Kein Herz und keine Seele

Mit „Verrückt nach Fixi“ legt Mike Marzuk einen spießigen und langweiligen Film vor – trotz einer Sexpuppe als Hauptfigur

Von Marcel MenneRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Menne

Jedes Jahr bietet sich ein paar Monate vor den Sommerferien der gleiche Anblick in den Gängen der Bekleidungsgeschäfte. Abiturienten dackeln ihren Eltern hinterher, schlüpfen in Kleider und Anzüge, manche sehen dabei verkleidet aus, anderen steht der feine Zwirn bestens. Am Abiball treffen letztlich die verschiedensten Personen aus einer Jahrgangsstufe ein letztes Mal zusammen. Für Tom fällt diese Festlichkeit besonders ungewöhnlich und bedauerlicherweise auch besonders unangenehm aus. Als Preis für die letzte männliche Jungfrau des Jahrgangs wird ihm öffentlich eine Sexpuppe verliehen. Doch anstatt die Puppe wegzuschmeißen und nach Hause zu gehen oder sich von seinem einzigen Freund Dodie trösten zu lassen, klemmt er das Sexspielzeug unter den Arm, gerät in einer Kneipe an einen geheimnisvollen Asiaten, pinkelt im Hinterhof gegen einen alten Automaten und wird dabei vom Stromschlag bewusstlos. Leider bleibt Tom nicht einfach liegen und verhindert so den weiteren Verlauf der Teenie-Komödie Verrückt nach Fixi von Mike Marzuk. Stattdessen gelangt er unter mysteriösen Umständen zurück in sein Bett, wo er von der auf magische Weise lebendigen Sexpuppe mit einem Blowjob geweckt wird … 

Dass es sich bei Verrückt nach Fixi nicht um ein einfühlsames Indie-Drama wie Lars und die Frauen handelt, in dem Ryan Gosling eine zärtliche Beziehung mit einer Sexpuppe führt, steht also bereits zum Auftakt außer Frage. Wenigstens den Stoff für eine unterhaltsame Komödie unter der Gürtellinie auf den Pfaden von Superbad bietet das Grundszenario aber durchaus. Nicht zufällig ähneln die beiden Außenseiter-Freunde Tom und Dodie auch nicht nur optisch den von Jonah Hill und Michael Cera gespielten Schülern, die in den letzten Tagen der Highschool unbedingt ihre Jungfräulichkeit verlieren wollen. Wo das amerikanische Vorbild jedoch immerhin mit anarchischem Witz, ein paar skurrilen Wendungen und denkwürdigen Szenen punktet, versagt die biedere deutsche Reißbrett-Variante völlig: Wie es nach Genre-Konventionen nicht anders hätte sein können, wird Tom wegen der hübschen Sexpuppe namens Fixi plötzlich cool, hängt mit dem oberflächlichen Frauenhelden Jannis rum und entfremdet sich nach einem Missverständnis von Dodie. Und wie es langweiliger nicht hätte sein können, lernt am Ende des Films jeder auf arg konstruierte Weise seine Lektion, die Guten werden belohnt, die Bösen bestraft.

Komödiantisch erstreckt sich der Ideenreichtum auf zahlreiche Gags aus der Mottenkiste. Da gaffen Männer im Kaufhaus die leicht bekleidete Fixi an und laufen natürlich allesamt in die umstehenden Kleiderständer. An anderer Stelle kniet Dodie vor Tom und aus einem ungünstigen Blickwinkel sieht es nach Oralverkehr aus. Zu einem selbstironischen Augenzwinkern bei solchen Klischees ist Regisseur Marzuk wohl ebenso wenig fähig wie die von Lisa Tomaschewsky verkörperte Fixi, die nur sehr ungelenk ein einzelnes Auge zukneifen kann. Beide Augen schließen möchte man am liebsten, wenn Fixi dümmlich über die Leinwand watschelt.

Warum Tomaschewsky nach ihren starken Auftritten in Heute bin ich blond oder Deutschland 83 eine solche Rolle bekleidet, der keine andere Funktion zukommt, als sich im Rahmen des FSK 12 zu entkleiden, ist fraglich. Auch die Besetzung von GZSZ-Schönling Jascha Rust erweist sich als Fehlschlag. Weder nimmt man ihm von der hübschen Frisur bis zum Sixpack den Loser Tom ab noch kann er schauspielerisch irgendwelche Akzente setzen. Zu bemitleiden ist letztlich Roland Schreglmann, der die Verkörperung des „Funny Fat Guy“ namens Dodie spielt, dieser stereotypen Figur aber immerhin eine liebenswerte Facette abringt. Weil den Drehbuchautoren jedoch meist nichts Besseres einfällt, als Dodie zu einem schlechten Stichwortgeber zu degradieren, kann Schreglmann leider nicht mehr als ein paar wenige gelungene Akzente setzen. Wenn man auf die Frage „Warum pisst du gegen mein Auto?“ die Antwort „Weil ich nicht kacken muss“ zu erwidern hat, könnte eben selbst der talentierteste Schauspieler nichts mehr ausrichten.

Einen Grund, sich Verrückt nach Fixi im Zeitalter von prall gefüllten Online-Mediatheken und Streaming-Portalen überhaupt anzusehen, liefert Mike Marzuk auch nach Ablauf der vollen Spielzeit nicht. Nie fühlt man mit den seelenlosen Figuren mit, jede abgedroschene Pointe hat der Zuschauer woanders schon wesentlich besser gesehen, der visuelle Höhepunkt besteht in einer Spritztour knapp unter Werbefilmniveau. Auch Freunden des schlechten Films sei geraten, sich von Verrückt nach Fixi fernzuhalten, weil er in keiner Form – weder als Trash noch volltrunken –  unterhaltsam ist. Angesichts all dieser Verfehlungen kann man sich also durchaus Vergnüglicheres vorstellen als 95 Minuten mit Verrückt nach Fixi zu verschwenden. 

Verrückt nach Fixi
Deutschland 2016
Regie: Mike Marzuk
Drehbuch: Mike Marzuk, Thomas Sieben
Darsteller: Jascha Rust, Lisa Tomaschewsky, Roland Schreglmann
95 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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