Zeichen und Wundern
Stefan Kämpfen zeigt in dem Bildband „Signs, Signs, Signs. Eine Weltreise durch das Schilder-Universum“ seine Schilder-Funde aus aller Welt
Von Thomas Merklinger
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseUm Menschen auf besondere Umstände, Gefahren oder Gepflogenheiten aufmerksam zu machen, bieten sich Schilder an. Pointiert, mit Piktogramm, mehrsprachig oder auch auf witzige Weise adressieren sie, was an einem bestimmten Ort mitzuteilen wäre, aber nicht allen Vorüberkommenden persönlich gesagt werden kann. Hinweisschilder gibt es überall. Und doch sind sie gerade dort zu finden, wo unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen. Landestypische Bräuche werden bezeichnet, Rücksichten eingefordert, Informationen weitergegeben – mitunter kommt es dabei zu Misskommunikation und launigen Divergenzen von Botschaft und Kontext. Manchmal können sich auch kleine Gedankenspiele entwickeln, welche Vorfälle zu bestimmten Hinweisen geführt haben mögen. Derartige Bilder, wie man sie etwa aus dem Internet kennt, besitzen daher auch einen gewissen Unterhaltungswert.
Der reisebegeisterte Schweizer Zeitungsredakteur Stefan Kämpfen gibt mit Signs, Signs, Signs. Eine Weltreise durch das Schilder-Universum einen Einblick in die eigene Fotosammlung. Als Romanautor und Reisejournalist ist seine Passion bereits zu Tage getreten. Neben Erfahrungen und Anekdoten bringt er inzwischen auch Bilder absonderlicher Schilder von seinen Reisen in nunmehr über 60 Länder mit. Was 2004 mit dem Foto des schilderumrahmten Zugangs einer Hängebrücke in Ecuador begonnen hat (man kann es über dem Vorwort sehen), ist zu einer veritablen Sammlung angewachsen. Die 242 kuriosesten Bilder hat er nun, mit kleinen Kommentaren versehen, zu einem Buch zusammengestellt.
In fernen Ländern gibt es manchmal Warnschilder mit exotischen Tier-Piktogrammen, die auf die landestypische Fauna hinweisen sollen, um zu verhindern, dass sie einem vor das Auto läuft. Auch Kämpfen findet sie, unter anderem von Kurzschnabeligeln und Meeresschildkröten, die – je nach Weltgegend – als denkbare Gefahrenquellen im Straßenverkehr gelten. Anderswo hingegen geht die Gefahr von Betrunkenen aus, die (in typisierter Manier gezeichnet auf allen Vieren mit einer Bierflasche in der Hand) womöglich die andere Straßenseite aufsuchen wollen. In Kuala Lumpur wiederum sind es Handtaschendiebe, vor denen man sich hüten müsse. Ob sie aber auch vors Auto springen können, bleibt bei dem gewählten Bildausschnitt unklar.
In vielen Fällen geht es um Grundbedürfnisse: Restaurants künden bereits im Namen von ihrem guten Essen oder weisen mit Vorher-Nachher-Bildern darauf hin, dass man selbst wohlgenährt mit Bäuchlein oder gar in einem Schubkarren den Speisesaal verlassen wird. Andere setzen auf maximale Transparenz, indem man falsche Erwartungen gar nicht erst aufkommen lässt: „No! lousy food / No! Warm beer“. Was für ein Versprechen das „GoodLuck“ Restaurant in Thailand hingegen offeriert, muss man wohl selbst herausfinden – wenn man sich traut.
Insbesondere Toiletten scheinen international ein beliebtes Sujet für Hinweisschilder zu sein. Mit aussagekräftigen Symbolbildern wird an entsprechenden Orten daran erinnert, wie man sich zu verhalten, beziehungsweise wie man sich eben nicht zu verhalten habe. Offenbar stellen die expliziten Benutzungsanleitungen aber eine Reaktion auf vergangene Erfahrungen dar. Im besten Falle kann man von kulturellen Differenzen ausgehen. Auf manche Bilder mag man eher mit einer verwundert hochgezogenen Augenbraue reagieren. Es scheint wohl klar, was zu den sehr deutlichen Piktogrammen geführt hat, die das öffentliche Urinieren und Defäkieren an einem Ort, der wie der Außenbereich eines Restaurants aussieht, verbieten. Die Botschaft ist eindeutig, und doch hätte man noch so viele Fragen.
Gleichfalls fragend nimmt man wahr, warum es an einem Strand der Dominikanischen Republik ausdrücklich untersagt ist, Wintersport zu betreiben. Möchte man sich der Ski-Touristen auch im Falle eines spontanen Schneeeinbruchs erwehren? Zeichen und Wundern: Hinter diesen und anderen Hinweisen steckt offenbar eine Geschichte, denn irgendwer muss sich bemüßigt gefühlt haben, die jeweils abgebildete Botschaft anzubringen. So verweisen die Schilder nicht nur auf verbotenes Verhalten, sondern auch auf ein Motiv. Weil dieses aber unbekannt ist, lässt sich darüber trefflich spekulieren. Den Reiz des Bildbands macht daher unter anderem aus, eigene Kontexte zu imaginieren.
Eine besondere Kategorie von Hinweisschildern bilden jene, die selbstironisch, selbstreferenziell oder gar selbstkontradiktorisch sind. Kämpfen findet auch hier Beispiele, etwa auf Hawaii, wo sich ein billiger Rotwein auf seinem Etikett selbst billiger Rotwein nennt („Cheap Red Wine“). Und einen schönen Selbstwiderspruch kann man an einem Rohrpfosten sehen, an dem zwei Schilder den gleichen Weg direkt untereinander einmal zum Fußweg erklären und ihn andererseits für Fußgänger als verboten ausweisen.
Es ließen sich noch weitere Bilderfunde aus aller Welt anführen. So gibt es doch für (fast) alles ein Hinweisschild, selbst für die mögliche Anwesenheit von Geckos auf einem geckofarbenen Kellerboden. Aber wie für alle Bildbände gilt zuletzt auch hier: Die Beschreibung ist nicht so eindrücklich wie das Bild, man muss es schon selbst gesehen haben.
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