Was bedeutet die antike Götterwelt für uns?

Ulrike Rüpke und Jörg Rüpke stellen „Die 101 wichtigsten Fragen“ und geben verblüffende Antworten

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Annahme, dass außer uns Menschen noch andere Wesen die Geschicke der Welt bestimmen, ist wohl in allen Kulturen verbreitet, allerdings wird diese nicht von allen geteilt. Die Welt der antiken Götter und Mythen indes ist unendlich vielfältig. Nicht nur von einem einzigen Gott ist hier die Rede wie in den drei monotheistischen Religionen, nein, mehr noch, fast jede der Kulturen rund um das Mittelmeer im Laufe der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends vor Christus erzählt immer wieder andere Geschichten von denselben Göttern. Vorgestellt und dargestellt hat man sich diese anthropomorph, also in der Gestalt von Menschen. Allerdings unterschieden sie sich von diesen nicht selten durch ihre Schönheit und Größe und mitunter auch durch ihre Ausstattung mit wertvollen Materialien wie Gold oder Elfenbein. Der Koloss von Rhodos, eine Darstellung des Sonnengottes Helios, ist hierfür ein gutes und anschauliches Beispiel. Auch wähnten die Griechen und mit ihnen die Etrusker, Punier, Umbrer, Latiner und Römer das Wirken der Götter überall zu spüren.

Ulrike Rüpke (sie unterrichtet Alte Sprachen am Erfurter Gymnasium) und ihr Mann Jörg Rüpke (Dozent für Vergleichende Religionswissenschaft an der Erfurter Universität) stellen in ihrem Büchlein „Götter und Mythen der Antike“ viele Fragen, zum Beispiel fragen sie: „Was sind Götter?“ Die Antwort darauf lautet „nicht nur einfach vornehmere, bessere, größere Menschen, sondern Götter, ,Unsterbliche‘. Sie sahen besser aus, rochen besser, waren aus edlerem Stoff“ und vor allem: „Sie waren viel, viel mächtiger.“ Ob sie tatsächlich mit all ihren Betrügereien, Ehegeschichten und dergleichen besser waren als die armseligen Menschen sei dahingestellt, aber wie dem auch sei, unsterblich waren sie allemal und führten ein lustigeres, wenn auch nicht unbedingt moralischeres Leben als die christlichen Heiligen und Jünger.

Andere Fragen lauten: „Wie können unsterbliche Götter Geschichte(n) haben?“, „Was ist ein Mythos?“, „Was unterscheidet ihn von Märchen“ und Legenden?, „Wovon handeln Mythen?“, „Was unterscheidet Mythologie und Theologie?“ Aber woher kamen überhaupt die Mythen? Immerhin fallen sie nicht vom Himmel, wie die Autoren richtig bemerken und verraten dann doch fast alles, was man über Mythen und Götter wissen sollte. Insbesondere verblüffen sie immer wieder mit eigenwilligen Antworten und Überlegungen. Was hat es mit Kronos auf sich? So eine weitere Frage. Gehört er zu den ältesten Göttern, und wie verhält es sich mit der Geschichte von Athene, die bekanntlich dem Haupt des Zeus entsprang, der wiederum Europa geraubt haben soll? Ein anderes Kapitel erinnert an den Krieg in Theben und den Krieg in Troja, ein weiteres an Pegasus, der angeblich Dichter beflügelt.

Durch diese und andere Fragen mit entsprechenden Antworten loten die Autoren die Grenze zwischen Mensch und den Göttern aus, bis hin zum Wettkampf von Romulus und Remus. Dabei dürften sie kein Thema, keinen Gott und keine Göttin der Antike ausgelassen haben. Doch auch Philosophen, Komponisten und Dichter griffen auf Mythen zurück, man denke nur an Platons Erzählung, die er einem scheintoten Pamphylier in den Mund legt und die an einem un-irdischen Ort spielt, ferner an Christoph Willibald Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“. Bei Johann Wolfgang Goethe war die antike Götterwelt Motiv zahlreicher Gedichte und Texte. Auch andere große deutsche Klassiker waren Anhänger des griechischen Mythos, zum Beispiel: Gotthold Ephraim Lessing, er beschrieb die Laokoon Gruppe, Friedrich Hölderlin, er verfasste seinen „Hyperion“ und Friedrich Schiller „Griechische Götter“. Wilhelm Albrecht Nestle wiederum hat den Weg vom „Vom Mythos zum Logos“ genau beschrieben.

Leben die Mythen noch? Aber ja, bestätigen die Autoren, nicht nur in mythologischen Handbüchern und Einführungen und Wörterbüchern, auch in Produktnamen, Hollywood-Filmen, in Romanen etwa bei Thomas Mann, Doris Lessing, Christoph Ransmayr und anderen Dichtern und Schriftstellern.

So wird der Leser auf unterhaltsame Weise mit der bunten, abwechslungsreichen und auch poetischen Welt der Antike mit all ihren Göttern, Fabelwesen, Helden und Abenteuern und ihrer Bedeutung für die Gegenwart vertraut gemacht und lernt zu verstehen, wieso und weshalb unsere Kultur- und Geistesgeschichte bis heute von diesen Urerzählungen geprägt wurde und immer noch wird.

Der knapp bebilderte Band endet mit „Buchtipps für Kinder, Lehrer und Neugierige“ und einem umfangreichen Namenregister.

Titelbild

Ulrike Rüpke / Jörg Rüpke: Die 101 wichtigsten Fragen. Götter und Mythen der Antike.
Verlag C.H.Beck, München 2010.
160 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783406606304

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