Im Banne Napoleons

Ein materialreiches Quellenlesebuch von G. Gersmann und H.-W. Langbrandtner informiert über die Adelsgeschichte im Rheinland zur napoleonischen Zeit

Von Marvin ThiemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marvin Thiemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit ihrem Quellenlesebuch über die Adelsgeschichte im Rheinland zur napoleonischen Zeit legen Gudrun Gersmann und Hans-Werner Langbrandtner einen Band vor, der zahlreiche aus westdeutschen Adelsarchiven stammende und bisher weitgehend unbekannte Quellen versammelt. Diese legen Zeugnis ab von einer Zeit, in der sich das epochale Ereignis der Französischen Revolution bis ins Reich auswirkte und zahlreiche politische Umwälzungen mit gravierenden Auswirkungen sowohl für die gemeine Bevölkerung, vor allem aber auch für den deutschen Adelsstand mit sich brachte.

Die Arbeit an der durch akribische Recherche zustande gekommenen Sammlung von ca. 140 bis dato unveröffentlichten Quellen wurde nach Angaben der Herausgeber u. a. durch die starke Vernetzung der Kölner Professorin für die Geschichte der Frühen Neuzeit, Gudrun Gersmann, in diversen wissenschaftlichen Institutionen produktiv beeinflusst. Als kaum minder fruchtbar erwies sich die durch die Zusammenarbeit mit Hans-Werner Langbrandtner (Archivberatungs- und Fortbildungszentrums des Lanschaftsverbandes Rheinland, LVR) ermöglichte Nutzung der Adelsarchive, zumal der Zugang zu jenen Archiven wesentlich komplizierteren Restriktionen unterliegt, als der zu öffentlichen Archiven – was auch den bisher vergleichsweise geringen Anteil an publizierten Quellen über die Geschichte des Adelsstandes erklären dürfte.

Im Banne Napoleons soll einen Querschnitt durch verschiedene Schicksale unterschiedlicher Adelsfamilien im Rheinland geben, da der Adelsstand durchaus uneinheitlich auf die politischen Entwicklungen reagierte, welche die französische Besatzung des Rheinlandes um die Wende des 18. Jahrhunderts mit sich brachte. Während einige Adlige die Bedrohungen ihres Standes durch die Französische Revolution fürchteten und ins Exil flüchteten, gelang es wiederum anderen, wie z. B. die Geschichte des Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck beweist, sich mit den Franzosen und der Degradierung zum „citoyen“ zu arrangieren und politische Karriere unter Napoleon zu machen, teilweise sogar in höchste administrative Führungskreise aufzusteigen. Beeindruckend ist auch die Darstellung von rheinischen Adligen in Napoleons Armee. Dem rasanten Aufstieg der Söhne der Adelsfamilie Loë innerhalb des Militärs steht die Familie von Groote gegenüber, welche mit aller Macht versuchte, eine militärische Einberufung der Söhne zu verhindern.

In den Quellen finden sich neben privaten Briefwechseln zwischen den adeligen Familien bzw. innerhalb dieser auch amtliche Verordnungen, autobiographische Schriften sowie eine Sammlung von Abbildungen, u. a. mit Porträts einiger Adliger, und geben einen Einblick in die verschiedenen Herausforderungen und Wertvorstellungen der Adelsfamilien. Dabei werden die Quellen chronologisch in sieben verschiedene Abschnitte unterteilt, welchen zunächst eine kurze Einführung in den historischen Kontext, leider ohne Anmerkungsapparat, voran steht, bevor die Quellen zur jeweiligen Thematik präsentiert werden. Dem Leser wird somit zunächst die geschichtliche Entwicklung, von den ersten Eroberungen französischer Revolutionstruppen 1794 bis zur Niederlage Napoleons und der Zuschlagung des Rheinlandes an Preußen durch den Wiener Kongress 1815, einführend vorgestellt. Im Anschluss daran vermitteln zahlreiche Quellen die Perspektive des Adels und dessen Umgang mit den historischen Ereignissen. Jede Quelle wird von einer knappen mehrzeiligen Überschrift eingeleitet, die ihren Inhalt knapp zusammenfasst. Auch der stattliche Anhang gibt dem Leser allerlei zusätzliche Information und Orientierung, u. a. durch Kurzbiografien der erwähnten Persönlichkeiten, eine Zeitleiste wichtiger Ereignisse in Frankreich und den Rheinlanden sowie ein Verzeichnis der zur Quellenrecherche verwendeten Archive. Gerade die lange Liste privater Adelsarchive ist von besonderem Nutzen.

Mit Im Banne Napoleons ist den Autoren ein kurzweiliges und qualitativ hochwertiges Quellenlesebuch gelungen, welches sich hervorragend eignet, die unterschiedlichen Schicksale rheinischer Adelsfamilien unter napoleonischer Herrschaft zu rekonstruieren. Durch die abwechslungsreiche Methodik, die Kombination aus leicht verständlichen Informationstexten, interessanten Quellen und diverser zusätzlicher Hilfsmittel wie Karten, Kurzbiografien und Zeitleisten, richtet es sich auch an interessierte Laien und ist auch für die Konstruktion historischer Zusammenhänge im Rahmen des Schulunterrichtes geeignet, während etablierte Historiker sich durch die enorme Anzahl bis dato unveröffentlichter Quellen angesprochen fühlen dürften.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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Gudrun Gersmann / Hans-Werner Langbrandtner (Hg.): Im Banne Napoleons. Rheinischer Adel unter französischer Herrschaft.
Ein Quellenlesebuch.
Klartext Verlagsgesellschaft, Essen 2013.
336 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783837505832

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