Kein emotionaler Widerhall

Der Debütroman des schottischen Autors Luke Williams „Das Echo der Zeit“ sprüht nur so vor Einfallsreichtum und außergewöhnlichen Ideen, doch der Funke springt nicht über

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer kennt das nicht: Man liest einen Klappentext, sieht eine Verlagsankündigung und verspürt ein angenehmes Prickeln der Neugier und Vorfreude auf eine Geschichte, die außergewöhnliches Lesevergnügen verspricht. So auch bei „Das Echo der Zeit“ von Luke Williams. Schließlich wird hier eine Story präsentiert, bei der nicht nur die 11 Monate überraschen, die die Protagonistin im Mutterleib verbringt (und mit deren Geburt dann der Tod der Mutter einhergeht). Außergewöhnlich ist an der Hauptfigur des Romans, Evie Steppman, zudem ein extrem empfindliches Gehör. Dies ermöglicht es ihr, schon als Fötus in der Gebärmutter, der „Echo-Chamber“ (so auch der Romantitel im Original), das nigerianische Lagos akustisch zu erkunden, wo ihr Vater als Beamter des britischen Empires arbeitet.

Im Fruchtwasser schwimmend lernt sie auch bereits ihren Vater kennen, der mit umfangreichen Erörterungen und Geschichten seiner ungeborenen Tochter einiges von der eigenen Weltsicht vermitteln will. Dies gerät angesichts ständiger Themenwechsel und inhaltlicher Sprünge allerdings zu einem reichlich eklektischen Unterfangen, passt damit aber zu Evies übrigen unzähligen ungefilterten auditiven Erfahrungen. Diese sind leise, schrill, angenehm, bedrohlich, erschreckend – und vor allem äußerst vielschichtig: Denn Evie kann sogar in die Vergangenheit hineinhören. Auf diese Weise vermischt sich Selbstgehörtes und -erlebtes mit Ereignissen der Zeitgeschichte zu einem untrennbaren akustischen Gesamtbild.

Evie wird als Protagonistin des Romans aktiv, als sie beginnt, in der Mansarde ihres väterlichen Haues in Schottland ihre Geschichte aufzuschreiben. Der bittere Anlass hierfür ist die schreckliche Tatsache, dass die mittlerweile über 50-Jährige große Probleme mit den Ohren hat. Diese verlieren mehr und mehr ihre einstigen Fähigkeiten, Evie wird taub. Und so versucht sie, obwohl sie eigentlich wenig von der Kraft der Wörter hält, ihre vielen Erinnerungen auf Papier zu bannen, um diese vor dem Verrinnen zu bewahren.

Eine ausgehängte Tür auf Stapeln der „Encyclopaedia Britannica“ dient ihr als Arbeitsplatz in dem ungemütlichen Dachgeschoss des Hauses, wo sie seit der Unabhängigkeit Nigerias im Jahr 1961 lebt. Zwischen staubigen Erinnerungsstücken macht sie sich an das schwierige Unterfangen, der zunehmend chaotischen Kakophonie, die sich ihren Ohren bietet, Ordnung und Sinn zu geben. Beginnend mit den Echos ihrer Kindheit in Lagos schreibt sie sich durch die Jahre und Jahrzehnte ihres Lebens, wobei sich ihre eigene Geschichte und die ihrer Familie mit vielen anderen Geschichten vermengt und Exkurse an entlegene Orte in Zeit und Raum führen.

Doch genau in dem, was so reizvoll klingt, liegt die Krux des Romans. – Zu vieles möchte der Autor auf einmal präsentieren, zu sehr ist er um die Originalität seiner Ideen bemüht, als dass die einzelnen auseinanderdriftenden Bestandteile seines Romans noch ein gemeinsames Ganzes ergeben könnten. Stattdessen ermüden und verwirren den Leser die zu bewältigenden Erinnerungen ebenso sehr wie Evie selbst. So wird das Lesen bedauerlicherweise nach kurzer Zeit eher zur Aufgabe denn zum Vergnügen. Das ist schade, denn der Roman steckt voller intelligenter und kreativer Ideen, die von großem erzählerischen Talent, enormer Kreativität und Freude am Fabulieren zeugen. Bei aller kunstfertiger Geschraubtheit darf man nicht vergessen, die Emotionen seiner Leser anzusprechen. Und das kommt hier einfach zu kurz.

Man darf gespannt sein, was als Nächstes von Luke Williams kommen mag, denn so viel Erzähltalent verlangt nach einer Fortsetzung.

Titelbild

Luke Williams: Das Echo der Zeit. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Eike Schönfeld.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2012.
473 Seiten, 24,99 EUR.
ISBN-13: 9783455403732

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