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Unsre Zeit ist die Kürze

Unveröffentlichte Schreibhefte

Von Marina Zwetajewa


Martin A. Hainz schrieb uns am 07.10.2017
Thema: Marina Zwetajewa: Unsre Zeit ist die Kürze

Der Dichter kann nicht dem Volk dienstbar sein – zu Zwetajewas Schreibheften


Marina Zwetajewa muß man dem Lyrikaffinen nicht vorstellen – ein unruhiger Geist, eine wunderbare Lyrikerin, kosmopolitisch sozialisiert, angeregt, wiewohl nicht immer in ihren Anliegen gefördert, erlebt sie den Symbolismus, dabei fasziniert nicht durch die Theorie, sondern durch die Poesie: aber sie als Theorie.

Daß diese als freigeistig-dekadent denunzierten Verfahren dem Stalinismus nicht entsprachen, versteht sich, ihr Werk ist ein einziger Einspruch – und sieht man, was ihr zuletzt genommen wird, ausspioniert, der Mann 1941 erschossen, Tochter Ariadna 8 Jahre im Gefängnis, wegen ihres Mannes, Spitzel des NKWD, so hatte sie in dieser Opposition schwerlich Unrecht, die am 31. August 1941 in ihrem Selbstmord endet ... oder gipfelt.

Daß man die Werke lesen soll – keine Frage. Bereichernd sind auch die Schreibhefte, die Felix Philipp Ingold nun übersetzt und herausgegeben hat. Darin erlebt man ihre Versuche, ihre Abbrüche, Reflexionen, die hochkonzentriert sind.

Immer wieder Motiv ist der Schreiber, der nicht schreibe: Eher sei er Werkzeug seines Schreibens, verstehe sich im Schreiben, aber nicht zwingend sich und nicht zwingend im Lesen...

Man sei man selbst in der Technik („Wie ein Stock den Arm vollenden kann!”), hierin erfahre man sich – „seine Augen zu sehen” gelte es.
Dazu gesellen sich theologische Reflexionen, worin der Blick wieder neu auf das gelenkt wird, auch durch kleine Epiphanien wie jene, daß „Engel [...] aus Feuer” seien, oder jene, daß der Minotauros nicht Herr seines Labyrinthes sei, sondern Teil seines Verhängnisses, „ein hadernder Knecht.”

Und zum Kommunismus:

„Der Dichter kann nicht dem Volk dienstbar sein – weil er selbst das Volk ist.”

Verstörendes, Schönes, auch für Kenner des Werks eine Entdeckung!

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