Literaturkritik und Buchwissenschaft? Geleitwort von Stephan Füssel

Die Themen Literaturkritik und Buchwissenschaft gehen aus unserer Sicht eine sinnvolle Symbiose ein, da die Buchwissenschaft  zwar zunächst stets nach den Inhalten und der Gestaltung von Literatur fragt, sich dann aber auch mit den Vermittlungsinstanzen der Literatur beschäftigt und sich daher mit Themen wie der Buchwerbung, den Vertriebsmöglichkeiten, der Rolle und Bedeutung von Literaturhäusern, aber auch mit Bestsellerlisten, den Beratungsgesprächen im stationären Buchhandel und den rasch generierten Empfehlungen im Internetbuchhandel beschäftigt. Dass die Literaturkritik in den Feuilletons, im Hörfunk und Fernsehen, aber manchmal (vom Umsatz her gesehen sogar im stärkeren Maße) in den Lifestyle Magazinen oder Unterhaltungszeitschriften, wie der Brigitte oder der Landlust, eine erhebliche verkaufsfördernde Rolle zukommt, ist für die angehenden Verleger, Lektoren und Mitarbeitern bei Werbung, Vertrieb und Öffentlichkeitsarbeit von zentraler Bedeutung.

Das gilt selbstverständlich auch für die große Frage, welchen Platz die Internetkommunikation einnimmt, ob die Blogs das gedruckte Feuilleton ablösen oder ob darüber hinaus das Social Reading eine gute Möglichkeit ist, Leseerfahrungen zu „teilen“ und Tausende von Leserinnen und Lesern – weltweit – miteinander verbindet.

So kam es nicht unerwartet, dass über 200 Studierende und Verleger beim XX. Mainzer Kolloquium, das jeweils am letzten Freitag im Januar aktuelle, die Branche bewegende Fragen aufnimmt, vertreten waren und engagiert mit diskutierten – und sie wurden reich belohnt, da in den Beiträgen sowohl das hohe Selbstverständnis der Kritiker, aber gleichzeitig auch ein Genre im Wandel vorgestellt wurde. Dass nun einige dieser Vorträge ganz spontan bei literaturkritik.de und darüber hinaus im Literaturblog 114 des S. Fischer Verlages als Videoblog erscheinen können, eröffnet erfreuliche Möglichkeiten, die zu einem Disput zwischen Literatur- und Buchwissenschaft führen könnte, worüber sich das Mainzer Institut für Buchwissenschaft sehr freuen würde.

Stephan Füssel,
Leiter des Mainzer Instituts für Buchwissenschaft