Quälende Banalität des Alltags

Gisela Wittes Erzählband

Von Jessica KöpplerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jessica Köppler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Seit sein Vater im vorigen Jahr bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt war, zeigte sich die Mutter von einer geradezu distanzlosen Anhänglichkeit." ("Der Kuss des Sängers")

In dieser wie auch in anderen Lebensgeschichten beschreibt Gisela Witte in anschaulicher Art und Weise, wie die Protagonisten des Erzählbandes "Die silberne Kugel" ihren Alltag bewältigen. So versucht zum Beispiel die Mutter aus der oben zitierten Erzählung durch "obskure Aktivitäten, die sie vorübergehend nahezu bis zur Besessenheit gebracht hatte", ihr Leben in den Griff zu bekommen. Gisela Witte hat jedenfalls ein feines Gespür für das normale Leben entwickelt und bringt ihre Beobachtungen sehr genau zu Papier.

Stilistisch ist ihr erster Erzählband trotz der angesprochenen Probleme frisch und vielschichtig. Überraschende Wendungen und vorsätzliche Verwirrungen sorgen für eine innere Spannung der eigentlich quälenden Banalität des Alltags. Die Akteure der 15 Erzählungen sind häufig Außenseiter, einsame Menschen, die sich außerhalb der Norm bewegen, Suchende, die nach dem eigenen Ausweg aus ihren Krisen und Konfliktsituationen streben und hierbei zu eigenwilligen Mitteln greifen.

Auch eigene berufliche Erfahrungen lässt die Autorin in ihre Erzählungen miteinfließen: lange Zeit arbeitete sie als Kinder-und Familientherapeutin. Sie setzt sich auf intelligente Weise mit der Wahrnehmung von Andersartigkeit in fremden Kulturkreisen und in satirischer Form mit Kunst, Literatur und der Mühsal des Schreibens auseinander.

Jessica Köppler

Titelbild

Gisela Witte: Die silberne Kugel.
K´artagnan Verlag, Berlin 2000.
136 Seiten, 8,60 EUR.
ISBN-10: 3933751039

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