Fluchtwege aus dem neoliberalen Getriebe
Auf Reisen mit der Autorin Birgit Pölzl
Von Virginia Kalla
‚Gesellschaftskritik‘, ‚Selbstreflexion‘, ‚Erkenntnisprozess‘ – das sind Schlagwörter, die man mit der österreichischen Autorin Birgit Pölzl in Verbindung bringen könnte. Sie versteht sich selbst dezidiert als politische Schriftstellerin. Ihre gesellschaftskritischen Texte wollen jedoch keine soziopolitischen Pamphlete sein, sondern durch einen ironischen Ton zu wohlgeformten literarischen Artefakten mit gehaltvollem Subtext avancieren. In Pölzls Werken werden deshalb Figuren porträtiert, die sich gegen das neoliberale System auflehnen, welches ihrer Meinung nach die Existenz unserer Gesellschaft bedroht. So spielt ihr jüngster Roman „Das Weite Suchen“ (2013) mit der Darstellung eines alternativen Lebenskonzepts. Über den Entschluss einer Gruppe von Personen, dem profitgelenkten und von wachsendem Leistungsdruck beherrschten Alltag zu entfliehen und stattdessen ein Leben in der Landwirtschaft zu führen, wird dem Leser gezeigt, wie stark das menschliche Bedürfnis nach Rückzug und der Wunsch nach ökonomischer Unabhängigkeit ist.
Damit rekurriert die 1959 in Graz geborene Autorin auf ein Flucht- und Reisemotiv, ein Leitbild, das sie selber lebt. Die selbsternannte Weltenbummlerin greift nicht selten zu ihrem Rucksack, reist durch ferne Länder und erforscht exotische Kulturen – nicht zur Erholung, sondern als Recherchegrundlage für künftige Werke. Bereits während ihres Germanistikstudiums, so Pölzl, sei ihr klar geworden, dass Weltwahrnehmung und künstlerischer Prozess für sie Hand in Hand gingen. In einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ sagt sie 2013, dass Reisen für sie ein Akt des „Sichaussetzens“ sei. Alle gesammelten Eindrücke dienten ihr als Inspiration für neue Erzählwelten und Figuren.
Wenn Pölzl nicht gerade herumreist, dem Neoliberalismus entflieht und fremde Kulturen auf sich wirken lässt, arbeitet sie als Ressortleiterin für Literatur im Kulturzentrum der Minoriten in Graz. Dort investiert sie alle Energie in die Förderung des literarischen Nachwuchses, die sie als Bestärkung des Nonkonformismus und der Überschreitung von Grenzen begreift.
Im Juli 2014 darf die Grazerin erneut ihre Koffer packen, denn sie wurde von Neu-Juror Arno Dusini zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur nach Klagenfurt eingeladen, wo sie die Möglichkeit bekommt, etwas von ihrem Schaffen zu präsentieren. Nach eigenen Angaben plant sie einen zu Text lesen, der eine Figur aus einem ihrer jüngsten Romane vorstellt.