Esther Bertschinger-Joos über das bewegte Leben von Frieda Gross im Umfeld des Anarchismus und Max Weber als Prozess-Berater
Besprochene Bücher / Literaturhinweise1902 verliebte sich Frieda Schloffer in den jungen Arzt und angehenden Psychoanalytiker Otto Gross, den sie ein Jahr später heiratete. Damit begann die Odyssee ihres Lebens, die von Graz über München nach Ascona führte, in die Arme von Erich Mühsam, Emil Lask und schließlich von Ernst Frick, dem Schweizer Anarchisten, späteren Künstler und Vater ihrer drei Töchter. Als ihr Schwiegervater, der angesehene Kriminologe Hans Gross, 1913 in Berlin seinen kultur- und sexualrevolutionären Sohn internieren ließ und in zwei Prozessen gegen Frieda agierte, wurde Max Weber ihr engagierter Berater und ihr Mann zu einer Schlüsselfigur in der expressionistischen Literaturszene. Mit Else Jaffé, geb. von Richthofen, war Frieda Gross seit ihrer Jugendzeit eng befreundet. Die Ehefrau des Nationalökonomen Edgar Jaffé war Geliebte von Max und Alfred Weber, dessen Lebensgefährtin sie nach dem Tode ihres Mannes wurde. Dass beide Frauen einen Sohn zur Welt brachten, dessen Vater Otto Gross war, vertiefte ihre Freundschaft. Die bislang unveröffentlichten Briefe von Frieda Gross an die geliebte Freundin sind eindrückliche und berührende Zeugnisse dieses Verwirrspiels von Ereignissen, Gefühlen und Gedanken. Esther Bertschinger-Joos hat sie entdeckt und gibt mit ihrem biographischen Bericht Frieda Gross, die in der bisherigen Forschung im Schatten bedeutender Männer stand, eine eigenständige Existenz und Stimme zurück. Das Buch dokumentiert die Geschichte der Träume, Sehnsüchte und Ängste, der Wut und Trauer dieser Frau. Es liest sich vielfach wie ein Liebes- und Kriminalroman über gewagte Lebensexperimente. Doch nichts daran ist erfunden.
Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift , Angehörigen der Universität Marburg und aus dem eigenen Verlag LiteraturWissenschaft.de. Diese Bücher können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.
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