Ein Zeitzeuge spricht
Harry Pross erzählt die Geschichte der Presse im 20. Jahrhundert
Von Heike Büsing
"Sie hießen einmal 'Die Zeitung' und das 'Radio'.Und erst als das Fernsehen kam, kam jemand auf die Idee, das Ganze die 'Medien' zu nennen, erst mal die 'Massenmedien' und dann einfach die 'Medien'." Prägnanter als es Peter Bichsel in seiner Kolumne "Die Einladung der Mitte" von 1995 formuliert hat, lässt sich die Entwicklung der Medienlandschaft in den vergangenen Jahrzehnten wohl kaum zusammenfassen. Der Verknappung Peter Bichsels steht mit Harry Pross' "Zeitungsreport" eine ausführliche Beschreibung der Medienwelt und insbesondere der Presselandschaft im 20. Jahrhundert gegenüber. Der 77-jährige Medienwissenschaftler hat es sich zur Aufgabe gemacht, 100 Jahre Presse-Geschichte niederzuschreiben.
Auf knapp 300 Seiten gibt Pross u.a. Antworten auf Fragen nach der Presse in der Weimarer Republik, der Funktion des Hörfunks im Hitler-Deutschland und nach der Zeit der Lizenzvergabe nach 1945. Auch mit der aktuellen Medienlandschaft setzt sich der ehemalige Chefredakteur von Radio Bremen auseinander. Hier denkt er über mögliche Formen eines weiteren Bestehens von Zeitungen und Zeitschriften in Konkurrenz zu Fernsehen und Internet nach. Dabei sieht er den großen Vorteil der Zeitungen in der differenzierten und detaillierten Analyse einzelner Themen, die in der rasanten Welt des Internets keinen Platz und keine Zeit finden. Mit seiner Vermutung, daß die lokalen Nachrichten in Zukunft "ein attraktiver Markt bleiben" werden, schließt sich der Publizist der einhelligen Meinung der Medienfachleute an.
Die individuelle Handschrift von Pross ist auf jeder Seite des "Zeitungsreports" spürbar. Seine Authentizität weckt das Leseinteresse und macht neugierig darauf, aus der Sicht eines Zeitzeugen einen Blick auf 100 Jahre Pressegeschichte zu werfen. Doch so wie der Text durch seine Authentizität zunächst besticht, so verliert er schließlich gleichermaßen mit ihr: Häufig wünscht man sich, Pross möge häufiger die Geschichte und ihre Fakten für sich sprechen lassen und auf persönliche Randbemerkungen verzichten. So referiert er z.T. seitenlang - in subjektives Licht getaucht - die politische und soziale Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte der Presse findet auf diesen Seiten nur wenig Erwähnung. Es bleibt dem Leser überlassen, die zentralen Informationen aus den für das eigentliche Thema des Buches überflüssigen Kommentaren und Erzählungen herauszufiltern. Einen objektiven Abriss der Pressegeschichte, wie ihn der Untertitel "Deutsche Presse im 20. Jahrhundert" suggerier, liefert Pross nicht.
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