Der Friedensfürst

Jesaja unter Hiskia

Der Friedensfürst

(Jesaja IX)

(II 1) Das Volk, das im Finstern wandelt, schaut ein großes Licht; die da wohnen im dunklen Land, Licht strahlt über ihnen auf.

Laut machst du den Jubel, die Freude groß;
sie freun sich vor dir wie zur Zeit der Ernte,
wie man jubelt, wenn man Beute verteilt.

Denn das Joch das sie drückt, den Stock ihres Treibers
zerbrichst du wie am Tage Midians[1];

und jeder dröhnende Stiefel, jeder Mantel blutbefleckt
wird verbrannt und der Flamme Raub.

Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns beschert,
und die Herrschaft kam auf seine Schulter.
Man nennt ihn: Wunderrat Gottheld Beutevater[2] Friedensfürst.

Groß wird die Herrschaft und der Friede ohn Ende
über Dawids Thron und Königreich;
er festigt und stützt es durch gerechtes Gericht
von nun an bis in Ewigkeit.

XI Ein Reis schlägt aus aus dem Stumpfe Isais,
Ein Schoß aus seiner Wurzel sprießt hervor;

drauf läßt sich nieder der Geist Jahwes,
der Geist der Weisheit und des Verstandes,
der Geist des Rats und der Kraft,
der Geist der Erkenntnis und der Furcht Jahwes.

Er richtet nicht nach Augenschein
und urteilt nicht nach Hörensagen.

Nein, gerechtes Urteil spricht er dem Schwachen,
schafft Recht nach Billigkeit dem Armen im Lande.

Gerechtigkeit ist der Gurt seiner Hüften,
Treue der Gurt seiner Lenden.

Er schlägt den Wüterich mit dem Stock des Mundes,
mit dem Hauch seiner Lippen tötet er den Frevler.

Da ist zu Gast der Wolf bei dem Lamm,
der Leopard lagert bei dem Böckchen;
Rind und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe hütet sie;

Stroh frißt der Löwe wie das Rind,

am Loch der Otter spielt der Säugling,
und nach dem Feueraug des Basilisken,
streckt ein Entwöhnter aus sein Händchen.[3]

Erklärungen

[1] Richter VI.VIII.

[2] Oder Ewig-Vater.

[3] Ich sehe keinen Grund, die Stücke IX 1-6 und XI 1-8 messianisch, d. h. auf den Herrscher der seligen Endzeit (siehe Namen- und Sacherklärungen!), zu deuten und etwa deswegen Jesaja abzusprechen. In ihnen wird lediglich die Geburt eines Thronfolgers begrüßt und der Zuversicht Ausdruck gegeben, daß er das Joch (Assurs), das z. Zt. Juda drückt, zerbrechen und hierdurch sowie durch gerechtes Gericht den Thron Dawids neu festigen (IX), ferner dem gewalttätigen Treiben der Mächtigen im Lande so tatkräftig entgegentreten wird, daß auch der Schwächste seines Lebens sicher ist (XI). Ich beziehe beide Stücke auf die Geburt Hiskias und vermute, daß dieser beim Tode seines Vaters Ahas nicht 25 (diese Angabe von 2. Könige XVIII 2 ist unvereinbar mit XVI 2, wonach Ahas bei seinem Tode 36 Jahre alt war), sondern 5 Jahre alt war, also bald nach den Ereignissen geboren ist, auf die sich Jesaja VII und VIII beziehen. Zu dem bei solchen Gelegenheiten üblichen dithyrambischen Stil vgl. die Thronbesteigungspsalmen II und CX! Vielleicht bestand damals außer der Bedrohung durch Assur und inneren Umsturz noch ein besonderer Anlaß, die Geburt des Thronfolgers zu begrüßen und für ihn Stimmung zu machen: die Gefahr des Erlöschens der dawidischen Dynastie (XI 1).