Susanna

Susanna

(Daniel XIII 1) In Babel lebte ein Mann namens Jojakim. (2) Seine Frau hieß Susanna, die war schön und gottesfürchtig; (3) ihre Eltern hatten sie nach dem Gesetz Moses erzogen. (4) Jojakim war sehr reich und besaß neben seinem Hause einen Park. (5) Nun waren in jenem Jahre zwei Älteste zu Richtern ernannt, (6) die hielten sich täglich im Hause Jojakims auf; und alle, die einen Rechtsstreit hatten, kamen zu ihnen. (7) Wenn das Volk um die Mittagszeit wieder fort war, pflegte Susanna sich im Park ihres Mannes zu ergehn. (8) Da nun die beiden Ältesten sie täglich dort sahen, (10) waren sie bald von heftiger Begierde nach ihr entbrannt, (11) schämten sich aber, einander ihr unkeusches Gelüst zu gestehn.

(13) Eines Mittags hatten sie sich mit den Worten: „Laß uns nach Hause gehen! es ist Zeit zum Essen“ von einander getrennt, (14) waren dann aber umgekehrt und an derselben Stelle wieder zusammengetroffen. Als nun einer den andern fragte, weshalb er umgekehrt sei, gestanden sie einander ihre Leidenschaft. (16) Und sie versteckten sich im Park, um Susanna aufzulauern. (15) Bald kam diese, von zwei Mägden begleitet, aus dem Hause; und da es sehr heiß war und sie zu baden wünschte, (17) befahl sie den Mägden, ihr Öl und Seife zu holen und die Parktüren zu schließen. (18) Die taten wie befohlen, schlossen die Parktüren und gingen ins Haus, das Verlangte zu holen. (19) Da erhoben sich die beiden Ältesten, liefen auf sie zu und sagten: (20) „Die Parktüren sind geschlossen, niemand sieht uns, wir sind von Liebe zu dir entbrannt; drum sei uns zu Willen und leg dich zu uns! (21) Wo nicht, so werden wir gegen dich aussagen daß ein junger Mann bei dir war und du deshalb die Mägde weggeschickt hast.“

(22) Da seufzte Susanne: „Ich sehe keinen Ausweg. Tu ichs, so ists mein Tod; tu ichs nicht, so kann ich euren Händen nicht entgehn. (23) Aber besser ists es nicht zu tun und in eure Hand zu fallen als gegen Gott mich zu versündigen.“ (24) Darauf erhob sie ein lautes Geschrei. Aber auch die beiden Ältesten schrien; (25) und einer lief hin und öffnete die Türen des Parks. (26) Auf das Geschrei kamen die Diener aus dem Hause herausgesprungen, um zu sehn was Susanna widerfahren sei. (27) Als dann die Ältesten ihre Geschichte erzählten, waren die Diener sehr betroffen; denn so etwas hatte noch nie einer Susanna nachgesagt.

(28) Als sich am nächsten Tag das Volk wieder bei ihrem Manne versammelte, erschienen auch die beiden Ältesten in der Absicht sie ums Leben zu bringen. (29) Sie befahlen: „Laßt Susanna, die Frau Jojakims, kommen!“ Man holte sie herbei; (30) sie kam mit ihren Eltern Kindern und Verwandten. (32) Da befahlen diese ruchlosen Menschen, sie solle den Schleier abnehmen; denn sie wollten sich an ihrer Schönheit weiden. (33) Ihre Angehörigen und alle, die sie sahen, brachen in Tränen aus. (35) Susanna aber schaute weinend zum Himmel empor; denn sie vertraute auf den Herrn. (34) Jetzt erhoben sich die Ältesten inmitten des Volkes, legten ihre Hände auf Susannas Haupt (36) und sagten aus: „Als wir beide uns im Park ergingen, kam diese mit zwei Mägden herein, ließ die Türen schließen und schickte die Mägde fort. (37) Da kam ein junger Mann, der sich versteckt hatte, und legte sich zu ihr. (38) Als wir von einem Winkel des Gartens aus diese Schande sahen, liefen wir hin und überraschten sie auf frischer Tat. (39) Des jungen Mannes konnten wir nicht habhaft werden: er war stärker als wir; und so gelang es ihm, eine Tür zu öffnen und zu entspringen. (40) Sie aber ergriffen wir und fragten sie, wer der junge Mann wäre; (41) doch sie wollte es uns nicht sagen. Dies bezeugen wir.“ Die Versammlung schenkte ihnen Glauben, weil sie Älteste und Richter waren, und verurteilte Susanna zum Tode.

(42) Da brach diese in laute Klagen aus und rief: „Ewiger Gott, der du alles Verborgene siehst, (43) du weißt auch daß diese falsches Zeugnis gegen mich abgelegt haben; und nun soll ich unschuldig sterben!“ (44) Und der Herr erhörte ihr Rufen. (45) Denn als sie zur Hinrichtung abgeführt wurde, erweckte Gott den heiligen Geist eines noch sehr jungen Mannes namens Daniel; (46) der rief laut: „Ich bin unschuldig an dem Blute dieser Frau!“ (47) Alle wandten sich zu ihm hin und fragten: „Was willst du damit sagen?“ (48) Er trat in ihre Mitte und sprach: „Seid ihr Söhne Israels denn solche Toren, daß ihr ohne Untersuchung und ohne Beweis eine Tochter Israels verurteilt? (49) Kehrt in den Gerichtssaal zurück! Sie haben falsches Zeugnis abgelegt.“ (50) Da kehrten die Leute schnell wieder um. (51) Und nun sprach Daniel: „Trennt die beiden weit von einander! ich will sie verhören.“ (52) Als das geschehen war, sprach er zu dem einen: „Du alter Sünder, jetzt kommen all deine Sünden über dich, (53) der du Unschuldige verdammtest und Schuldige freisprachst. (54) Wenn du diese Frau wirklich gesehen hast, so sag mir doch, unter was für einem Baum das war!“ Er antwortete: „Unter einem Mastixbaum.“ (55) Daniel erwiderte: „Du hast gegen deinen eignen Kopf gelogen: der Engel Gottes wird dich mittendurch spalten[1].“ (56) Dann ließ er ihn abtreten und den andern herbeiführen und sprach zu ihm: „Du Kanaanit und Nichtjude, die Schönheit hat dich betört und Sinnenlust dein Herz verführt. (57) So habt ihrs schon öfter mit den Töchtern Israels gemacht, und sie sind euch aus Furcht zu Willen gewesen; aber diese Tochter Judas hat sich eurer Ruchlosigkeit nicht gefügt. (58) Sag mir doch, unter was für einem Baum du sie ertappt hast!“ Er antwortete: „Unter einer Steineiche[2].“ (59) Daniel erwiderte: „Du hast gegen deinen eignen Kopf gelogen. Der Engel Gottes wartet schon darauf mit dem Schwert in der Hand, dich mittendurch zu sägen.“ (60) Da brach die ganze Versammlung in laute Rufe aus und pries Gott, den Retter derer die auf ihn hoffen. (61) Und sie erhoben sich gegen die beiden Ältesten und taten ihnen, wie sie in ihrer Bosheit einem andern hatten tun wollen, (62) und töteten sie nach dem Gesetz Moses.[3] (64) Daniel aber stand fortan in hohem Ansehn beim Volke.

Erklärungen

[1] Zwischen „spalten“ und „Mastixbaum“ einerseits und „sägen“ und

[2] „Steineiche“ anderseits bestehn im Urtext Wortspiele, die sich im Deutschen nicht wiedergeben lassen.

[3] 5. Mose XIX 15-21.