Worte Jeremias Hilkiassohns

Worte Jeremias Hilkiassohns[1]

Eines der Priester zu Anatot[2] im Lande Benjamin

Erklärungen

[1] Über die Entstehung des Jeremiabuches finden wir in XXXVI die Angaben, daß Jeremia im 4. Jahre Jojakims (605) durch seinen Schreiber Baruch die an ihn seit dem 13. Jahre Josias (628) ergangenen Worte Jahwes auf eine Buchrolle habe schreiben und nach Verbrennung dieser durch den König eine neue, um viele gleichartige Stücke vermehrte Niederschrift, ebenfalls durch Baruch, habe anfertigen lassen. Unser heutiges Jeremiabuch enthält aber wesentlich mehr als Worte Jeremias. Es finden sich vom Anfang der Regierung Jojakims an umfangreiche Stücke mit Erzählungen aus dem Leben Jeremias. Diese Stücke zeigen eine so genaue Kenntnis der Erlebnisse Taten und Gedanken Jeremias, daß sie von einem dem Profeten sehr nahestehenden Manne verfaßt sein müssen. Man nimmt meist an, daß dies Baruch gewesen sei. Eine besondere Gruppe bilden XLVI-LI mit ihren Weissagungen gegen fremde Völker; ihre Herkunft von Jeremia ist sehr bestritten. Das Schlußkapitel LII ist fast wörtlich aus 2. Könige XXIV – XXV 21 übernommen. Fraglich ist, ob bzw. wieweit die in Prosa verfaßten, meist recht eintönigen Bußpredigten und Mahnreden, die sich über die ersten 45 Kapitel verstreut finden, von Jeremia stammen. Zusammen mit XLVI-LII und sonstigen Zusätzen machen sie fast zwei Drittel des Jeremiabuches aus. Ich habe mich bei meiner Auswahl im allgemeinen auf die zweifellos echten, durch ihre gebundene Form und lyrische Eigenart sich abhebenden Sprüche Jeremias und auf die „Baruch“erzählungen beschränkt. Aus ihnen ergibt sich folgendes Bild des Profeten: „Rücksichtslos zerschlug er die Illusionen des populären Glaubens (daß Jerusalem als Sitz Jahwes uneinnehmbar sei), mit zornigem Hohne entlarvte er die auf Stellung gelieferten […] Heilsweissagungen seiner profetischen Standesgenossen. Den Gegensatz gegen sie trieb er so weit, daß er die Regel aufstellte, die wahren Profeten seien von jeher immer nur Unglücksprofeten gewesen; im Kampfe gegen den patriotischen Fanatismus scheute er sich nicht, den Schein des Landesverrats auf sich zu nehmen. So eisenhart er aber den Königen und Großen, den Priestern und Profeten und der Menge im Namen Jahwes Trotz bot, so tief und warm empfand er doch mit seinem Volke. Das Herz […] brach ihm fast bei dem Anblick der ihm immer vor den Augen stehenden Einöde, in die das blühende Land bald verwandelt werden sollte. […] Er litt bis zur Verzweiflung unter der nicht bloß geistigen Vereinsamung, welche die Erkenntnis der Wahrheit für ihn zum Gefolge hatte; er fluchte seiner Geburt, weil ihn die Gemeinschaft mit Jahwe von jeder anderen Gemeinschaft ausschloß. Sein inneres Leben war ein steter Seelenkampf, eine stetige Überwindung […] seiner menschlichen Wünsche und Sympathien durch Jahwe. Gern hätte er ihm zu Zeiten seinen Beruf vor die Füße geworfen, aber immer ließ er sich wieder von unwiderstehlichem Drange verlocken; wenn Jahwes Worte sich fanden, so verschlang er sie und sie schienen ihm Freude und Wonne des Herzens. […] Mochte der Inhalt der Worte Jahwes, die er zu verkünden hatte, ihm Hohn und Verfolgung zuziehen – die Tatsache, daß Jahwe zu ihm sprach, hielt ihn aufrecht und erquickte ihn; daß er um seinetwillen litt, war ihm Trost. […] Unter Schmerzen und Wehen entstand in ihm die Gewißheit seiner persönlichen Gemeinschaft mit der Gottheit, das tiefste Wesen der Frömmigkeit wurde bei ihm entbunden. […] Sein Buch enthält nicht bloß seine Reden und Weissagungen, sondern mitunter auch Konfessionen über seine Leiden und Anfechtungen und über seine verzweifelten Kämpfe, in denen er sich zwar keineswegs zur Ruhe und Seligkeit durchrang, wohl aber zum Bewußtsein des Sieges in der Niederlage. […] Was ihn bewegte und was ihn hielt, hat auch die edelsten Geister des Judentums bewegt und gehalten: das Leiden des Gerechten, das Wirken der Kraft Gottes in den Gebeugten und Verachteten.“ (Wellhausen)

[2] Anderthalb Stunden nördlich von Jerusalem.

Israel und Juda. Sage und Geschichte, Weisheit und Hoffnung eines Volkes in Selbstzeugnissen. Hg. u. kommentiert von August Möhle (seit 2017 auch als E-Book)