Aufruhre der Juden durch Archelaus und Varus blutig niedergeschlagen. Herodes’ Testament vom Kaiser bestätigt

Aufruhre der Juden durch Archelaus und Varus blutig niedergeschlagen

Herodes’ Testament vom Kaiser bestätigt

(9) Unterdessen rotteten sich einige aufrührische Juden zusammen und forderten unter Schmährufen auf Herodes die Bestrafung seiner Freunde für die Hinrichtung des Matthias. Vergeblich versuchte Archelaus, die Heißsporne zu beruhigen; eine immer größere Menge schloß sich ihnen an. Als nun das Fest herannahte, an dem die Juden nur ungesäuertes Brot essen – dies Fest heißt Passah und ist eingesetzt zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten; es wird mit großer Freude begangen, und es werden an ihm mehr Opfertiere geschlachtet als an irgend einem andern Feste, weil zu seiner Feier eine gewaltige Menge Menschen aus dem ganzen Lande und sogar aus dem Auslande zusammenströmt –, da setzten sich jene Aufrührer im Tempel fest mit ununterbrochenen Klagen um die Schriftgelehrten Judas und Matthias. Archelaus schickte, um ihnen Einhalt zu tun, eh das übrige Volk in den Taumel hineingerissen würde, einen Obersten und eine Tausendschaft Soldaten dorthin mit dem Befehl, die Rädelsführer festzunehmen und ihm vorzuführen. Gegen diese Soldaten aber hetzten die am Aufruhr beteiligten Schriftgelehrten das Volk so auf, daß es schließlich zu einem regelrechten Angriff auf die Soldaten kam und diese umzingelt und größtenteils mit Steinen zu Tode geworfen wurden. Da Archelaus fürchtete, es könnte schlimme Folgen für ihn haben, wenn er dem Ungestüm der Menge nicht mit Nachdruck entgegenträte, so bot er seine ganze Streitmacht gegen die Empörer auf; und dieser gelang es, etwa dreitausend von ihnen zusammenzuhauen und die übrigen zu zerstreuen.

Hierauf begab sich Archelaus mit seinem Anwalt Nikolaus von Damaskus ans Meer, nachdem er die Sorge für sein Haus und die Regierungsgeschäfte seinem Stiefbruder Filippus übertragen hatte. Es begleiteten ihn auch Herodes’ Schwester Salome nebst Söhnen und viele Verwandte, angeblich, um ihm zur Erlangung der Herrschaft behilflich zu sein, in Wirklichkeit aber, um ihm Hindernisse in den Weg zu legen, und ganz besonders, um ihn wegen der Vorgänge im Tempel zu verklagen.

Kaum war Archelaus nach Rom abgereist, da erschien der kaiserliche Prokurator Sabinus in Jerusalem und nahm den königlichen Palast in Besitz. Dann ließ er die Kommandanten der Festung kommen, forderte sie auf, Rechenschaft abzulegen, und wollte mit den Festungen nach Gutdünken verfahren.Die Aufgeforderten aber erklärten, sie würden, Archelaus’ Befehlen entsprechend, alles der Entscheidung des Kaisers überlassen.

Um dieselbe Zeit reiste auch Herodes’ Sohn Antipas nach Rom in der Absicht, sich dort um den Thron seines Vaters zu bewerben, wozu ihn seine Tante Salome aufgestachelt hatte.

Archelaus sandte in Rom nun an Augustus ein Schreiben, in dem er seine Ansprüche geltend machte, nebst dem Testament seines Vaters, ließ ihm ein Verzeichnis der von Herodes hinterlassenen Schätze überreichen und wartete den Erfolg seiner Bemühungen ab. Nachdem der Kaiser von diesen Schriftstücken Kenntnis genommen und auch Berichte des Varus und des Sabinus sowie einen Brief des Antipas gelesen hatte, in dem dieser sich um die Herrschaft bewarb, setzte er eine Verhandlung an. Hier erhob ein Sohn Salomes die heftigsten Vorwürfe gegen Archelaus: Dieser habe, ohne die Entscheidung des Kaisers abzuwarten, sich die königliche Gewalt angemaßt und ohne Vollmacht ein furchtbares Blutbad im Tempel angerichtet; Herodes aber habe zu einer Zeit, wo seine körperlichen und geistigen Kräfte noch nicht nachgelassen hätten, sondern er noch bei vollem Verstande gewesen wäre, Antipas als König eingesetzt; und dieses frühere Testament habe deshalb den größten Anspruch auf Rechtsgiltigkeit. Demgegenüber betonte Nikolaus von Damaskus, Schuld an den Vorgängen im Tempel hätten die getöteten Aufrührer selbst, und Herodes habe sein letztes Testament bei vollem Verstande aufgesetzt, was besonders daraus hervorgehe, daß er die Bestätigung des Testaments dem Kaise vorbehalten habe. Nachdem dann der Kaiser die Versammelten entlassen hatte, ging er mit sich zu Rate, ob er Archelaus als König bestätigen oder das Reich des Herodes alle Söhne gleichmäßig teilen sollte.

(10) Bevor in dieser Angelegenheit ein endgültiger Beschluß gefaßt wurde, traf ein Bericht des Varus über einen Aufstand der Juden ein. Nach der Abreise des Archelaus hatte sich nämlich das ganze Volk empört. Varus hatte die Empörung zum größten Teil niedergeschlagen und war dann unter Zurücklassung einer Legion unter Sabinus nach Antiochia zurückgekehrt. Sabinus aber reizte die Juden durch mancherlei Gewalttätigkeiten bald zu neuem Aufruhr. Als nun das Pfingstfest herannahte, strömte eine nach Tausenden zählende Menge von Juden aus Galiläa Idumäa Jericho und Peräa in Jerusalem zusammen, denen sich eine große Zahl Judäer anschloß, um die Römer von allen Seiten zu belagern. Sabinus bat sofort Varus um Hilfe, da seine Legion in der größten Gefahr schwebe, gefangen und niedergemacht zu werden. Dann bestieg er den höchsten Turm der Hofburg, der zu Ehren eines Bruders des Herodes Fasael genannt wurde, und gab das Zeichen zum Angriff. Nach erbittertem und für beide Seiten verlustreichem Ringen gelang es den Römern, die Dächer der Säulenhallen des Tempels in Brand zu werfen, auf denen ein großer Teil der Juden stand, und alle, die nicht in den Flammen oder durch eigene Hand umgekommen waren, niederzumetzeln. Darauf drangen die Römer durch die Flammen in den Tempel ein und bemächtigen sich des Tempelschatzes, von dem Sabinus selbst aber vierhundert Talente sicherstellte.

Trotz dieser Niederlage machten sich die Tapfersten unter den Aufständischen an die Belagerung der Hofburg. Sie versprachen aber den Belagerten, wenn sie sofort abzögen, würde weder ihnen noch Sabinus etwas geschehen. Daraufhin ging der größte Teil der Königlichen zu den Juden über; dreitausend der besten Soldaten des Herodes aber schlugen sich auf die Seite der Römer. Sabinus wäre nichts lieber gewesen, als sich mit seinen Soldaten davonzumachen; da er aber den Versprechungen der Juden nicht traute, entschloß er sich im Vertrauen auf Varus’ Hilfe, die Belagerung auszuhalten.

Um diese Zeit bildeten sich in verschiedenen Teilen des Landes Räuberbanden unter der Führung von Männern niedriger Abkunft (z. B. eines einfachen, aber durch riesenhaften Körperbau ausgezeichneten Schafhirten), die gleichwohl die Königswürde beanspruchten. Sie fügten den Römern nur unbedeutenden Schaden zu, um so mehr aber wüteten sie gegen ihre eigenen Landsleute weit und breit mit Mord und Todschlag. So war Judäa eine wahre Räuberhöhle.

Als Varus aus dem Bericht des Sabinus die Lage der Dinge erfuhr, zog er die beiden andern in Syrien liegenden Legionen zusammen, sowie vier Schwadronen Reiter und alle Hilfstruppen der Könige und Tetrarchen und eilte damit den in Judäa Belagerten zu Hilfe. Beim Anblick dieses Heeres ergriffen die Belagerer die Flucht. Varus machte nun den Jerusalemern heftige Vorwürfe; doch diese erklärten, nicht sie, sondern die aus Anlaß des Festes in Jerusalem eingeströmten Auswärtigen hätten den Krieg angefangen. Darauf ließ Varus im ganzen Lande die Urheber der Empörung aufsuchen; bestrafte aber nur die, die als am meisten schuldig befunden wurden, und ließ sie, zweitausend insgesamt, ans Kreuz schlagen. Die Hilfstruppen, die er nun nicht mehr brauchte, entließ er, weil sie seinem Befehl zuwider viele Gewalttaten begangen hatten. (11) Die Legion aber, die bisher in Jerusalem gelegen hatte, ließ er da und kehrte selbst wieder nach Antiochia zurück.

In Rom war inzwischen auch eine Gesandtschaft der Juden eingetroffen mit der Bitte, die Herrschaft über sie nicht Archelaus zu geben, sondern sie der Provinz Syrien zuzuteilen und dem dorthin gesandten Statthalter zu unterstellen, damit sie frei nach ihren Gesetzen leben könnten. Dieser Bitte schlossen sich in Rom über achttausend Juden an. Auch Filippus erschien, hauptsächlich, um seinen Stiefbruder Archelaus zu unterstützen, aber auch, wenn das Reich geteilt werden sollte, seinen Teil davon zu erhalten.

Nachdem der Kaiser die Parteien im Tempel des Apollo, den er mit großen Kosten erbaut, angehört hatte, ernannte er einige Tage später Archelaus zwar nicht zum König, wohl aber zum Ethnarchen über die Hälfte des Gebietes, das Herodes beherrscht hatte; auch versprach er ihm den Königstitel, wenn er sich durch Tüchtigkeit dessen würdig zeige. Die andere Hälfte zerlegte er in zwei Teile und gab diese Filippus und Antipas. Letzterem fiel Peräa und Galiläa zu, die zusammen jährlich zweihundert Talente Steuern zahlten. Das Übrige wurde Filippus zuteil; es brachte ihm jährlich hundert Talente ein. Dem Archelaus fielen sonach Idumäa Judäa und Samaria zu; er hatte aus seinem Anteil jährlich sechshundert Talente Einnahmen. Den Verwandten des Herodes wurden ihre Vermächtnisse ausgezahlt, so wie dies im Testament bestimmt war. Alles aber, was Herodes dem Kaiser vermacht hatte, stellte dieser dessen Söhnen zu und behielt nur einige Gegenstände, nicht wegen ihres Wertes, sondern als Andenken an Herodes.