Von Köln nach Kanada: „Ein Kind kommt zur Sprache“ – Henry Beissels zweisprachiges Langgedicht über seine Jugend im nationalsozialistischen Deutschland
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIn der Form eines Langgedichtes setzt sich der kanadische Dichter und Dramatiker Henry Beissel, 1929 in Köln geboren, mit seiner Jugend im Dritten Reich und während des Kriegs auseinander, um sich und seinem vor kurzem geborenen Enkel Rechenschaft abzulegen. In vierzehn Abschnitten beschreibt Beissel Stationen seines Lebens von ersten Kindheitserinnerungen an seine Eltern über seine Schulzeit in Nazideutschland bis hin zu seiner Tätigkeit als Dolmetscher für die Alliierten nach Ende des Krieges und zur Entscheidung, Deutschland den Rücken zu kehren und in seiner neu gefundenen Heimat Kanada Professor für englische Literatur zu werden. Das Buch enthält nicht nur die englischsprachige, 2011 in Kanada erschienene Originalversion, sondern auch die vom Autor selbst verfasste deutsche Nachdichtung, bei deren Erstellung noch zahlreiche andere Erinnerungen und Stimmen lebendig wurden.
„In diesem Langgedicht“, schreibt Martin Kuester, Direktor des Marburger Zentrums für Kanada-Studien, in seinem Vorwort, „kommt ein Kind zur Sprache, und dieses Kind ist Henry Beissel, doch es ist nicht der Henry Beissel, der sich erinnert, sondern vor allem das Kind, an das sich der Achtzigjährige erinnert und zu dem er sich bekennt und bekennen muss. Es gibt die Perspektive des Ich, aber auch die des Es:
Ein Kind wandert nicht aus: es versteckt sich
bis der Alternde sich zu ihm bekennt.
Da steht es nun – in einer anderen Stadt,
an einem anderen Fluss, auf einem anderen Kontinent,
in einer anderen Welt. Es fordert mich auf,
Zeugnis abzulegen vom Unglaublichen, kaum noch
Vorstellbaren: ich war ja dabei, weil es dabei war.
Das Gedicht, in dem sich Beissel an Europa erinnert, wird zur Landkarte, auf der der Enkel seinen Weg nachverfolgen kann, auf der aber auch der Flüchtling selbst sich erst wieder finden und wiederfinden muss, wenn er von den Albträumen der europäischen Vergangenheit eingeholt zu werden droht.
Dieses Buch verdankt seine Entstehung den engen Kontakten, die sich in den letzten Jahren zwischen dem Marburger Zentrum für Kanada-Studien und Henry Beissel entwickelt haben.“
Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift , Angehörigen der Universität Marburg und aus dem eigenen Verlag LiteraturWissenschaft.de. Diese Bücher können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.
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