Streit zwischen Hyrkan und Aristobul. Eingreifen des Pompejus

DIE JUDEN UNTER RÖMISCHER HERRSCHAFT

(Josefus’ Altertümer XIV – XX, Krieg I 6 – II 14)[1]

Streit zwischen Hyrkan und Aristobul. Eingreifen des Pompejus

(Jos. A. XIV 1) Hyrkan hatte einen Freund namens Antipater, Idumäer von Geburt, reich, tatkräftig und ein Unruhestifter. Der suchte ihm einzureden, sein Leben sei in Gefahr, wenn er nicht Aristobul aus dem Wege räume. Davon wollte aber Hyrkan nichts wissen. Doch als Antipater fortfuhr, Tag für Tag Aristobul zu beschuldigen, daß er ihm nach dem Leben trachte, ließ Hyrkan sich schließlich überreden, zum Araberkönige[2] Aretas nach Petra zu fliehen. (2) Auf Betreiben Antipaters zog dann Aretas mit einem Heere von 50.000 Mann gegen Aristobul, um Hyrkan wieder auf den Thron zu setzen. Aristobul wurde besiegt und mußte, von vielen seiner Anhänger verlassen, nach Jerusalem fliehen, wohin ihm Aretas folgte. Das Volk von Jerusalem schloß sich Hyrkan an und unterstützte ihn bei der Belagerung des Tempelberges, auf den sich Aristobul zurückgezogen hatte; nur die Priester blieben Aristobul treu.

Während dieser nun die Belagerung mit allem Nachdruck betrieb, erschien, von Pompejus geschickt, der in Armenien Krieg führte, der römische Heerführer Skaurus in Damaskus und zog von dort, da er die Stadt schon in römischer Hand fand, sofort nach Judäa weiter. Kaum war er hier angekommen, da erschienen vor ihm Gesandte sowohl Aristobuls als auch Hyrkans mit der Bitte um Hilfe. Beide boten dafür 400 Talente. Skaurus entschied sich für Aristobul, weil dieser der reichere war und es ihm leichter erschien, einen Haufen Flüchtlinge und Araber auseinander zu treiben als eine der festesten Städte zu erobern. Er befahl deshalb dem Aretas abzuziehen, wenn er nicht für einen Feind der Römer erklärt werden wolle. Darauf hob dieser die Belagerung auf.

(3) Inzwischen hatte Pompejus den Krieg in Armenien beendet und Winterquartiere in Syrien bezogen. Sofort erschienen vor ihm Gesandte Hyrkans und Aristobuls. Pompejus beschied die beiden Brüder zu Frühlingsanfang nach Damaskus. Nachdem er hier ihre Klagen angehört und auch den Wunsch des jüdischen Volkes nach Abschaffung des Königtums und Wiederherstellung der alten Priesterherrschaft zur Kenntnis genommen hatte, entließ er sie alle mit dem Bescheid, er wolle in ihr Land kommen und alles ordnen, sobald er von dem Feldzuge gegen die Nabatäer zurück sei; bis dahin sollten sie sich ruhig verhalten. Als Pompejus aber bald danach erfuhr, daß Aristobul die Zugänge nach Jerusalem sperre und das Volk aufwiegle, führte er sein Heer sofort über Jericho gegen ihn. (4) Da kam ihm Aristobul entgegen und versprach ihm Geld zu zahlen und ihn in Jerusalem einzulassen; dann könne er alles in Frieden nach seinem Gutdünken ordnen. Pompejus verzieh ihm und schickte Gabinius mit einer Abteilung Soldaten, um das Geld und die Schlüssel der Stadt in Empfang zu nehmen. Dieser kehrte aber unverrichteter Dinge zurück, weil Aristobuls Krieger mit dessen Abmachung nicht einverstanden waren. Daraufhin ließ Pompejus Aristobul gefangen nehmen und rückte gegen die Stadt.

Erklärungen

[1] Josefus wurde geboren i. J. 37/38 n. Chr. zu Jerusalem. Sein Vater stammte aus angesehenem priesterlichen Geschlecht. Er erhielt eine sorgfältige rabbinische Erziehung. Machte 16-jährig die Schulen der Farisäer Sadducäer und Essener durch. Brachte drei Jahre bei einem Einsiedler in der Wüste zu, um von ihm die letzte Weihe zu empfangen. (Dieser gewann seine Kleidung von den Bäumen, nährte sich von dem was die Natur bot und wusch sich Tag und Nacht häufig, um die Reinheit zu erlangen.) Schloß sich 19-jährig öffentlich den Farisäern an. Wurde Priester. Reiste i. J. 64 nach Rom und erreichte, von einem jüdischen Schauspieler bei der Kaiserin Poppäa eingeführt, durch deren Gunst die Freilassung einiger ihm nahe stehnder Priester, die als Gefangene nach Rom gebracht waren. Schloß sich nach Ausbruch des Jüdisch-römischen Krieges dem Aufstande an und wurde von dessen Leitern mit dem wichtigen Posten des Befehlshabers von Galiläa betraut. Diese Tätigkeit (vgl. dazu Krieg II 20.21 III 4.6-9!) endete damit, daß er nach dem Fall der Festung Jotapata i. J. 67 in die Gefangenschaft der Römer geriet. Vor Vespasian geführt, rettete er sich dadurch, daß er diesem seine künftige Erhebung zum Kaiser weissagte. Daraufhin wurde er von Anfang an mit einer gewissen Schonung behandelt und, als seine Weissagung sich zwei Jahre später erfüllte, freigelassen. Als Freigelassener Vespasiane führte er wie üblich fortan dessen Familiennamen Flavius außer seinem jüdischen Namen Josef. Im Gefolge des Titus, den sein Vater Vespasian mit der Fortsetzung des Krieges beauftragt hatte, erlebte er die Belagerung und Zerstörung Jerusalems. Während der Belagerung musste er die Überläufer verhören und oftmals unter Gefahr seines eigenen Lebens seine aufständischen Volksgenossen zur Übergabe auffordern. Nach Beendigung des Krieges folgte er Titus nach Rom und lebte hier fortan in Genuß  kaiserlicher Gunst seinen schriftstellerischen Neigungen. Verspasian wies ihm eine Wohnung in seinem früheren Palast an, verlieh ihm das römische Bürgerrecht und setzte ihm ein jährliches Gehalt aus; auch schenkte er ihm ein ansehnliches Grundstück in Judäa. Der gleichen Gunst erfreute sich Josefus bei Titus (79-81) und dessen Bruder Domitian (81-96). Sein Todesjahr ist unbekannt, wir wissen nur, daß er König Agrippa II., der i. J. 100 starb, überlebt hat. Von Josefus’ Werken sind folgende vier erhalten:

1) Der „Jüdische Krieg“. Ursprünglich in der Muttersprache des Josefus, also aramäisch, geschrieben, dann mit Hilfe griechischer Mitarbeiter ins Griechische übertragen und vor der Veröffentlichung zuerst dem Vespasian und Titus zur Zensur vorgelegt, enthält dies Werk außer der Darstellung des Krieges eine ausführliche Vorgeschichte, die von Antiochus Epifanes bis zum Ausbruch des Kriegs reicht.

2) Die „Jüdischen Altertümer“. Sie behandeln die jüdische Geschichte von dern Schöpfung der Welt bis zum Ausbruch des Jüdischen Krieges. Abgeschlossen unter Domitian i. J. 93. Josefus’ Hauptgewährsmänner waren in diesen beiden Werken für die Zeit von 135-37 v. Chr. die Geschichtsschreiber Strabon und Nikolaus von Damaskus, für die Zeit Herodes’ d. Gr. Und der Regelung seiner Nachfolge nur Nikolaus v. D. Strabon (etwa 68 v. – 20 n. Chr.) hat außer einer auf uns gekommenen Erdbeschreibung ein großes Geschichtswerk geschrieben, das etwa mit der Begründung der Alleinherrschaft des Augustus geendet haben wird, aber bis auf geringe Bruchstücke verloren gegangen ist. Er war „ein gründlicher Forscher, der mit Umsicht und Kritik die besten Quellen benutzt hat“. Nikolaus v. D., der vertraute Freund und Ratgeber Herodes’ d. Gr., geboren etwa 64 v. Chr. als Sohn einer angesehenen nichtjüdischen Familie in Damaskus, war ein Mann von umfassender Bildung und verfasste eine Weltgeschichte, die bis zum Regierungsantritt des Archelaus reichte. Für die folgende Zeit standen dem Josefus keine derartigen Geschichtswerke zur Verfügung. Was er darüber berichtet, wird größtenteils aus mündlicher Überlieferung stammen und ist zunächst recht dürftig. Erst etwa vom Jahre 40 (Agrippa I.) an gewinnt seine Darstellung durch zeitgenössische Gewährmänner und, etwa vom Jahre 55 ab, in zunehmendem Maße durch eigene Erinnerungen größere Fülle. Von besonderem Wert sind die Urkunden, die Josefus seinen „Altertümern“ einverleibt hat.

3) Die „Selbstbiografie“. Sie handelt fast ausschließlich von Josefus’ Tätigkeit als Befehlshaber von Galiläa i. J. 66/67 vor dem Zusammenstoß mit den Römern. Sie wurde nach d. J. 100 geschrieben, um der Darstellung des Jüdischen Krieges durch Justus von Tiberias entgegenzutreten, der wie Josefus wohl mehr gezwungen als freiwillig sich den Aufständischen angeschlossen hatte und, dafür zum Tode verurteilt, schließlich zu längerem Gefängnis begnadigt, Josefus als den eigentlichen Anstifter des Aufstandes in Galiläa hingestellt hatte.

4) „Gegen Apion oder über das hohe Alter des jüdischen Volkes“. Eine gut und geschickt geschriebene Apologie des Judentums. Nach den „Altertümern“ entstanden. „Über den Charakter des Josefus und seine Glaubwürdigkeit als Geschichtsschreiber sind die widersprechendsten Urteile gefällt worden ??? Seinen Charakter wird niemand in Schutz nehmen wollen. Eitelkeit und Selbstgefälligkeit sind die Grundzüge seines Wesens. Und wenn er auch nicht der ehrlose Vaterlandsverräter war, als welchen er später in seiner Vita (= Selbstbiografie) sich selbst geschildert hat, so hat er doch den Übergang zu den Römern und den innigen Anschluß an das flavische Kaiserhaus mit mehr Gewandtheit und Gleichmut vollzogen, als es einem um den Untergang seines Volkes trauernden Israeliten geziemt hätte. Auch als Schriftsteller hat er seine großen Schwächen. Aber er schreibt zur Verherrlichung seines Volkes ??? Die Farisäer und Sadducäer sind filosofische Schulen, welche sich mit den Problemen der Freiheit und Unsterblichkeit beschäftigt haben. Die messianische Hoffnung, welche ??? die tiefste Triebfeder zum Aufstand gegen Rom war, wird totgeschwiegen ??? Nicht das Volk hat den Krieg gegen die Römer gewollt, sondern es ist nur von einigen Fanatikern dazu verführt worden. ??? Die langen Reden, welche Josefus seinen Helden in den Mund legt, sind natürlich freie rhetorische Leistungen; und mit den Zahlen wird man es auch nicht zu genau nehmen dürfen. Aber diese Schwächen teilt Josefus mit vielen alten Geschichtschreibern. ??? Die „Archäologie“ (= „Altertümer“) ist ??? viel nachlässiger gearbeitet als der „Jüdische Krieg“ ??? Mit großer Freiheit und Willkür sind oft die Quellen benützt,  wenigstens da, wo wir es kontrollieren können, woraus sich kein günstiges Vorurteil für das Übrige ergibt. Doch finden sich auch einzelne Beweise kritischen Verhaltens gegenüber den Quellen.“ Ich habe den Text der „Altertümer“ öfters nach dem „Krieg“ geändert oder ergänzt, ohne im einzelnen darauf aufmerksam zu machen.

[2] Das Reich der Nabatäer erstreckte sich vom Meerbusen von Akaba bis in die Gegend von Damaskus. Seine Hauptstadt war Petra. Erst i. J. 106 v. Chr. wurde es römische Provinz.