Chandler hat ihr Mut gemacht

Zum 70. Geburtstag der Bella-Block-Schöpferin Doris Gercke

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich hab' mal gelesen, dass Chandler mit vierzig seinen ersten Kriminalroman geschrieben hat. Das hat mir Mut gemacht", bekannte die spätberufene, unkonventionelle Schriftstellerin Doris Gercke, die Schöpferin der TV-Figur Bella Block.

Kein Wunder also, dass ihre Protagonistin auch in kein Schubladenklischee passt. Die Roman- und TV-Figur ist eine Frau mit Ecken und Kanten, die sich mit List und Tücke den Weg durch den kriminalistischen Dschungel der Männerwelt bahnt. Hannelore Hoger als TV-Verkörperung ihrer Bella Block findet Doris Gercke "beeindruckend", wenngleich sie einräumt, dass die Heldin in ihrer Fantasie und auch in der Umsetzung in den Romanvorlagen ganz anders aussieht. In jedem Fall wollte sie eine Figur schaffen, die sich "fernab von Jugendwahn und Schönheitsidealen" bewegt.

Doris Gercke, die vor 70 Jahren in Greifswald als Kind einer Arbeiterfamilie geboren wurde, gab 1959 nach der Geburt ihrer zweiten Tochter den Job als Sachbearbeiterin auf und widmete sich ganz ihrer Familie. Zwanzig Jahre später holte sie - inzwischen Großmutter - das Abitur nach und begann Jura zu studieren. So lernte sie professionell mit Kriminalfällen umzugehen, und 1988 erschien dann im kleinen Hamburger Verlag am Galgenberg der erste Bella-Block-Roman "Weinschröter, du musst hängen", der auf Anhieb zu einem Verkaufserfolg wurde. Damals nach ihrem Erfolgsrezept befragt, wusste Doris Gercke keine plausible Antwort. "Ich beschreibe nur, was ich sehe", lautete die lapidare Auskunft der in Hamburg lebenden Autorin.

Nach ihrem bestandenen juristischen Staatsexamen widmete sich Doris Gercke ganz ihrer schriftstellerischen Arbeit. Bis 1991 erschienen noch fünf weitere Kriminalromane im Verlag am Galgenberg, ehe der renommierte Hoffmann und Campe Verlag Doris Gercke unter Vertrag nahm.

Der große Durchbruch der Bella-Block-Krimis folgte nach der ersten Verfilmung. Regisseur Max Färberböck hatte für das ZDF 1993 nach Motiven von Doris Gerckes Erstling "Weinschröter, du musst hängen" den Film "Bella Block, die Kommissarin" gedreht.

"Ein guter Krimi muss Wirklichkeit einfangen. Ich mag diese konstruierten, unrealistischen Geschichten nicht, die mit witziger Sprache aufgepeppt werden", bekannte die Erfolgsautorin. Deshalb stehen exakte Milieustudien auf Doris Gerckes Prioritätenliste ganz oben. Für ihren Roman "Dschingis Khans Tochter" (1996) reiste sie zur Recherche eigens bis nach Odessa. Im letzten Herbst erschien unter dem Titel "Georgia" ein weiterer (noch unverfilmter Roman), in dem Gerckes liebgewonnene Protagonistin von einer Rechtsanwältin um Personenschutz gebeten wird. Inzwischen hat sich die TV-Produktion beinahe verselbständigt. Fernseherfahrene Autoren schreiben inzwischen die Drehbücher.

Neben den Bella-Block-Krimis hat Gercke zwei weitere Romane, zwei Kinderkrimis, den Lyrikband "Eisnester" (1996) und fünf Kriminalhörspiele geschrieben. Gercke, die von der Kriminalschriftstellervereinigung "Das Syndikat" im Jahr 2000 für ihr Gesamtwerk mit dem "Ehrenglauser" ausgezeichnet wurde, hat den sozialkritischen Eifer ihrer Anfangsjahre längst abgelegt: "Ich fürchte, ich habe mir mal eingebildet, als ich angefangen habe zu schreiben, dass man damit etwas verändern könnte. Inzwischen schreibe ich eher für mich selbst. Und wenn es dann die Leute interessiert, was ich fabriziert habe, dann ist das natürlich wunderbar." Der Erfolg der "spätberufenen" Doris Gercke spricht für sich.


Titelbild

Doris Gercke: Georgia. Ein Bella-Block-Roman.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2006.
224 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-10: 3455400132
ISBN-13: 9783455400137

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