Klagenfurt lebt. Und das noch lange

Über die Anthologie "Klagenfurter Texte. Die Besten 2008"

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit jedem Jahr wird es müßiger, über die Klagenfurter Tage der Literatur zu schreiben. Oder vielmehr: lesen zu müssen, was geschrieben wird. Denn die ganze Chose einfach mal rundherum gut zu finden, dafür ist das Feuilleton offenbar nicht der rechte Ort. Hier wollen Diskurse gesponnen werden. Und wen wundert es noch: Auch in diesem Jahr hat sich das Feuilleton wenig begeistert gezeigt von den Klagenfurter Texten.

Dabei war eigentlich wenig auszusetzen: Tilman Rammstedt erhielt vollkommen zu Recht den Bachmannpreis für seinen Auszug aus dem Roman "Der Kaiser von China", einem Stück Literatur morbidesten Humors. "Lieber Großvater, du bist tot. Viele Grüße, dein Enkel Keith", heißt es am Ende des Auszugs über einen dominanten Patriarchen, der sich - natürlich erfolglos - dem Tod zu entziehen versucht. Warum die Jury extra betonen musste, dass auch lustige Texte gute Literatur sein können, das weiß sie wohl nur selbst.

Sicher stand Klagenfurt 2008 vor allem unter dem Stern der fernsehtauglichen Neuerung: nur noch zwei Tage, weniger Lesende, weniger Juroren. Und dass 3sat den sympathisch-schweigsamen Literatur-Fels Ernst A. Grandits gegen den redseligen Dieter Moor eingetauscht hat, ist in der Tat ein Wermutstropfen, ein ziemlich großer sogar.

Naheliegenderweise war das Remodeling Anlass genug, mal wieder grundlegende Kritik an Klagenfurt zu üben. Besonders hervor etwa tat sich im "Standard" Cornelia Niedermayer, die die Hauptaufgabe der Literatur nicht im Entstehen-Lassen und Lösen von Diskursen, sondern im Aufbrechen sprachlicher Konventionen sieht. Weniger Inhalt, mehr Sprache - wer, müsste man Frau Niedermayer einmal fragen, wer will denn ernsthaft etwas lesen, in dem nichts passiert? In dem munter mit Sprache experimentiert, aber der Leser außer Acht gelassen wird? Es muss sie gefreut haben, dass mit Clemens J. Setz ein Autor den Ernst-Willner-Preis gewann, der zwar nicht mittels enigmatischer Sprache, aber umso chiffrierterem Inhalt seine Leser vergrault. Preiswürdig war die unfertige, unpointierte Geschichte keinesfalls. Da stimmte es einigermaßen versöhnlich, dass zumindest von Elmar Krekeler ("Die Welt") und Carsten Klook ("ZEIT Online") bemängelt wurde, dass Autoren wie Sudabeh Mohafez und Alina Bronsky leer ausgingen.

Aber was wäre eine Klagenfurt-Berichterstattung ohne Teufelsmalerei an der sprichwörtlichen Wand? Für die sorgte in der "Neuen Zürcher Zeitung" Paul Jandl, der sich zu der Aussage verstieg, dass keiner Klagenfurt vermissen werde, wenn es noch einmal so aussehen würde wie in diesem Jahr. Einen neuen Anstrich mag Klagenfurt 2008 bekommen haben. Aber das ändert nichts daran, dass gute Autoren eingeladen worden waren und verdientermaßen gewannen. Dass schlechte Autoren gewannen. Und dass gute Autoren leer ausgingen. Das war schon immer so. Das Feuilleton redet soviel vom Tod des Wettbewerbs, dass es verpasst hat, dessen Unsterblichkeit mitzubekommen. Klagenfurt wird leben. Egal in welcher Form. Dabei spielt "Die Besten 2008" eine wichtige Rolle.


Titelbild

Ijoma Mangold (Hg.): Die Besten 2008. Klagenfurter Texte.
Piper Verlag, München 2008.
224 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783492052092

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