Mörderische Ehekrise

Horst Sczerbas „Die vermisste Frau“

Von Jan-Arne MentkenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan-Arne Mentken

Eine Frau schreibt einen Abschiedsbrief, möchte sich erschießen, traut sich aber nicht. Sie betrinkt sich, will sich anschließend in dem Grundstück nahen See ertränken, doch ihr fehlt erneut der Mut. Wenig später wird sie – noch völlig durchnässt – von einem Mann im Auto mitgenommen, der sich als Auftragskiller mit plötzlichem Sinneswandel entpuppt und der Frau hilft, statt sie zu ermorden. Es stellt sich heraus, dass das Ehepaar Karen (Corinna Harfouch) und Georg (Jörg Hartmann) Lebensversicherungen abgeschlossen hat und Frau und Mann nun auf unterschiedliche Weisen versuchen, diese ausgezahlt zu bekommen. Als Karen erfährt, dass ihr Helfer eigentlich ein von ihrem Mann beauftragter Mörder ist, dreht sie den Spieß um und plant ihre Rache.

So skurril, wie das klingt, ist es auch. Eine Frau möchte sich aus Liebe selbst umbringen, um ihren Mann finanziell zu entlasten. Ein Mann, dem der nötige Grips für das doppelte Spielchen fehlt, gibt vor, um seine vermeintlich tote, doch tatsächlich noch quicklebendige Frau zu trauern, und versucht gleichzeitig, sie zu töten. Das ist nicht immer so ganz nachvollziehbar und grenzt mehr als einmal ans Absurde. Auch wenn man diese Absurdität akzeptiert, bleibt der Film trotz (oder gerade wegen) des konfusen Hin und Hers ohne große Überraschungen oder Aha-Effekte. Die einzige Spannung bleibt zu beobachten, wie die renommierten Schauspieler gegen das schwache Drehbuch anspielen.

Die Schauspieler werden ihren großen Namen gerecht und holen das Mögliche aus ihren Figuren heraus. Corinna Harfouch – 2015 beim Festival des Deutschen Films mit dem Preis für Schauspielkunst ausgezeichnet – entwickelt sich als Karen während des Films von der feigen und devoten Ehefrau zur eiskalten Rächerin. Lediglich ihrer Präsenz ist es zu verdanken, dass diese Wandlung authentisch wirkt. Der Ehemann Georg begibt sich mehrfach in Situationen, die seine manipulativen und geistigen Fähigkeiten bei weitem übersteigen. Und so darf Jörg Hartmann, der in einer seiner bekanntesten Rollen den zynischen Tatort-Kommissar Peter Faber verkörpert, diesmal eine ganz andere Figur spielen, was ihm jedoch keine sichtbar große Leistung abverlangt. Als wohl interessantester Charakter erscheint der Profikiller, gespielt von Ulrich Matthes – eine Rolle, die stellenweise an den zwei Jahre zuvor beim Festival des Deutschen Films gezeigten Tatort: Im Schmerz geboren erinnert. Doch hier tritt Ulrich Matthes nicht als eiskalter Rächer auf, sondern die Figur des Auftragskillers hat durchaus einen moralischen Kompass und unterstützt Karens Racheaktion. Bis zuletzt bleibt der Charakter undurchsichtig und sorgt dadurch immer wieder für kurzzeitige Spannungsmomente.

Es passiert so viel in den 90 Minuten, dass die gesamte Handlung auch Stoff für eine Mini-Serie oder einen Mehrteiler hätten liefern können. Zum Glück haben sich die Macher jedoch dagegen entschieden. Es ist nur schwer möglich, sich in die absurde Ausgangssituation hineinzudenken und die Handlungen der Figuren nachzuvollziehen. Dem Film fehlen zudem das richtige Timing und passende Pointen. So bleibt Die vermisste Frau ein konfuser Film, in dem man lange Zeit auf clevere Wendungen wartet. Wenn diese dann eintreten, können sie dennoch nicht überzeugen, weil verschiedene Figuren plötzlich aus ihren Rollen fallen und das Ganze dadurch zu konstruiert wirkt.

Die vermisste Frau
Deutschland 2015
Regie & Drehbuch: Horst Sczerba
Darsteller: Corinna Harfouch, Jörg Hartmann, Ulrich Matthes
Länge: 90 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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