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1.5.2010 21:08
 

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Betreff Salazar und seine Leistungen lassen sich wieder loben? Zu einer Glosse von Lorenz Jäger in der F.A.Z.
Autor Arnd Beise
Datum 1.5.2010 21:08
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1932 hatte in Deutschland die Arbeitslosigkeit mit rund 6 Millionen registrierten Erwerbslosen den Höhepunkt erreicht; nach 1933 wurde sie rasch abgebaut. Ab wann wird der damalige Regierungschef für diesen innenpolitischen Erfolg wieder gelobt werden, etwa in der Art: „Hitler, der zwischen 1933 und 1945 immerhin die Arbeitslosigkeit nahezu beseitigte“?

Sein Altersgenosse António Oliviera de Salazar (1889-1970) hat es schon geschafft. Der einstige Professor für Nationalökonomie war 1928 als unbeschränkt handlungsbevollmächtigter Finanzminister in die portugiesische Junta eingetreten, seit 1932 war er „Ministerpräsident“ des Landes, dem er 1933 eine neue Verfassung gab: „Wir sind antiparlamentarisch, antidemokratisch, antiliberal! Unser Staat ist korporativ.“ Sein „Estado Novo“ war ein repressiver  Einparteienstaat, dessen Stützen der katholische Klerus und die Miliz der União Nacional war. Den italienischen Duce Benito Mussolini bewunderte Salazar rückhaltlos, mit dem spanischen Caudillo Francisco Franco verbündete er sich 1939. Die Nationalsozialisten allerdings mochte er nicht. Deshalb galt sein Regime bei westlichen Politikern auch als „gemäßigt diktatorisch“, wie es noch im aktuellen „dtv-Lexikon“ (Bd. 19, 2006) heißt.

Peter Weiss persiflierte 1966 in dem „Gesang vom Lusitanischen Popanz“ die Ideologie des portugiesischen Machthabers: „Ich erhalte meine Befehle / von Gott dem Herrn / Es ist Lusitaniens Aufgabe / die göttliche Botschaft / auf Erden zu verbreiten / Immer wieder hat die Geschichte gezeigt / daß der Mensch sich selbst / nicht zu lenken vermag / Er bedarf der Leitung einer Autorität / die ihn davor bewahrt / dem Eigennutz und dem Materialismus / zu verfallen / Im Wettlauf um den ökonomischen Gewinn / und um die Hebung des Lebensstandards / wird der wahre Geist des Menschen vergessen / und heraufbeschworen wird / das Zeitalter der Seelenlosigkeit / und Leere / Mein Ziel ist / den Menschen vor den Versuchungen / des Abgrunds zu retten / und ihn zu erziehen / zu einem moralischen Wesen / das sich ständig bewußt ist / der anderen und höheren Welt“ (1. Akt, 1. Bild).

1968 setzte ein Schlaganfall der persönlichen Herrschaft Salazars ein Ende; sein System aber führte der Nachfolger Marcello Caetano weiter, bis 1974 endlich die „Nelkenrevolution“ den „Estado Novo“ beseitigte.

Noch 1999 war es, zum Beispiel für den in Portugal lebenden und lehrenden Professor Peter Hanenberg (geb. 1961), selbstverständlich, Salazar als „faschistischen Diktator“ zu bezeichnen. Das würde dem zehn Jahre älteren Lorenz Jäger nicht in den Sinn kommen. Der studierte Soziologe und Germanist, seit 1997 Redakteur des geisteswissenschaftlichen Ressorts der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, hat womöglich Sehnsucht nach einer moralischen Autorität, die den Kapitalismus aus der Krise führt.

In einer Kolumne, in der er den portugiesischen Literaturnobelpreisträger José Saramago wegen seiner kommunistischen und antiklerikalen Gesinnung anprangert, schreibt Jäger zunächst noch einigermaßen neutral über die Zeit zwischen 1932 und 1968 in Portugal: „Der vormals herrschende laizistische Geist der Republik wurde zurückgedrängt.“ Den damaligen Führer Salazar aber lobt er unumwunden als einen, „der dem Land immerhin Stabilität geben konnte“ (F.A.Z., Nr. 100, 30. April 2010, S. 36). Das kann man also „immerhin“ schon wieder sagen.