Die Suche nach der verborgenen Wahrheit

Demosthenes Kourtovik: "Je mehr wir lernen, desto weniger verstehen wir"

Von Evangelia KaramountzouRSS-Newsfeed neuer Artikel von Evangelia Karamountzou

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Griechenland ist das Schwerpunktland auf der Frankfurter Buchmesse 2001, und einer der profiliertesten Vertreter ist ohnehin einer der aktivsten Autoren Griechenlands: der Schriftsteller, Literaturkritiker und Übersetzer Demosthenes Kourtovik (Jahrgang 1948). Die 13 Bücher, darunter Romane, Erzählungen, Essays und Aphorismen, die er bisher veröffentlicht hat, die 14 Fremdsprachen, die er beherrscht, die 62 Bücher, die er aus acht europäischen Sprachen übersetzt hat, sein wissenschaftlicher Beitrag als Biologe und Doktor der Anthropologie sprechen für eine vielseitige Persönlichkeit.

Seit 20 Jahren arbeitet Kourtovik für die wichtigsten Zeitungen seines Landes. Als einer der führenden Literaturkritiker Griechenlands wird er für seine scharfsinnigen und kämpferischen Artikel gefürchtet wie geachtet. Und der Kritiker Kourtovik ist ein Unbestechlicher, der vom Geheimnis der Literatur und sonst von keiner anderen Macht bestochen, sein Verständnis von der Literatur vermittelt, gleichviel, ob es dem Produzenten oder dem Konsumenten der Literatur gefällt oder nicht. Seine subjektive Kritik ist Henkerskunst ebenso wie Hebammenkunst: indem er objektive Maßstäbe anlegt, weist er das Schlechte ab, während er das nach seinem Dafürhalten "Wahre, Gute und Schöne" befördert.

In einem kleinem Land mit einer langjährigen kulturellen Tradition wie Griechenland, wo Vielstimmigkeit die Regel ist, wird oft die Schärfe einer Kritik missverstanden und die Prägnanz der Analysen bestritten. Das Besondere bei Kourtovik ist, dass er zu beiden Seiten gehört, nämlich zur Seite des Beurteilers als Literaturkritiker, wie auch zur Seite desjenigen, der beurteilt wird - nämlich als Schriftsteller und Übersetzer. Für die Breite seiner literarischen Interessen und deren Äußerung, für sein Engagement für die politische Szene beansprucht er die Aufmerksamkeit seiner literarischen Umwelt. Heute ist er Literaturkritiker der vielgelesenen Athener Zeitung "Ta Nea" und regelmäßig erscheinen Artikel in der internationalen Presse. Mit seinem Artikel "Trommeln des Vergessens - Der Westen gibt sich auf" in der "Frankfurter Allgemeinen" vom 1.6.1999) übte er Kritik an den westlichen Intellektuellen. Er warf ihnen vor, sie würden den "humanitären" Einsatz ihrer Staaten im Kosovo-Krieg stillschweigend akzeptieren.

Die altmodisch anmutende Suche nach dem Wahren und dem Gerechten ist Leitmotiv in Kourtoviks Werk. In seinem neuesten Roman "Die Nostalgie der Drachen" (Hestia, Athen 2000; die deutsche Ausgabe erscheint Anfang 2001 im Axel Dielmann-Verlag) handelt es sich um eine Reise durch Europa, wobei Fragen nach dem Koexistieren der Menschen von Gestern und Heute, verschiedener Kulturen und Religionen, gestellt werden. In dem letzten Buch von Demosthenes Kourtovik, "Es ist vollbracht" (Opera, Athen 1996), wird seine schriftstellerische Phantasie von photographischen Dokumenten des letzten Jahrhunderts gereizt. Photographien sind für ihn nicht ein Gedächtnishilfsmittel, um die Vergangenheit zurückzurufen, sondern vielmehr Andeutung einer verborgenen Wahrheit. Er interessiert sich für die zufälligen Details, die unsichtbaren Zeichen, die ihn zu einer neuen Deutung der Szene führen. Er stellt das 20. Jahrhundert anhand von 21 bekannten und unbekannten Photos dar und beschäftigt sich nicht wie die Historiker mit den Fakten, sondern mit dem Charakter und dessen, was unser Bewusstsein geprägt hat. Diese Dokumente, die den Moment verewigen, verstecken in sich eine Moral, die er zu entschlüsseln versucht. Anlässlich einer Szene von einer Athener Nachbarschaft um 1920 (siehe Photo) vergleicht Kourtovik die Photographien mit den zerrissenen Seiten eines Romans. Die Wirkungskraft des Romans beruht auf dem Element der Zeit, genau wie die Photographie. So ist auch ein Photo die zerrissene Seite eines unbekannten Romans; es stellt nicht ein zufälliges, äußeres Bild der Welt dar, sondern ihre eigene Substanz: je konkreter und anschaulicher die Wirklichkeit wird, desto unvollständiger scheinen die Informationen, die wir haben.

1989 erschien im Dialogos - Verlag "Der griechische Herbst der Eva-Anita Bengtson". Der Roman, eine liebevolle Parodie des Krimis, handelt einerseits von der zunehmenden Verwechslung zwischen Realität und ihrer Darstellung in den Medien, andererseits vom Konflikt zwischen dem Rationalismus des Westens und dem Irrationalismus des Balkans. Zuletzt erschien sein kritischer Leitfaden in überarbeiteter Ausgabe "Griechische Schriftsteller der Gegenwart."

Kourtoviks Bücher sind bisher auf deutsch, französisch, dänisch und schwedisch erschienen.

Titelbild

Dimosthenis Kourtovik: Der griechische Herbst der Eva-Anita Bengtson.
Manesse Verlag, Wannweil 1989.
131 Seiten, 0,00 EUR.
ISBN-10: 3927220078

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Titelbild

Demosthenes Kourtovik: Die Nostalgie der Drachen. Roman.
Axel Dielmann Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
300 Seiten, 20,50 EUR.
ISBN-10: 3933974135
ISBN-13: 9783933974136

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