihr Problem bleibt ungelöst. Mit dieser einfachen Geschichte ohne moralische Lektion verweist Yves Pinguilly auf die Absurdität einer Welt, in der Mangos reisen können, im Gegensatz zu Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben. Das Buch bietet damit eine Antwort auf die Frage nach dem Grund von freiwillig illegaler Migrationen von Kindern. Denn „auf der anderen Seite der Welt, ohne Papiere, da existierst du nicht“[2]. Da keine Lösung vorgeschlagen wird, ist die Geschichte gleichwohl problematisch mit ihrer für Kinder der westlichen Welt anschuldigenden Wir-Ihr-Dichotomie. Die Kinder sind schwarz mit afrikanischen Namen. Die Welt, in die sie gehen wollen, ist im Buch illustriert und bezeichnet als Europa. Sogar die Hautfarbe der Männer, die die Kinder des Schiffes verweisen, ist definiert als zwei Weiße und zwei Schwarze. Die Illustrationen bilden diese Information ab. Der Kapitän des Schiffes ist weiß, reich, böse und mächtig gegenüber den Kindern. Diversität mit der in diesem Buch stark negativen Prägung bleibt als Narrativ unbefriedigend.

Ganz anders behandelt Patates! von Lionel le Néouanic (2002) das Thema Rassismus geradezu humorvoll, indem Kartoffeln als handelnde Figuren gesetzt werden. Die Kartoffelfamilie Belle de Fontenay lebt seit Generationen auf ihrer regnerischen und langweiligen Erde bis eines Tages eine seltsame Familie ankommt: die Familie Patate Douce. Die neuen Kartoffeln sind schwarz und kommen aus einem Land weit weg, voller Sonnenlicht, wo es aber nie regnet. Daher möchte Familie Patate Douce vom Regen der Belle de Fontenay profitieren. Allerdings wollen Belle de Fontenay und die ganze Nachbarschaft ihren Boden nicht ausländischen Kartoffeln überlassen und versuchen, die Süßkartoffeln wegzujagen.

Doch die Kinder, Marie Belle de Fontenay und Mamadou Patate Douce, mögen sich – analog zur These wonach Kinder von sich aus nicht fremdenfeindlich sind. So überzeugt Marie Belle de Fontenay schließlich ihre Eltern, dass es falsch ist, die anderen wegzuschicken, da alle im gleichen Land – nämlich der Erde – leben. Auch hier wird der Konflikt durch Kinder gelöst. Obgleich dies für ein Kinderbuch eine geeignete Narration bildet, bleibt die Lösung schwach, da sie ein komplexes Problem über die Maßen simplifiziert.

Anmerkungen:

[1] Poisson et chat (2008), o. S.

[2] Meme les mangues (2006), o. S.

Der Beitrag ist Teil des Seminar-Projekts „Diversität im Kinder- und Jugendbuch“ an der Universität Bayreuth, dessen Ergebnisse in der Dezember-Ausgabe 2017 von literaturkritik.de veröffentlicht sind.