Geschichten und Weisheiten des Umberto Saba

Ein bedeutender italienischer Schriftsteller analysiert die Weltgeschichte

Von Kerstin PlessowRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kerstin Plessow

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Lieber Leser, laß Dich nicht irreführen von dem manchmal paradoxen, manchmal sogar scherzhaften (?) Anschein von (einigen) Abkürzungen. Sie sind allesamt aus zehn oder mehr Erfahrungen des Lebens, der Kunst und des Leids entstanden." Diese Leseranrede, die zugleich den Inhalt des Buches zusammenfaßt, steht plötzlich mitten im Buch "Der Dichter, der Hund und das Huhn" von Umberto Saba. Doch irreführen lassen sollte man sich wirklich nicht. Statt dessen sollte man sich einfach einlassen auf seine, von ihm so genannten, "Abkürzungen". Denn in ihnen stehen Wahrheiten, die niedergeschrieben so einfach wirken, aber selbst schwer zu finden sind.

Die Auswahl bislang unübersetzter Prosatexte des italienischen Autors hat drei Teile: "Erinnerungen-Geschichten", "Abkürzungen" und "Kurze Geschichten". Die "Abkürzungen" sind das wirklich Besondere an diesem Buch. Sie bestehen aus einfachen Definitionen, Ansichten oder Erklärungen sowie Darstellungen kleiner Alltagssituationen, denen Sabas sprachliche Darstellung einen überraschenden Sinn verleiht.

Durch alle Texte, ob es Erzählungen aus seiner Vergangenheit oder kurze Gedanken sind, schimmert die Lebenserfahrung des Autors hindurch, oft versteckt hinter ironischem, manchmal auch respektlosem Witz. Der kann zuweilen schwer verdaulich sein, vor allem wenn es um Gräueltaten im Dritten Reich geht: "Diejenigen - und es sind viele -, die heute noch glauben, Kriege würden aus wirtschaftlichen Gründen ausbrechen, verhalten sich wie jemand, der behauptet, die Deutschen hätten sechseinhalb Millionen Juden vergast, um Dünger aus ihnen zu machen."

Umberto Saba weiß, wovon er spricht: aufgrund seiner jüdischen Herkunft mütterlicherseits musste er 1943 aus seiner Heimatstadt Triest fliehen und konnte erst 1946 zurückkehren. Der Krieg ist daher ein wichtiger Bestandteil in Sabas Leben geworden. In seinen Texten behandelt er die Psychoanalyse des Bösen ("Kriege werden geführt, weil der Mensch ein aggressives Wesen ist"), aber auch die Liebe ist für ihn ein zentrales Thema. Denn "die Liebe sieht alles rosig, und manchmal täuscht sie sich natürlich."

Umberto Sabas Bezugspersonen sind immer Dichter, Künstler und auch Philosophen, obwohl er von den letzteren keine gute Meinung hat. Wenn er schreibt, dass sich jeder Dichter für den Besten hält und halten muss, stellt er sich allerdings auf keine höhere Stufe als den Leser, sondern schließt diesen oft durch ein "wir" ein.

Obwohl vor über fünfzig Jahren geschrieben, wirken Umberto Sabas Texte sehr modern. Denn Sätze wie der folgende haben heute nichts von ihrer Wahrheit verloren: "Wer [...] nicht fähig ist, sich selbst deutlich zu sehen - ich meine deutlich bis in die Tiefen seines Innern hinein -, um dann im Zweifelsfall, wenn er wieder zur Oberfläche emporgetaucht ist, über das zu lachen, was er gesehen hat, und darüber hinwegzugehen: der kann weder gehen noch springen, noch rennen. Er flattert bloß."

Titelbild

Umberto Saba: Der Dichter, der Hund und das Huhn. Aus dem Italienischen von Anna Leube.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 1999.
164 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3552049223

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch