Debatte: Leitkultur

Vorbemerkung

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Die Debatte um die "deutsche Leitkultur", die derzeit die Feuilletons bestimmt, macht erneut deutlich, wie groß der politische Scherbenhaufen ist, den Helmut Kohl hinterlassen hat. Seine Nachfolger agieren rein vergangenheitsbezogen, unfähig zu irgendeinem Einfall, den man als Projekt bezeichnen könnte, beleidigt darüber, dass diejenigen, die angeblich vor der Geschichte versagt haben, jetzt als Nutznießer der Geschichte dastehen.

Aber wen wundert dies? Schon die Ära Kohl war ohne jede politische Idee, die Wiedervereinigung bis zur friedlichen Revolution im November 1989 bloßes Lippenbekenntnis, der Traum von Europa erschien als günstige Gelegenheit, Parteifreunden neue Pfründe zu verschaffen. Die Herren Bangemann und Hombach und der Altkanzler selbst sind der feiste Ausdruck dieser Gesinnung. Die geistig-moralische Wende der Kohl-Regierung hat ein intellektuelles Loch hinterlassen, ein Klima, in dem der bayerische Wirtschaftspragmatismus und die Sparpolitik Hans Eichels als Leitbilder moderner Politik gelten können.

Es war eine "dumme Epoche" ohne Charakter und Charisma, befindet Karl Heinz Bohrer, der als Herausgeber der Zeitschrift "Merkur" diese Zeit mit Essays über den deutschen Provinzialismus - genauer: über den "Provinzialismus der westdeutschen Intelligenz in Politik, Universität und Kulturbetrieb" - begleitet hat (vgl. literaturkritik.de 2000-10-0037.html).

Jürgen Wertheimer (Universität Tübingen) vertritt in seinem Beitrag "Krieg der Wörter" die These, dass Konfliktszenarien als sprachliche Operationen zu begreifen sind und keineswegs als Ausdruck ,wirklicher? Gegebenheiten. Seine Textzeugen sind Lessings "Nathan der Weise" und Nicolas Borns Roman "Die Fälschung".