Jenseits von Buntplüsch und alternativem Pseudorealismus

Über Isabel Pins schöne Kinderbücher

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer Kinderbücher sucht, der hat häufig nur die Wahl zwischen quietschbunter debiler Niedlichkeit auf der einen Seite und neo-alternativer Beschaulichkeit auf der anderen Seite. Bei den Kinderbüchern von Isabel Pin kann man sich von beidem erholen. Die gebürtige Französin hat Illustration an der "École des Arts decoratifs" in Straßburg und an der "Fachhochschule für Gestaltung" in Hamburg studiert. Meist malt sie flächige Bilder mit einer Sicht von schräg oben. Weder malt sie realistisch noch absurd, um sich dem angeblich surrealistischen Naturell der Kinder anzubiedern. Es gibt ein Hauptfeld des Bildes, um das herum viel Platz bleibt, auf dem wenige, kleine Details auffallen können. In diesen findet man Grazilität und Feingliedrigkeit. Diese sind in einem Muster der Gardine oder in einem Teeservice zu finden, das mit dem Thema des jeweiligen Buchs aber gar nichts zu tun hat. Dadurch wirken die Bilder ebenso liebevoll wie interessant. Pins Bilder sind ruhig, mit meist sanften, gedeckten Farben gezeichnet, und offensichtlich hat sie eine Vorliebe für Pflanzen, besonders für Blumen, die, wenn sie in einer Wohnung stehen, in Gefäßen von merkwürdiger Geometrie untergebracht sind.

In "Ein Regentag im Zoo" erinnern sie an Henri Rousseau. Dieses Buch ist für die jüngeren Kinder gedacht. Vater und Tochter gehen an einem Regentag in den Zoo; zum Wetter passend sind die Farben hier am stärksten gedeckt. Der Betrachter findet Häuser von merkwürdiger Architektur vor, in denen die Tiere Zuflucht vor dem Regen gesucht haben. "Ein Regentag im Zoo" ist ein Pappbilderbuch zum ausklappen: von der Gebäudeform ausgehend kann man raten, welches Tier sich im jeweiligen Haus befindet und dann den Gebäudeumriss aufklappen um nachzuschauen, ob man richtig vermutet hat. Die Tiere sind ohne jede typische Niedlichkeit gezeichnet.

"Wenn die Katzen älter werden" ist eine Geschichte von Martin Karau, die erstmals 1982 im "Verlag junge Welt" (Berlin) erschien und die Pin für die Neuausgabe im "Aufbau-Verlag" neu illustriert hat. Gezeigt wird, was passiert, wenn die Katzen älter werden: dann kümmern sich die Mäuse zwar um die Katzen, werden aber auch frech. Auch wenn Katzen im Alter Kinder haben, die dann ihrerseits Mäuse jagen können, so ist das Ende doch ein Versöhnliches.

Selber Erzählerin ist Pin bei den übrigen drei Büchern. Zwei von ihnen thematisieren, wie der Titel verrät, die Beziehung eines Kindes zu seinem Vater. In "Papa Sumo" ärgert sich der Sohn über die ausgeprägte Leibesfülle seines Vaters, bis er im Fernsehen Sumo-Kämpfe sieht. Sofort fliegen Vater und Sohn nach Japan, wo der Vater bei einem Turnier zwar nicht siegen, aber doch immerhin Achtungserfolge erzielen kann. Aber dies ist dann nicht weiter schlimm für den Sohn. Er hat erkannt, dass "stark" (vielleicht wäre "kräftig" die bessere Übersetzung gewesen) nicht nur ein Euphemismus für "beleibt" ist, sondern auch dass "das Wichtigste" ist: "Er ist mein Papa."

Am hellsten sind die Farben in "Wenn mein Papa weg ist...". Jeden Morgen geht der Vater aus dem Haus und sein Sohn fragt sich, was sein Vater wohl mache. Seine Phantasien hat Pin bebildert. Der Sohn schaut den meist spektakulären Tätigkeiten stets vom Hintergrund aus zu. Was der Vater tatsächlich macht, wird nicht aufgeklärt. Wichtig ist auch, ähnlich wie in "Papa Sumo", nicht, ob der Vater die Heroisierung der Wunschphantasien erfüllt: "Doch wenn er fertig ist mit seiner Arbeit, kommt er zu mir, weil er weiß: Ich warte schon auf ihn!"

Die beste und umfangreichste Geschichte wird in "Als alle früher nach Hause kamen" erzählt. Tom malt wie jeden Mittwoch in der Schule ein Bild. Die anderen Kinder werden für ihre Werke gelobt, nur bei Toms Bild verhält sich die Lehrerin merkwürdig. Auch die Schulleiterin reagiert irritiert. Etwas stimmt nicht. Tom darf früher nach Hause gehen, seine Mutter holt ihn ab. Auch sie, ebenso wie der von der Arbeit abgerufene Vater, die extra herbeigeholte Oma wie auch der Hausarzt sind von dem Bild beunruhigt. Was Tom gezeichnet hat, das erfährt der Betrachter erst ganz zum Schluss, als Toms Freundin Lilly dazukommt und die Beunruhigung mit einem einfachen Satz auflöst. Tom merkt zwar, dass etwas anders ist, aber er bleibt unbekümmert und wird nicht ängstlich. Dank Pins Sensibilität und Geschmack aber wird dieser kindliche Eigensinn nicht zu einem besonderen Akt stilisiert und als Beispiel hervorgehoben, sondern bleibt als normales Verhalten stehen.


Titelbild

Isabel Pin: Papa Sumo.
Übersetzt aus dem Französischen von Thomas Minssen.
Bajazzo Verlag, Zürich 2005.
32 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3907588606

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Titelbild

Isabel Pin: Als alle früher nach Hause kamen.
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2006.
24 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-10: 3779500647

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Titelbild

Isabel Pin: Ein Regentag im Zoo.
Übersetzt aus dem Französischen von Thomas Minssen.
Bajazzo Verlag, Zürich 2006.
22 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3907588681

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Titelbild

Martin Karau: Wenn Katzen älter werden.
Illustriert von Isabel Pin.
Aufbau Verlag, Berlin 2006.
24 Seiten, 12,50 EUR.
ISBN-10: 3351040652

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Titelbild

Isabel Pin: Wenn mein Papa weg ist.
Übersetzt aus dem Französischen von Thomas Minssen.
Bajazzo Verlag, Zürich 2007.
28 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-10: 3907588819

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