Nebukadnezars Traum vom Untergang der vier Weltreiche und vom Gottesreich

Nebukadnezars Traum vom Untergang der vier Weltreiche und vom Gottesreich

(Daniel II 1) Einst hatte Nebukadnezar einen Traum, der ihn beunruhigte und ihm den Schlaf raubte. (2) Da ließ der König die Zeichendeuter Wahrsager Beschwörer und Chaldäer[1] rufen, damit sie ihm sagten was er geträumt habe. Als sie gekommen und vor den König getreten waren, (3) sprach er zu ihnen: „Ich habe einen Traum gehabt und bin nun beunruhigt, weil ich nicht weiß was er bedeutet.“ (4) Da antworteten die Chaldäer: „Der König lebe ewig! Erzähl deinen Knechten den Traum! so wollen wir sagen was er bedeutet.“ (5) Doch der König erwiderte: „Mein Wort ist unwiderruflich: Wenn ihr mir den Traum und seine Deutung nicht sagen könnt, so laß ich euch in Stücke hauen und eure Häuser in Misthaufen verwandeln.“ (10) Die Chaldäer antworteten: „Es gibt keinen Menschen auf Erden der kundtun könnte was der König verlangt. (11) Das können nur die Götter; aber die wohnen ja nicht bei den sterblichen Menschen.“ (12)

(13) Man suchte auch nach Daniel und seinen Freunden, um sie zu töten. (18) Die aber flehten den Himmelsgott um Erbarmen an. (19) Da wurde dem Daniel das Geheimnis in einem Nachtgesicht offenbart. (24-27) Sofort ging Daniel zum Könige und sagte: „Das Geheimnis das der König zu wissen verlangt können weder Weise noch Wahrsager noch Zeichendeuter noch Sternkundige dem Könige kundtun; (28) aber es ist ein Gott im Himmel der Geheimnisse offenbart, der hat dem Könige kundgetan was am Ende der Tage geschehn wird. (30) Und mir ist das Geheimnis offenbart worden, nicht durch eine Weisheit die ich vor allen Lebenden voraushätte, sondern damit dem Könige die Deutung kund würde.

(31) Du König hattest ein Gesicht: ein überaus großes und glänzendes Bild stand vor dir, furchtbar anzusehn. (32) Sein Kopf war von gediegenem Golde, Brust und Arme von Silber, Bauch und Hüften von Erz, (33) die Schenkel von Eisen, die Füße teils von Eisen teils von Ton. (34) Du betrachtetest es, bis sich ein Stein vom Berge löste, nicht durch Menschenhand, auf die eisernen und tönernen Füße des Bildes schlug und sie zerschmetterte. (35) Im Nu waren Eisen Ton Erz Silber und Gold zerstoben wie Spreu von der Tenne im Sommer; der Wind trug sie fort, keine Spur war mehr zu finden. Der Stein aber, der das Bild zerschmettert hatte, wurde zu einem großen Berge und füllte die ganze Erde.

(36) Dies war der Traum; nun wollen wir dem König die Deutung sagen: (37) Du König, ein König der Könige, dem der Gott des Himmels Herrschaft Macht und Ehre verliehen (38) du bist das goldene Haupt. (39) Nach dir wird ein andres Reich aufkommen, geringer als das deine, und dann ein drittes, ehernes, das über die ganze Erde herrschen wird, (40) und endlich ein viertes, stark wie Eisen; wie das Eisen alles zermalmt und zerschmettert, so wird dies Reich alle andern zermalmen und zerschmettern. (41) Daß seine Füße und Zehen teils von Ton teils von eisen waren, bedeutet: (42) das Reich wird teils stark teils zerbrechlich sein.[2] (44) In den Tagen jener Könige aber wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten das ewig unzerstört bleibt[3], und die Herrschaft wird auf kein andres Volk übergehn; es wird all diese Reiche zermalmen, selbst aber ewig dauern. (45) Ein großer Gott hat dem König kundgetan was künftig geschehn wird. Der Traum ist wahr, und zuverlässig seine Deutung.“

(46) Da fiel König Nebukadnezar nieder auf sein Gesicht, betete Daniel an und befahl, ihm Opfer und Weihrauchspenden zu bringen. (47) Dann sprach er zu ihm: „Wahrlich, euer Gott ist der Gott der Götter, der Herr der Könige und der Offenbarer der Geheimnisse.“ (48) Und der König erhöhte Daniel: er gab ihm viele wertvolle Geschenke und machte ihn zum Stadthalter der Provinz Babel und zum Obersten aller Weisen Babels. (49) Auf Daniels Bitte aber übertrug er die Verwaltungsgeschäfte der Provinz Babel dem Sadrach Mesach und Abed-Nego, während Daniel am Hofe des Königs blieb.

Erklärungen

[1] Babylonier (vgl. Nahum III 1!); später (so hier): Sterndeuter, da Babylonien die Heimat der Astrologie war.

[2] Die vier Reiche sind: das babylonische, das medische (nach der falschen Ansicht des Verfassers), das persische und das makedonisch-seleukidische; die Schwäche des letzten besteht in der Vermischung der Makedonen (Griechen) damit den Orientalen. Ebenso in VII, wo die vier Weltreiche unter dem Bilde eines Löwen Bären Panthers und eines fantastischen vierten Tieres erscheinen. Als die Weissagung nicht in Erfüllung gegangen war, wurden die vier Metalle bzw. Tiere auf das babylonische persische makedonische und römische Reich gedeutet; vgl. Offenbarung des Johannes XIII!

[3] Das Reich der Heiligen des Höchsten (VII 27), d. h. der ihrem Gotte trotz der Verfolgung treu geblieben Juden.