Antipaters Entlarvung und Verhaftung

Antipaters Entlarvung und Verhaftung

(XVII 1) Nach der Hinrichtung der Mariamesöhne hatte Antipater alle Macht in Händen, und zwar mit Zustimmung des Königs, der auf seine Anhänglichkeit und Treue baute. Doch merkte Antipater, daß das Volk einen tief eingewurzelten Haß gegen ihn hegte; und erst recht flößte ihm das Heer, das sich ganz und gar feindlich gesinnt zeigte, große Besorgnis ein; denn die Sicherheit eines Herrschers hängt ja, wenn sein Volk Empörung plant, von der Treue seiner Soldaten ab. Auch fürchtete Antipater, sein Vater könnte eines Tages seine Ränke gegen die Mariamesöhne durchschauen. Darum hielt er es für geraten, ihn so bald wie möglich aus dem Wege zu räumen.

(2) Zu dem Zweck trat er in geheime Verhandlungen mit Feroras ein, dem Bruder seines Vaters, der sich mit diesem überworfen hatte, und besorgte Gift aus Ägypten, das er Feroras zur Aufbewahrung übergab. Herodes’ Schwester Salome war das Einverständnis Antipaters mit Feroras nicht verborgen geblieben; und bald wußte sie ihrem Bruder von geheimen Zusammenkünften Trinkgelagen und Beratungen der beiden zu berichten, obwohl diese sich durch zur Schau getragene Feindschaft zu tarnen suchten. Doch wagte Herodes noch nichts zu unternehmen, weil er den Reden seiner Schwester nicht so ganz traute.

Übrigens hatten einst die Farisäer, eine jüdische Gruppe, deren Angehörige sich auf genaue Beobachtung des Gesetzes etwas zu gute taten, die Frauen beherrschten und in dem Rufe standen, durch göttliche Offenbarung Weissagungsgabe zu besitzen, dem Feroras und seinen Söhnen die Herrschaft geweissagt, wenn Herodes und seine Nachkommen gestürzt werden. Als nämlich das ganze jüdische Volk dem Kaiser und seinem Könige Treue schwur, hatten die Farisäer, die den Könige gegenüber hartnäckigen Widerstand an den Tag legten und ebenso verschlagen wie zu offenem Kampfe bereit waren, an Zahl über sechstausend, sich dessen geweigert und waren deshalb von Herodes mit einer Geldstrafe belegt worden. Diese Geldstrafe hatte Feroras’ Frau für die Farisäer bezahlt, die sich dann durch ihre Weissagung dafür erkenntlich zeigten.

(3) Antipater bat nun seine Freunde in Rom, Herodes mitzuteilen, er müsse ihn möglichst bald zum Kaiser schicken. Das geschah denn auch; Herodes schickte Antipater hin mit reichen Geschenken und seinem Testament, in dem er bestimmt hatte, nach seinem Tode sollte Antipater, falls aber dieser vor ihm stürbe, sein Sohn Herodes, den ihm die Hohepriestertochter Mariame geboren hatte, den Thron besteigen.

Bald danach starb plötzlich Feroras; und nun nahm das Schicksal seinen Lauf. (4) Denn als Herodes seinen Bruder feierlich in Jerusalem hatte beisetzen lassen, baten ihn zwei von dessen Freigelassenen, den Tod ihres Herrn nicht ungerächt zu lassen, er sei nämlich vergiftet worden. Bei der Untersuchung bekannte eine der gefolterten Sklavinnen die Gelage und geheimen Zusammenkünfte Antipaters mit Feroras, seinen Haß gegen seinen Vater, seine Klagen über des Königs langes Leben usw. Ferner sagte ein Verwalter Antipaters auf der Folter aus: Antipater habe sich ein todbringendes Gift verschafft, es Feroras gegeben und ihn gebeten, es während seiner Abwesenheit seinem Vater beizubringen; dieses Gift habe Feroras seiner Gattin zur Aufbewahrung übergeben. Als dann diese unter Androhung der äußersten Qualen befragt wurde, bekannte sie, das Gift von ihrem Gatten zur Aufbewahrung erhalten zu haben, weil Antipater es für Herodes in Bereitschaft halten wollte. Unterdessen kam aus Rom ein Freigelassener Antipaters an; als der vernommen wurde, stellte es sich heraus, daß er Antipaters Mutter und Feroras Gift überbringen sollte, womit sie den König, falls das frühere nicht gewirkt hätte, sicher aus dem Wege räumen könnten.

(5) Als nun Antipater schrieb, er werde, da er alles aufs beste erledigt habe, in Kürze zurückkehren, ließ Herodes nichts von seinem Zorn merken, sondern antwortete, er solle unverzüglich abreisen, eh vielleicht ihm, seinem Vater, etwas Schlimmes zustieße.

Zu dieser Zeit befand sich gerade Quinctilius Varus, der neue Statthalter von Syrien, in Jerusalem. Während einer Besprechung zwischen ihm und Herodes langte Antipater an, ohne Kenntnis von dem Vorgefallenen zu haben, und betrat im Purpurgewande den Palast. Die Pförtner ließen zwar ihn selbst ein, nicht aber seine Freunde. Als er nun zur Begrüßung auf seinen Vater zuschritt, wies dieser ihn zurück, warf ihm die Ermordung seiner Brüder sowie den Anschlag gegen ihn selbst vor und kündigte ihm an, Varus werde am folgenden Tage über die Sache entscheiden. Ganz erschüttert ging Antipater weg und suchte seine Mutter und seine Gattin auf, die ihm alles mitteilten was vorgefallen war.

Am folgenden Tage setzten sich Varus und der König zu Gericht. Geladen waren auch ihrer beiden Räte, des Königs Schwester Salome und alle die eine Beschuldigung vorzubringen oder auf der Folter Geständnisse gemacht hatten, sowie die Diener von Antipaters Mutter. Bei letzteren war ein Brief gefunden worden, der dahin lautete, Antipater möge nicht heimkehren, da sein Vater um alles wisse; es bliebe ihm nur noch die Zuflucht zum Kaiser. Antipater warf sich gleich zu Beginn der Verhandlung seinem Vater zu Füßen und bat ihn, er möge ihn doch nicht auf eine vorgefaßte Meinung hin verurteilen, sondern ihm geneigtes Gehör schenken. Herodes aber klagte, es sei ihm unbegreiflich, wie Antipater sich zu seinem Frevel habe hinreißen lassen können; zum Thronfolger bestimmt, hätte er schon jetzt, bei Lebzeiten seines Vaters, diesem weder an Glanz noch an Macht nachgestanden. Dann warf er ihm vor, seine hingerichteten Brüder angeschwärzt zu haben; man müsse jetzt die beiden von aller Schuld freisprechen, nachdem Antipater sich als der wirkliche Vatermörder herausgestellt habe. Darauf trug Nikolaus von Damaskus, der Anwalt des Herodes, in längerer Rede alle Punkte vor, die geeignet waren, die Anklage zu stützen, und die teils durch die Folter, teils durch sonstige Zeugenaussagen erhärtet waren. Als nun Varus Antipater aufforderte, die Beschuldigungen, wenn er könne, zu widerlegen, rief dieser zwar Gott und Menschen zu Zeugen dafür an, daß er unschuldig sei, focht auch allgemein die durch die Folter erzwungenen Aussagen an, konnte aber gegen die einzelnen Beschuldigungen nichts vorbringen. Nachdem Varus noch die Wirkung des Giftes an einem zum Tode verurteilten Verbrecher hatte erproben lassen – dieser fiel, als er davon getrunken, sofort tot nieder – , verließ er die Sitzung und begab sich am folgenden Tage nach Antiochis, der Hauptstadt Syriens, wo er sich meistens aufzuhalten pflegte. Man hat nie erfahren, was er vor seiner Abreise noch zu Herodes gesagt hat. Dieser aber ließ seinen Sohn sofort in Ketten legen und schickte einen schriftlichen Bericht über die Vorgänge an den Kaiser.