Mysterium Liebe
Christian Miller definiert Liebe geometrisch
Von Britta Waltmans
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Über die Liebe zu schreiben,
gleicht dem vergeblichen Versuch,
über die Liebe zu sprechen.
Keine Worte vermögen zu zeigen,
wie die Liebe in uns wirkt."
Was ist Liebe? Wie definiert man sie? Kann man Liebe überhaupt definieren? Lässt sie sich mit Hilfe der Naturwissenschaften, der Mathematik oder der Psychologie erklären? Welche Worte werden ihr gerecht? Und wie sollte eine Liebeserklärung aussehen? Das alles sind Probleme, welche seit alters her die Menschen und natürlich besonders die Dichter und Denker beschäftigt haben. Schon im Mittelalter haben Sänger auf den Marktplätzen ihre Minnelieder vorgetragen und auf die Wirkung ihrer Worte bei der Angebeteten spekuliert. Manche hatten Erfolg, andere weniger. Hatten die Erfolgreichen unter ihnen einfach die richtigen Worte gefunden? Und sind diese "richtigen" Worte dann auch allgemeingültig?
Christian Miller nähert sich den Fragen des Lebens und natürlich insbesondere der Liebe vor allem mit Gefühl, manchmal aber auch mit Ironie und Witz. Er selbst ist ein junger Schwabe des Jahrganges 1971, der bereits in seiner Kindheit schriftstellerische Ambitionen hatte. Mit seinen klaren und einfachen Worten entgeht er jeglicher Verklärung der Sichtweise und bleibt so auf dem Boden der Tatsachen. Seine Gedichte lassen eine tiefe Verbundenheit zur Natur erkennen, denn immer wieder beschreibt er sie in Bildern, um Zusammenhänge zu verdeutlichen und seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Seine Wortwahl ist schlicht, trifft den Kern der Sache meist aber mit zielgerichteter Genauigkeit.
In seinem Gedichtband "Geometrie der Liebe" beschäftigt er sich mit allen Stadien, mit der hoffnungsvollen Verliebtheit, der glücklichen Beziehung und der bevorstehenden oder bereits vollzogenen Trennung. In jedem seiner Liebesgedichte fängt er intuitiv die Sehnsüchte, Ängste und Gefühle der Liebenden ein, vermag aber auch dem Schmerz einer Trennung offen ins Gesicht zu sehen und ihn in Worte zu fassen. Trotz aller Melancholie bleiben seine Gedichte jedoch immer hoffnungsvoll und zuversichtlich, was die Zukunft und das Heilen der Trennungswunden betrifft. Millers Herangehensweise lässt an Gert Jonkes "Geometrischen Heimatroman" denken, wenn er die Gefühle in geometrische Begriffe zu fassen sucht und der Liebe eine Form gibt: Jedes einzelne Gedicht trägt seinen Teil zu der Antwort auf die Frage bei, was Liebe ist.
Auch der Tod ist ein wichtiges Thema in Christian Millers Gedichtband. Auf den ersten Blick erscheint der Tod der Liebe komplett entgegengesetzt, denkt man jedoch an den Verlust einer geliebten Person, so wird der Zusammenhang schnell deutlich. Oft genug wird eine Liebe nur durch den Tod eines Partners aufgehoben. Doch auch in solchen Fällen versuchen die Gedichte den Hinterbliebenen Hoffnung zu spenden und zu zeigen, dass auch ein "Leben nach dem Tod" zu bewältigen ist. Naturbilder und Metaphorik spielen daher eine wichtige Rolle, wenn beispielsweise der Schmetterling "den Verstorbenen eine Botschaft der Hoffnung zuflüstert".
Der Aufbau lässt keine Kategorien erkennen, die "Liebesgedichte" oder "Gedichte über den Tod" ankündigen. Der Leser wird vielmehr überrascht vom urplötzlichen Wechsel zwischen Abschied, Glück und Tod, der traurig oder rührselig inszeniert wird. Manche Texte spießen die Unwissenheit des Menschen über den Zeitpunkt seines eigenen Ablebens oder den Tod im allgemeinen geradezu ironisch pointiert auf. Dieser Stoß ins kalte Wasser mag befremden, wirkt aber durchaus erfrischend und fordert permanent die Aufmerksamkeit des Lesers.