Immanuel

Immanuel

(Jesaja VII 10) Weiter sprach ich zu Ahas: (11) „Erbitte dir ein Zeichen von deinem Gott Jahwe tief unten aus der Unterwelt oder droben aus der Höhe!“ (12) Ahas erwiderte: „Ich will nicht darum bitten, um Jahwe nicht zu versuchen!“[1] (13) Da sprach ich: „Hört doch, ihr vom Hause Dawid! Ists euch nicht genug, Menschen zu reizen, daß ihr auch meinen Gott reizt? (14) Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Eine junge Frau[2], die schwanger ist, wird einen Sohn gebären und ihn Immanuel nennen.[3] (16) Denn eh der Knabe lernt, Schädliches zu verwerfen und Gutes zu wählen, wird verödet sein das Land, vor dessen beiden Königen dir graut.“

Erklärungen

[1] Ahas hält nicht viel von der in Vers 9 empfohlenen Neutralität; er ist schon entschlossen, sich in die Schirmherrschaft des Königs von Assur zu begeben, und will sich nicht durch ein Wunder die Hände binden lassen. Vgl. 2. Könige XVI 7-9!

[2] Septuaginta, Matthäus I 23, Vulgata und Luther: „Jungfrau“. Aber wenn Jesaja das hätte betonen wollen, hätte er ein andres Wort wählen müssen. Matthäus I 23 und ihm folgend die christlichen Kirchen begründen mit diesem Verse ihren Glauben an die jungfräuliche Geburt Jesu, obwohl aus Vers 16 deutlich hervorgeht, daß es sich hier um einen Knaben handelt, dessen Geburt vor der in 2. Könige XVI 9 XV 29 berichteten Entvölkerung Arams und Israels, also vor dem Jahre 732 v. Chr., erwartet wird. Vers 14 bedeutet vielmehr, daß irgend eine junge Frau, die in den nächsten Monaten einen Sohn gebiert, diesen Immanuel, d. i. Gott-mit-uns, nennen wird, weil dann die Bedrohung Jerusalems durch Aram und Israel verschwunden sein wird.

[3] Der von mir ausgelassene Vers 15 lautet: „Dickmilch und Honig wird er essen um die Zeit (oder: bis zu der Zeit) wo er weiß Schädliches zu verschmähen und Gutes zu wählen.“ Dies ist wohl eine in den Text gedrungene Randbemerkung eines späteren Lesers, der sagen wollte, daß in der ersten Zeit nach der Geburt des Knaben das Land noch so verwüstet sein wird, daß Korn Öl und Wein fehlen und nur Milch (von Ziegen und Schafen) und Honig (von wilden Bienen) da sind. Ähnlich berichtet die griechische Sage, daß den vor seinem Vater in eine Bergwildnis geretteten kleinen Zeus die Bienen mit ihrem Honig und die Ziege Amaltheia mit ihrer Milch ernährten Der Versuch, mit Hilfe dieser Parallele dem Immanuel die Bedeutung eines göttlichen Kindes, des Retters der Endzeit, des Messias zu geben, erscheint mir allzu gewaltsam.

Israel und Juda. Sage und Geschichte, Weisheit und Hoffnung eines Volkes in Selbstzeugnissen. Hg. u. kommentiert von August Möhle (seit 2017 auch als E-Book)