Von der Unterwerfung Galiläas bis zur Belagerung Jerusalems

Von der Unterwerfung Galiläas bis zur Belagerung Jerusalems

(Josefus’ Krieg IV 3) In Jerusalem erklärten Johannes und seine Männer, sie seien nicht vor den Römern geflohen, sondern nur gekommen, um sich von einem sicheren Orte aus zu bekämpfen; es sei töricht, für Gis-chala und dergleichen armselige Orte sein Leben aufs Spiel zu setzen, statt Waffen und Kräfte für die Hauptstadt aufzusparen; die Römer, denen es bei den Dörfern Galiläas schon so schlecht ergangen sei und die dort ihr Belagerungsgerät abgenutzt hätten, würden, selbst wenn sie Flügel bekämen, die Mauern Jerusalems nie übersteigen können. Durch solche Reden ließen sich die Jüngeren größtenteils betören und für den Krieg begeistern, die besonnenen Alten dagegen sahen das kommende Unheil voraus und betrauerten die Stadt, wie wenn sie bereits dahin wäre.

Eh es aber in Jerusalem zum Bürgerkriege kam, rotteten sich in den Landstädten die Kriegslustigen, die durch ihre Jugend und Kühnheit bald über die Alten und Besonnenen die Oberhand gewonnen hatten, zu förmlichen Banden zusammen, um die Bevölkerung auszuplündern, wobei sie den Römern an Grausamkeit und Willkür nicht das mindeste nachgaben. Schließlich vereinigten sich die Führer dieser Banden und brachen, der Plündereien auf dem Lande überdrüssig, zum Verderben Jerusalems in die Stadt ein, der damals ein militärischer Befehlshaber fehlte und die altem Brauche gemäß alle Volksgenossen ohne besondere Vorsichtsmaßregeln aufnahm; war man doch allgemein der Überzeugung, die Herbeiströmenden kämen nur in der guten Absicht, Hilfe zu bringen. Diese stürzten aber, auch abgesehen von den Unruhen die sie erregten, die Stadt später ins tiefste Elend; denn durch ihre unnütze Menge wurden die Lebensmittel, die für die Kampftruppen ausgereicht hätten, vorzeitig aufgebraucht; und so brachten sie zu der allgemeinen Kriegsdrangsal noch Zwietracht und Hungersnot hinzu. Raub und Diebstahl genügten ihnen nicht mehr, sondern sie gingen zu Mordtaten über und verübten diese nicht nur bei Nacht oder heimlich sondern offen am hellen Tage und in erster Linie an den Vornehmsten. Zuerst nahmen sie einen der mächtigsten Männer der Stadt, Antipas, der aus dem Königsgeschlecht stammte und den Staatsschatz verwaltete, gefangen, dann zwei weitere Männer königlichen Geblüts und viele andre die im Lande großes Ansehen genossen. Sie hielten es aber nicht für ratsam, so viele mächtige Männer längere Zeit in Haft zu halten; denn es fehlte deren Familien nicht an Männern, sie zu rächen; auch fürchteten sie, das Volk könnte wegen der Ungesetzlichkeit des Verfahrens sich erheben. Darum beauftragten sie einen ihrer Genossen, die Gefangenen aus dem Wege zu räumen; und dieser brachte sie alle mit Hilfe von zehn Bewaffneten im Gefängnis um. Zur Rechtfertigung ihres Verbrechens behaupteten sie, die Gefangenen hätten mit den Römern wegen der Übergabe Jerusalems verhandelt. Bald maßten sie sich auch die Wahl der Vorsteher der Priesterklassen an: sie schafften die Vorrechte der Familien ab, aus denen diese ernannt wurden, und übertrugen die Würde an Leute aus niederem Stande, weil diese, nachdem sie ganz ohne eigenes Verdienst zu so hohen Ehrenstellen gelangt waren, selbstverständlich denen zu Willen sein mußten die ihnen dazu verholfen hatten. Auch bei der Wahl der Hohenpriester verfuhren sie eigenmächtig.

Als sie aber ihre Frechheit auch gegen die Gottheit kehrten und mit profanen Füßen das Allerheiligste zu betreten wagten, forderte der Hohepriester Anan das Volk zur Erhebung gegen die Zeloten auf. So nämlich nannten sie sich, wie wenn sie für gute Zwecke eiferten. Anan sagte zum versammelten Volke: „Lieber wäre ich gestorben, statt das Haus Gottes so voll greulicher Frevel und die heiligen Stätten von den Füßen der Mörderbanden entweiht zu sehen. Doch was tadle ich die Tyrannen? Sind sie nicht durch euch und eure sträfliche Nachsicht so mächtig geworden? Durch eure Gleichgültigkeit habt ihr sie zu ihren Räubereien ermutigt und kein Wort gesagt, geschweigedenn eine Hand gerührt, wenn Häuser geplündert und ihre Besitzer ohne Anklage und Verhör zur Hinrichtung durch die Stadt geschleppt wurden. Und nun duldet ihr daß das Heiligtum zertrampelt wird? Ist denn das edelste und natürlichste aller Gefühle, die Liebe zur Freiheit, völlig in euch ertötet? Sind wir Sklavennaturen und Bedienstetenseelen geworden? Haben wir solche Unterwürfigkeit von unseren Vorfahren gelernt? Nein! sie haben viele große Kriege für ihre Freiheit geführt. Und wozu führen wir jetzt den Krieg mit den Römern? Doch wohl auch für die Freiheit! Wenn wir uns aber den Herren der Welt nicht fügen wollen, wie können wir da unsre eignen Landsleute als Tyrannen über uns dulden? So laßt uns ihnen denn mutig entgegentreten! Ist auch Gefahr damit verbunden, so wird es uns anderseits reiche Ehren eintragen, wenn wir an den heiligen Toren fallen und für Gott und sein Heiligtum unser Leben lassen. Ich selbst werde mit Rat und Tat euch vorangehn und meine eigne Person nicht schonen.“

Das Volk rief ihm zu, er solle sie nur gegen die Tyrannen führen. Während aber Anan die zum Kampfe Tauglichen auslas und ordnete, erfuhren die Zeloten von seiner Absicht, brachen voll Wut aus dem Tempel hervor und machten schonungslos aller nieder was ihnen in den Weg kam. Doch gelang es Anan nach hartem Kampfe, die ihm an Bewaffnung und fester Ordnung überlegenen, an Zahl aber unterlegenen Zeloten in den Tempel zurückzuwerfen.

(4) Da diese nun fürchteten, Anan würde, wenn sie ihm Zeit ließen, den Kampf wieder aufnehmen, um sie völlig zu vernichten, so beschlossen sie die Idumäer zu Hilfe zu rufen. Diese sind ein unruhiges, zügelloses Volk, das sich zum Kampf wie zu einem Feste drängt. Die Zeloten schrieben ihnen: Anan wolle die Hauptstadt an die Römer verraten; sie selbst, die sich zur Rettung der bedrohten Freiheit von ihm losgesagt, würden im Tempel belagert; die Zeit, während der ein Versuch zu ihrem Entsatz noch Erfolg verheiße, sei nur kurz; kämen die Idumäer nicht schleunigst zu Hilfe, so würden sie, die Zeloten, dem Anan, die Stadt aber den Römern in die Hände fallen.

Als die Häuptlinge der Idumäer den Brief gelesen hatten, liefen sie wie wild unter ihren Volksgenossen umher und riefen zum Kriege auf. Sofort ergriff alles die Waffen zur Befreiung der Hauptstadt, wie sie sagten. Und bald erschienen sie, fast zwanzigtausend Mann stark, vor Jerusalem. Anan hatte ihren Anmarsch erfahren und deshalb die Tore schließen und die Mauern mit Wachtposten besetzen lassen. Aber in der Nacht gelang es den Zeloten während eines heftigen Gewitters, eines der Stadttore unbemerkt zu öffnen und die Idumäer hereinzulassen. (5) Gemeinsam mit ihnen machten sie zunächst die gesamte Wachtmannschaft nieder, die den Tempel eingeschlossen hielt. Dann wandten sie sich gegen die Stadt, raubten die Häuser aus und stießen nieder was ihnen in die Quere kam. Vor allem aber machten sie Jagd auf die Hohenpriester Anan und Jesus und brachten sie, als sie ihrer habhaft geworden, sogleich ums Leben. Mit den Leichen trieben sie ihren Spott; ja, sie gingen in ihrem Frevelmut so weit, daß sie sie unbeerdigt beiseite warfen, obwohl doch sonst die Juden für das Begräbnis ihrer Toten so ängstlich besorgt sind, daß sie selbst die Leichen der zur Kreuzigung Verurteilten vor Sonnenuntergang abnehmen und bestatten.

Mit dem Tode Anans nahm der Untergang der Stadt seinen Anfang; und von dem Tage an, wo die Juden ihren Hohenpriester der ihnen den Weg zur Rettung gewiesen mitten in der Stadt hingeschlachtet sahen, war schon ihre Mauer zerstört, ihre Sache verloren. Wäre er am Leben geblieben, so wäre sicher eine Aussöhnung mit den Römern zustande gekommen sein; denn er kannte ihre Unüberwindlichkeit der Römer und vermochte durch gewaltige Beredsamkeit sein Volk zu lenken.

Kaum waren die Hohenpriester tot, so fielen Zeloten und Idumäer vereint über das Volk her wie über eine Herde unreiner Tiere. Der gemeine Mann wurde, wenn man seiner habhaft wurde, kurzerhand niedergehauen; die Vornehmen dagegen  und die jungen Männer warfen sie ins Gefängnis und versuchten, sie durch Anerbietungen auf ihre Seite zu bringen; weigerten sie sich, so wurden sie gefoltert und hingerichtet, ihre Leichten aufs freie Feld geworfen. Niemand wagte einen ermordeten Verwandten offen zu beweinen oder zu bestatten, nur bei Nacht streute man ein wenig Erde auf die Leichen. Zwölftausend fanden so den Tod.

Auch mit Gericht und Urteilsspruch spielten die Zeloten Komödie. Sie beriefen z. B. siebzig in Amt und Würden stehnde Bürger als machtloses Scheingericht ein und klagten vor diesem einen der vornehmsten Männer, Zacharias Barissohn, an, er habe die Stadt an die Römer verraten wollen und in dieser Absicht mit Vespasian in Verbindung gestanden. Er war ihnen nämlich wegen seiner großen Freiheitsliebe ein Dorn im Auge; auch wollten sie sein Vermögen in ihre Hand bringen. Als aber die Siebzig Zacharias für nicht schuldig erklärten, erhoben die Zeloten ein gewaltiges Geschrei, und zwei der frechsten fielen über ihn her, stießen ihn mitten im Tempel nieder und warfen seine Leiche den Abhang hinunter.

(6) Bald darauf verließen die Idumäer Jerusalem und zogen heim. Die Zeloten aber fuhren fort, alle die aus dem Wege zu räumen die ihren Neid oder ihre Furcht erregten. Auch die Friedliebendsten waren ihres Lebens nicht sicher: wer sich ihnen nicht anschloß wurde als hochmütig, wer ihnen mit einem gewissen Selbstbewußtsein näherte als überheblich, wer ihnen völlig zu Willen war als Verräter verdächtigt. Für die schwersten wie für die unbedeutendsten Vergehen gab es nur eine Strafe: den Tod.[1]

Alle römischen Führer hielten die Zwietracht der Juden für ein unverhofftes Geschenk des Glücks und wollten unverzüglich gegen Jerusalem aufbrechen. Vespasian aber war der Meinung, er würde damit nur bewirken daß die Feinde sich mit einander aussöhnten und ihre noch ungebrochene Kraft gegen die Römer kehrten; wartete er dagegen ab, so würde er es mit einer immer kleineren Zahl von Feinden zu tun haben, da der innere Hader sie aufreibe. (7) Er beschränkte sich deshalb darauf, Peräa bis zum Toten Meer besetzen zu lassen, um keinen Feind im Rücken zu haben, der ihm bei einem späteren Vorgehen gegen Jerusalem hinderlich werden könnte.

(3) In Jerusalem hatte sich Johannes von Gis-chala dem Hohenpriester Anan angeschlossen, heimlich aber Beziehungen zu den Zeloten unterhalten. (7) Nach der Ermordung des Anan schloß er sich ganz den Zeloten an; und bald gelang es ihm, sich bei ihnen großen Anhang zu verschaffen.

(9) Infolge der Untätigkeit der Römer regte sich überall das Räuberunwesen. So hatte ein junger Mann aus Gerasa, Simon Giorassohn, der dem in der Hauptstadt schon allgewaltigen Johannes zwar an Verschlagenheit nachstand, an Körperkraft und Waghalsigkeit aber ihn übertraf, sich zuerst den Sikariern in Masada angeschlossen, bald aber eine eigene starke Bande gebildet, mit der er zuerst die Dörfer im Gebirge ausplünderte und dann auch an die Städte in der Ebene sich heranwagte. Höhlen in der Nähe des Toten Meeres dienten ihm als Schlupfwinkel und Vorratsräume. Mit einem großen Heere brach er in Idumäa ein, überrumpelte Hebron, wo er große Mengen Getreide erbeutete, und durchzog sengend und brennend das ganze Land. Als viele Idumäer in ihrer Not nach Jerusalem flohen, folgte ihnen Simon dorthin nach und bezog vor der Stadt ein Lager.

In Jerusalem hatten sich inzwischen die galiläischen Truppen, mit deren Hilfe Johannes den Gipfel der Macht erklommen hatte, durch Zuchtlosigkeit und Gewalttaten immer verhaßter gemacht. Infolgedessen erhoben sich alle idumäischen Krieger gegen Johannes und die Zeloten. Es kam zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf die Zeloten in den Tempel gedrängt wurden. Da die Idumäer aber fürchteten, Johannes könnte zu einem überraschenden Gegenschlag antreten, so baten sie im Einvernehmen mit den Hohenpriestern Simon Giorassohn, in die Stadt einzurücken. Dieser Bitte schlossen sich viele vor den Zeloten Geflohene an in der Hoffnung, auf diese Weise ihre Häuser und ihr Vermögen wiederzuerhalten. Simon willigte ein und versprach die Stadt von den Zeloten befreien, weshalb das Volk ihn als seinen Retter und Schirmherrn begrüßte. Kaum aber war er mit seinen Truppen drinnen, als er die die ihn gerufen ebenso als Feinde ansah wie die gegen die er gerufen war. So wurde Simon im dritten Jahre des Krieges Herr von Jerusalem.[2] Johannes aber und die vielen Zeloten, denen nun jeder Ausweg aus dem Tempel versperrt und all ihr Besitz in der Stadt genommen war – denn Simon und seine Männer hatten nichts Eiligeres zu tun gehabt als die gesamte Habe ihrer Gegner zu plündern -,  befanden sich jetzt in einer verzweifelten Lage. Doch gelang es ihnen, einen Angriff Simons mit großen Verlusten für diesen abzuschlagen. Um ihre Widerstandskraft noch zu verstärken, errichteten sie vier hohe Türme und besetzten diese mit Pfeilgeschützen und Steinwerfern sowie mit Bogenschützen und Schleuderern.

Vespasian hatte inzwischen das ganze jüdische Land mit Ausnahme einiger kleiner Festungen in seine Gewalt gebracht und schickte sich gerade an, mit seiner ganzen Heeresmacht gegen Jerusalem zu ziehen, da wurde ihm die Ermordung Neros gemeldet. Er verschob nun den Zug nach Jerusalem und wartete ab, wem die Nachfolge Neros zufallen würde. Als zunächst Galba Kaiser geworden war, aber schon nach sieben Monaten und sieben Tagen ermodert wurde, dann Otho mit Gewalt der Herrschaft sich bemächtigte, aber nach drei Monaten und zwei Tagen dem Vitellius erlag, den die germanischen Legionen zum Imperator ausgerufen hatten, (10) da riefen auch Vespasians Legionen ihren Feldherrn zum Imperator aus und war Vespasian entschlossen Vitellius vom Thron zu stoßen. Ein Brief an den Statthalter von Ägypten, Tiberius Alexander, genügte, um dieses für die Versorgung Roms mit Getreide unentbehrliche Land samt den dort stehnden Truppen in Vespasians Hand zu bringen.

Jetzt fiel Vespasian die Weissagung des Josefus ein, der schon zu Neros Lebzeiten ihn als den künftigen Imperator bezeichnet hatte. Er gab Befehl, seine Ketten mit der Axt zu durchschlagen zum Zeichen dafür daß nicht nur das Eisen sondern auch die Schmach von ihm genommen sei.

(11) Da der beginnende Winter Truppentransporte zur See unmöglich machte, so schickte Vespasian einen seiner Heerführer auf dem Landwege nach Italien. Doch eh dieser dort ankam, hatten auch die Legionen in Mösien und Pannonien[3] Vespasian schon als ihren Herrn anerkannt und Rom für ihn besetzt; dabei war Vitellius vom Pöbel ermordet worden. Nun drängte es Vespasian, sich gleich nach Beendigung des Winters nach Rom einzuschiffen. Er sandte deshalb seinen Sohn Titus mit einem auserlesenen Heere zur Eroberung Jerusalems ab.

(V 1) Die Verderber Jerusalems waren jetzt in drei Gruppen gespalten; denn Eleazar Simonssohn[4] hatte, weil er sich Johannes nicht unterordnen wollte, eine eigene Partei gegründet, die großen Anhang unter den Zeloten fand. Er hatte mit seinen Anhängern den inneren Tempelvorhof besetzt und über den geweihten Toren Stellung bezogen. Mit Lebensmitteln waren sie reich versehen; denn die Opfergaben, die sie ohne Scheu verzehrten, überhoben sie aller Not. Sie ließen nämlich alle, die opfern wollten, in den Tempel ein, die Einheimischen mit argwöhnischer Vorsicht, die Fremden nachdem sie sie durchsucht hatten. Nur ihre geringe Zahl machte ihnen Sorge.

Was Johannes durch seine zahlreichere Mannschaft vor ihnen voraus hatte, büßte er durch die Ungunst seiner Stellung wieder ein; denn da die Feinde über ihm standen, war jeder Angriff auf sie mit Verlusten verbunden. Seine Wut aber ließ ihn aber nicht ruhen; und so nahmen die Feindseligkeiten kein Ende. Ohne Unterlaß flogen die Geschosse hin und her, sodaß der Tempel bald überall vom Blut der Gefallenen befleckt war.

Daraufhin setzte Simon Giorassohn, der außer der Oberstadt auch einen großen Teil der Unterstadt in seiner Gewalt hatte, Johannes und seinen Männern wieder nachdrücklicher zu. Freilich mußte er ebenso von unten herauf gegen Johannes kämpfen wie dieser gegen Eleazar. Die Angriffe Simons konnte Johannes bequem abschlagen; gegen die Beschießung vom Tempel her aber wehrte er sich mit Pfeilgeschützen Katapulten und Steinwerfern, die jedoch nicht nur seine Feinde ihm vom Hals hielten, sondern auch viele Opfernde töteten, denn seine Geschosse flogen bis an den Altar und an den Tempel und trafen Priester und Opfernde. So netzten viele, die von den Enden der Erde zu dem hochberühmten, allen Menschen heiligen Stätte gepilgert waren, den Altar, den auch Griechen und Barbaren verehrten, mit ihrem Blute. Unseligste der Städte, Gottes Stadt warst du nicht mehr; vielleicht, daß du einmal wieder bessere Tage siehst, wenn du Gott, der dich zerstörte, versöhnt hast.

Ließen die Angreifer von oben Johannes einmal freier aufatmen – oft nötigte Trunkenheit diese zur Untätigkeit –, so machte er mit stärkeren Kräften kühnere Ausfälle gegen Simon, wobei er nach Möglichkeit die mit Getreide und sonstigen Vorräten gefüllten Gebäude in Brand steckte. Zog Johannes sich dann wieder zurück, so setzte Simon ihm nach und tat das Gleiche. Die Folge davon war, daß mitten in der Stadt ein Niemandsland entstand und fast alles Getreide verbrannte, das bei der Belagerung der Stadt für Jahre gereicht hätte.

So von inneren Feinden und zusammengelaufenem Gesindel bedrängt wünschten Greise und Frauen die Römer herbei, um von den inneren Übeln erlöst zu werden. Zu fliehen hatten sie keine Möglichkeit, da alles mit Wachtposten besetzt war; denn wenn auch die Bandenführer sich unter einander befehdeten, die Freunde einer Verständigung mit den Römern und alle als Überläufer Verdächtigen mordeten sie wie gemeinsame Feinde.

Erklärungen

[1] In diese Zeit etwa wird die Flucht der christlichen Gemeinde aus Jerusalem fallen. Nach Eusebius Kirchengeschichte III 5 siedelte sie nach Fella im Ostjordanland über.

[2] Frühjahr 69.

[3] Provinzen südlich der unteren und mittleren Donau.

[4] Vgl. II 17.20 !