Die Austreibung, die keine war
Die vielschichtigste Kommentierung zu Giordano Brunos „Die Austreibung des triumphierenden Tieres“
Von Patrick Mensel
Giordano Brunos Philosophie war nie einfach zu verstehen, doch „Die Austreibung des triumphierenden Tieres“(Im Original „Spaccio della bestia trionfante“) verlangt dem Leser mehr ab als alle anderen Werke des Autors. Es ist der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens – gemessen an der Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit seines Werkes – und es ist der Grund, warum er von vielen so lange als Ketzer par excellence angesehen wurde. Schon einige haben sich an dem Text die Zähne ausgebissen und sind dabei grandios gescheitert. Zu einfache, zu wenig entflechtende oder schlichtweg falsche Interpretationen zeugen von der schwer zu durchdringenden Materie. Die letzte deutsche Übersetzung stammt aus dem Jahr 1904. Zeit war es also allemal, dass in der Giordano-Bruno-Werkausgabe des Felix Meiner Verlages die Übersetzung und Kommentierung der „Austreibung des triumphierenden Tieres“ in Angriff genommen wurde. Dies haben Elisabeth und Paul Richard Blum unternommen.
Falsch verstanden wurde das Werk über Jahrhunderte, überhaupt kaum gelesen – und wenn jemand die Mühe unternahm, sich den Seitenhieben und metaphorisierten Anspielungen zu stellen, so um es am Ende doch wieder misszuverstehen. Der Lukianische Dialog wurde von Giordano Bruno natürlich nicht zufällig ausgewählt. Seit Albertis Momus ist er das literarische Genre, wenn es um die satirische Kritik der Weltanschauung geht. Und damit ist auch die am weitesten verbreitete Meinung zunächst einmal richtig, die in der Austreibung eine Religionskritik sieht. Voreilige Schlüsse, Bruno würde es dabei aber nur um den Katholizismus gehen, sind falsch. Es geht ihm um das Christentum im Allgemeinen, die protestantischen Konfessionen also eingeschlossen. Der entscheidende Gedankengang, den Elisabeth Blum schon in der Einleitung darlegt, liegt nun darin, dass man sein modernes Konfessionsverständnis ablegen muss – und zwar vollständig. In Zeiten vor der Aufklärung ist eine Aufteilung in kirchliches und monarchisches Machtgefüge nicht nur mühsam, sondern auch nicht praktikabel. Wenn Bruno also die einzelnen Religionen nach politischen Vorteilen oder Nachteilen bewertet, so spricht weder der Machiavelli-Sympathisant aus ihm noch der reine Zynismus oder die kompromisslose Ablehnung. Es ist eben schlicht und ergreifend seine Sicht der Dinge, die inneren Individualismus bei äußerer Konformität auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen möchte. Er wiegt nichts anderes als geistige Freiheit und nationale Friedenswahrung gegeneinander ab. Freilich tut Bruno dies auf eine Weise, die vielen die wahren Intentionen verschleiert.
Unter diesen sind natürlich auch der auf den ersten Blick erkennbare Fürstenspiegel oder eine literarisch angewandte Gedächtniskunst zu finden. Blums Ausführungen werden auch diesen Betrachtungsweisen gerecht. Die ausführliche Kommentierung leistet das schwer Erreichbare: Brunos unzählige Anspielungen, besonders mit den mythologischen Sternenbildern der Antike, werden gekonnt aufgenommen und erklärt. Die Übersetzung, die bei Bruno niemals einfach sein kann, ist das Beste, was aus dem Original jemals in deutscher Sprache gemacht wurde und sicher noch lange Zeit gemacht werden wird. Alle Italienisch-Kundigen werden auch in der Seiteneinteilung (linke Seite: Originaltext, rechte Seite: Übersetzung) ihre wahre Freude finden. Es bleibt nur zu hoffen, dass die „Spaccio“ nun langsam ihren Stellenwert finden wird, den sie verdient.
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