Die Realität ist nur im Rausch zu ertragen

Juliet Escoria erzählt in „Black Cloud“ Geschichten eines Underdogs

Von Michael KurzmeierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Kurzmeier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Black Cloud, die erste deutsche Veröffentlichung der Autorin Juliet Escoria, ist ein 70-seitiger Erzählband, der in 17 Abschnitten Geschichten aus dem Leben der Autorin erzählt. Die Themen reichen dabei von ihrer Kindheit und Jugend über Beziehungen, Drogen, der Suche und dem Verlust von Jobs bis zur Gegenwart, also dem Verfassen des Texts. Ergänzt wird der Band dabei von mehreren unscharfen Bildern, welche die Stimmung des Texts einfangen sollen.

Eine Biographie kann man den Band aber dennoch nicht nennen, das würde wohl auch der Intention der Autorin widersprechen. Viel passender ist der Ausdruck „Lebensbeschreibung“. Die lakonischen Geschichten Escorias widersetzen sich nämlich einem klassisch teleologischen Aufbau, obwohl die Struktur und die Anordnung der Kapitel durchaus dazu eingeladen hätten. Ihrem nüchternen Stil ist es aber zu verdanken, dass keine bemühte Interpretation des Autors quasi mitgeliefert wird, sondern dass im Gegenteil die Kapitel isoliert stehen und damit keine romantisch verklärte Leidens- und Heilsgeschichte bilden.

So ist ein Text entstanden, der sich sein referenzielles System erst selbst schaffen muss, da er sich etablierten Sichtweisen entzieht. Der Nachtklub in Manhattan ist ebenso wenig Symbol kultureller Hegemonie wie der kalifornische Strand ein Symbol der Freiheit. Auch die stets präsenten Drogen sind kein Vehikel zur transzendentalen Erleuchtung einerseits oder zu einem vorzeitigen Ende andererseits. Die Erzählerin lebt und handelt in und vor verschiedenen Kulissen, verweigert aber ihre Deutung als exzeptionelle Orte. Nun ist Verweigerung allein noch kein subversiver Akt und der Text auch kein subversiver, da eben den Ereignissen und Orten keine alternative oder gar oppositionelle Interpretation entgegengesetzt wird. Bestenfalls kann man den Text als eine behutsame Anklage gegen die eigene Mutter lesen, die der Erzählerin gegenüber nie die Identifikationsfigur war, die sie hätte sein sollen. Das kann man bemängeln, muss dabei aber festhalten, dass der Text dann nicht mehr die nüchterne Lebensbeschreibung wäre, die er ist.

Der Text bleibt so die Geschichte eines Underdogs, eines Außenseiters, aber nicht die eines Rebellen. Der „Dirty old Man“, Charles Bukowski, brauchte einige Zeit, bevor aus der Kolumne Notes of a Dirty Old Man der biographische Titel Ham on Rye wurde. Ebenso kann man hoffen, dass Escoria weiter an ihrem Stil arbeitet und dem Leser mehr Geschichten aus einer Welt liefert, in der die Realität nur im Rausch zu ertragen.

Titelbild

Juliet Escoria: Black Cloud. 16 Stories vom amerikanischen Albtraum.
Aus dem Amerikanischen von Christoph Jehlicka.
Maro Verlag, Augsburg 2015.
96 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783875123180

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