Noch ruhiger geworden

Reinhard Meys neues Album „dann mach’s gut“

Von Annika SaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Annika Saß

„Spielmann bin ich geworden, bin ein Stelzenläufer, / Gaukler bin ich, ein Seiltänzer, ein Taugenichts, / Vorsänger, Lautenschläger, bin ein Traumverkäufer, / Spielmann will ich sein bis zum Tag des jüngsten Gerichts!“

In der „FAZ“ wird er als „Kronzeuge unserer Befindlichkeiten“ beschrieben: Reinhard Mey selbst bezeichnet sich aber in seinem neuen Album als „Spielmann“, „Gaukler“ und „Traumverkäufer“. Und er spielt und verkauft schon lange: Am 05. Mai 2013 ist sein inzwischen 26. Studioalbum „dann mach’s gut“ erschienen, für 2014 ist die Tournee bereits angekündigt.

Das neuste Album des Liedermachers ist bestimmt durch ruhige und sanfte Töne. Reinhard Mey hält Rückschau auf sein Leben, das vorherrschende Thema ist seine Familie. Wie in vielen vorherigen Alben auch handeln viele Lieder von seinen Kindern und seiner Frau, von der Dankbarkeit, die er empfindet für das Familienglück. Für den neu geborenen Enkel Jurij singt er „Fahr’ dein Schiffchen durch ein Meer von Kerzen“, über den Schwiegervater „Vaters Mantel“.

Weitere Themen der Lieder sind die Natur und das Fliegen und die Beschreibung alltäglicher Dinge und Situationen – ein Taschentuch, ein guter Wein – außerdem die Musik und Musiker: „Wenn schon Musik, dann muss es ein Gitarrenspieler sein“. Mey singt in „dann mach’s gut“ zum ersten Mal seit langem wieder Lieder, die er nicht selbst geschrieben und komponiert hat: Hannes Waders Antikriegslied „Es ist an der Zeit“ und „Sally“, das er auf Italienisch singt.

Am stärksten jedoch sind die Texte, die von Reinhard Meys eigener Familie, von der Rückschau und der Vergänglichkeit handeln: In „Spangen und Schleifen und Bänder im Haar“ beschreibt er sehr eindrücklich seine Gefühle für seine inzwischen erwachsene Tochter. Eine große Stärke von Reinhard Meys Texten ist es, seine privaten Gefühle und Erlebnisse so darzustellen, dass für den Zuhörer ein lebendiges Bild entsteht. Es ist einfach, sich selbst in seinen Beschreibungen wiederzufinden: sei es als Vater, der über seine Tochter denkt „sie braucht mich nicht wirklich, doch sie lässt mir die Illusion“, oder als die Tochter. Mey macht aus seinen ganz persönlichen Alltagssituationen fesselnde und berührende Texte für jeden.

Im Vergleich zu früheren Werken Reinhard Meys zeichnet sich dieses besonders durch das Fehlen seiner früheren Kritik und Ironie aus. Er war immer ein Liedermacher, der darauf aufmerksam gemacht hat, was in der Welt schiefläuft, was nicht so ist, wie es sein sollte. Der Reinhard Mey, den man von früheren Alben kennt, war mit vielem unzufrieden und hat das auch gezeigt und gesungen.

Die Sehnsucht nach Freiheit, die in früheren Liedern eng mit dem Thema Fliegen verbunden war (man denke nur an „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“), ist in diesem Album nicht zu spüren. Stattdessen schreibt Reinhard Mey ein Lied über das Fliegen mit seinem Sohn und die Rückkehr zum Enkel nach der Landung.

Der kompromisslose Pazifismus Reinhard Meys findet seinen Ausdruck in nur einem Lied auf dem neuen Album – das er nicht selbst geschrieben hat. Hannes Waders „Es ist an der Zeit“ wurde 2003 zur Hymne gegen den Irakkrieg, nachdem Wader, Mey und Konstantin Wecker es bei einer Demonstration sangen.

Die einzigen Demonstranten im neuen Album sind Kühe: „Wenn sich was ändern soll, dann muss man auf die Straße gehen!“, sagt in „Gute Kühe kommen in den Himmel“ eine Kuh, die wegen schlechter Haltungsbedingungen ausgebrochen ist. Dieses Lied hat ein kleines bisschen von der früheren Mey’schen Ironie und Kritik, ihm fehlt aber die eingängige Melodie und es erreicht nicht das satirische Niveau von „Was kann schöner sein auf Erden, als Politiker zu werden“ oder „Zwei Hühner auf dem Weg nach Vorgestern“.

Der Reinhard Mey von „dann mach’s gut“ ist ein Spielmann, wie in dem Lied beschrieben: er unterhält, zeichnet lebendige Bilder in die Luft. Der Spielmann möchte seine Zuschauer nicht belehren, ihnen nicht sagen, was sie tun und lassen sollen. Er erzählt einfach.

Seine Texte sind berührend, weil sie so persönlich sind. Die Kritik von früher ist im neuen Album nur noch in Ansätzen vorhanden und das ist sehr schade, denn es gehört zu Reinhard Mey, dass er aufmerksam macht auf Dinge, die falsch laufen. Dennoch lohnt es sich auch, dem ruhigeren Reinhard Mey zuzuhören, wie er von seinem Leben erzählt.

Reinhard Mey: Dann mach’s gut

Audio CD

Veröffentlichung 3. Mai 2013

Label: Odeon-Emi / Universal
ASIN: B00BSJ2W4Y

13,99 €

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz