Die Suche nach einem sinnstiftenden Leben
Thea Mengelers Roman „Connect“ diskutiert den Wunsch nach Selbstbestimmung und Rückbesinnung im medialen Zeitalter
Von Bozena Badura
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer Gedanke, das eigene Leben selbstbestimmt und sinnerfüllt im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen zu führen, ist für Viele eine erstrebenswerte, aber utopische Vorstellung. Womöglich taucht dieser Wunsch nur flüchtig und für wenige Sekunden auf, um alsbald von der Erinnerung an Verpflichtungen, an die errungene Bequemlichkeit oder an fehlende Akzeptanz des eigenen Umfelds vertrieben zu werden. Es ist keine leichte Entscheidung, das bisherige Leben hinter sich zu lassen, und nicht immer erweisen sich die Orte, die uns eine solche freie Existenz versprechen, als makellos.
Den Anspruch, das Leben nach den eigenen Vorstellungen in einer geistigen Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu gestalten, lotet Thea Mengelers Roman Connect aus. Die Autorin hat literarisches Schreiben in Hildesheim studiert und war mit einem Auszug aus dem noch unfertigen Roman bereits Finalistin beim 28. open mike 2020. Als freiberufliche Texterin besitzt sie ein Verständnis für die Macht der Werbesprache, was der Arbeit am eigenen Roman sicherlich zugutekam. Besonders auffällig – und als ein Metakommentar zum Inhalt des Romans aufzugreifen – ist auch das Cover des Buches, an dessen Gestaltung die Autorin mitgewirkt hat. Ein Kreis, der sich aus glitzernden Punkten unterschiedlicher Größe zusammensetzt und über die Vorder- und Rückseite des Covers verteilt ist, symbolisiert eine Sehnsucht nach der Verbundenheit: Denn die meisten Menschen streben – trotz ihrer Individualität – nach einer Gemeinschaft. Der Titel des Buches, ebenfalls aus losen Buchstaben zusammengesetzt, verstärkt diese Botschaft.
In Connect scheint die 28-jährige Protagonistin Ava, eine erfolgreiche Designerin in einer Werbeagentur, auf den ersten Blick ein erfülltes Leben zu führen: nette Arbeitskolleginnen und -kollegen, ein Chef, der fast der beste Kumpel ist, Partys und interessante Freizeitaktivitäten. Doch unter der Oberfläche brodelt es in ihr. Der Druck, den sie verspürt, nach außen hin ein perfektes Leben präsentieren zu müssen, lässt sie innerlich immer weiter vereinsamen. Von Ängsten und depressiven Stimmungen geplagt, auf der Suche nach Erfüllung und Gemeinschaft, gelangt sie zu der spirituellen Gruppierung CONNECT: Von ihrer ehemaligen Schulfreundin wird sie zu einer Yoga-Stunde anderer Art mitgenommen. Im Zentrum steht nicht die sportliche Betätigung, sondern die Wiederentdeckung des wahren Ichs und der körperlichen – in Gegensatz zu der digitalen – Nähe zu anderen Menschen. Ava taucht immer tiefer in die Gemeinschaft von CONNECT ein und beginnt ein Leben im Einklang mit der Natur, abseits der modernen und insbesondere der medialen Welt. An der Spitze von CONNECT steht der charismatische Dave, der Ava und die anderen Mitglieder der Gruppierung mit seiner Lebensphilosophie und seinen „Wahrheiten“ in den Bann zieht.
Die Figuren des Romans lassen sich in zwei Lager aufteilen: die Anhängerinnen und Anhänger der CONNECT-Gruppierung und Avas bisheriges, weitgehend von Medien geprägtes Umfeld. Beide stehen in Opposition zueinander und bilden den Konflikt des Romans. Die Handlung folgt der gängigen Dramaturgie in drei Akten und wird chronologisch erzählt. Die personale Erzählsituation erlaubt den Lesenden, nicht nur Avas Ängste und Wünsche nachzuvollziehen, sondern vor allem eine emotionale Bindung zur Hauptfigur aufzubauen. Die meisten Menschen nehmen gegenüber Sekten oder ähnlichen geistigen Gruppierungen eine Abwehrhaltung ein. Dies wird bei der Lektüre von Connect jedoch durch die gewählte Erzählperspektive erschwert, was in Konsequenz einen differenzierten Blick auf das zentrale Thema ermöglicht. Betrachtet man die sprachliche Gestaltung des Romans, gelangt man schnell zu der Einsicht, dass sie in den Hintergrund gedrängt wird und vor allem dazu dient, die Handlung zu transportieren, was jedoch keineswegs als Nachteil zu werten ist.
Das Schreiben eines Romans, dessen Handlung in der Gegenwart angesiedelt ist, bedarf einer scharfen Beobachtungsgabe und der Fähigkeit, wiederkehrende Muster zu erkennen, insbesondere, da die Gegenwart im ständigen Wandel begriffen ist. Dennoch ist es der Autorin gelungen, die aktuelle gesellschaftliche Stimmungslage einzufangen, die nach alternativen Lebensentwürfen sucht. So ist ein lesenswertes Werk entstanden. Denn in Connect geht es nicht nur um geschlossene Gemeinschaften und Sekten, sondern auch um die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion unseres eigenen Lebensentwurfs und des Einflusses sozialer Netzwerke. Der Roman regt dazu an, die eigenen Lebensentscheidungen zu hinterfragen. Die Autorin versteht es zudem meisterhaft, die Ambivalenz und Anziehungskraft von Gemeinschaften wie CONNECT zu schildern und die Leserschaft mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt zu nehmen, in der die Grenze zwischen dem Anspruch, das Leben nach eigenen Vorstellungen in einer geistigen Gemeinschaft zu gestalten und dem Annehmen der Besonderheiten sektenartiger Gepflogenheiten verschwimmt. Dabei lässt sie genug Raum für eine kritische Reflexion und zeigt, dass auch in scheinbar idyllischen Gemeinschaften nicht alles Gold ist, was glänzt.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen
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