Gestern in der Katakombe

Werner Finck, einer der ganz Großen des Kabaretts auf CD

Von Stefan NeuhausRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Neuhaus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Kabarett hat es schwer hierzulande. Und das, obwohl es das Kabarett, wie wir es kennen, nur hierzulande gibt. Die satirische Auseinandersetzung mit der Politik, die humorvolle Entlarvung großer Kleinbürger hat man nirgendwo sonst auf der Welt, nicht in dieser Schärfe und mit diesem Wortwitz. Doch hat das Kabarett zwei Feinde: Erstens die Mächtigen, die sich nicht gern im Zerrspiegel ihr wahres Gesicht zeigen lassen; zweitens die Realität, die oft - aus der Perspektive des Satirikers betrachtet - viel satirischer ist als das, was das Kabarett aus ihr machen kann.

Umso staunenswerter ist das, was das Kabarett in den rund 100 Jahren seines Existierens geleistet hat. Man denke an Frank Wedekind und die "Elf Scharfrichter", an Erika Mann und die "Pfeffermühle", an Erich Kästner und die "Kleine Freiheit", an Dieter Hildebrandt und die "Münchner Lach- und Schießgesellschaft", vom "Scheibenwischer" gar nicht zu reden, oder eben an Werner Finck, einen der ganz, ganz Großen des Kabaretts, der 1929 zusammen mit Hans Deppe in Berlin die legendäre "Katakombe" gründete.

Mit der "Katakombe" sind viele berühmte Namen verbunden. Für sie schrieben Erich Kästner und Max Ophüls, es spielten Theo Lingen und Erik Ode, zeitweise teilte sich Finck die Leitung mit Rudolf Platte. Vielleicht ist es ihrer Berühmtheit und ihren Berühmtheiten zu verdanken, dass die "Katakombe" nicht schon 1933, sondern erst 1935 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde. Finck musste ins KZ, aber er musste dort nicht bleiben. Kurze Zeit durfte er beim "Kabarett der Komiker" weiter arbeiten, bis man ihn an die Front schickte. Auch das überlebte er, und er machte nach dem Krieg weiter wie bisher, mit der "Mausefalle" und mit Soloprogrammen. Dem "Metzler Kabarett Lexikon" zufolge "war und bleibt Finck einer der großen Erneuerer des zeitsatirischen Kabaretts, weil er ihm länger und stärker als andere Conferenciers eine philosophische Dimension gab."

Nebenbei bemerkt, und das ist schon einen kleinen Exkurs wert, kann man Metzler nicht genug für das "Kabarett Lexikon" von 1996 danken. Dass es trotz seiner Aktualität über den Buchhandel nicht mehr zu beziehen ist und ich es nur antiquarisch erwerben konnte, sollte nicht nur mir zu denken geben. Leider scheint die Nachfrage heutzutage weniger solchen Pionier- und Grundlagenwerken als vielmehr dem elften Lexikon zur Literatur- und Kulturtheorie zu gelten, das auch nicht verständlicher und kohärenter ist als seine zehn Vorgänger.

Finck, 1902 geboren, starb 1978 in München - und doch ist es heute noch möglich, ihm zu begegnen. Wer nicht darauf warten will, dass ein öffentlich-rechtliches Regionalfernsehen vielleicht mal auf die Idee kommt, ein altes Finck-Programm in der Nacht zum Mittwoch um 0.50 Uhr zu senden, der hat die Möglichkeit, eine von zwei CDs zu erwerben. Die erste heißt "Alter Narr, was nun? Geschichte meiner Zeit" und wurde 2002 vom Verlag Langen-Müller veröffentlicht. Die zweite, um die es hier gehen soll, stammt aus dem Patmos-Verlag und bietet Zusammenschnitte aus rund 20 Jahren. Kleine Kritik am Rande: Es fehlen im booklet (zumeist) die genauen Hinweise auf die Programme, denen die 20 Tracks entnommen sind, sowie auf die Fundorte. Nützlich sind hingegen die Erläuterungen zum gesprochenen Text, manche Anspielungen Fincks auf Zeithistorisches wären sonst nicht verständlich. Der Kabarettist wird in einem Portrait vorgestellt, ein ihm gewidmetes Gedicht Bertolt Brechts ("Eulenspiegel überlebt den Krieg") wurde ebenfalls ins booklet aufgenommen. Ein Artikel aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" skizziert Aufgaben und Geschichte der Stiftung Deutsches Kabarett-Archiv, dem die Aufnahmen entnommen sind. Der Ton der CD (von Katharina Kiefer besorgt) ist - gemessen an dem Alter und dem vermutbaren Zustand der Aufnahmen - überraschend gut, die Beiträge haben manchmal eher historischen, oft aber auch zeitlosen Wert - immer wieder bringt Finck Pointen, die sich nicht nur auf die damalige gesellschaftliche und politische Situation beziehen lassen.

Finck spielt stets den Harmlosen und ist doch ebenso scharfzüngig wie hintergründig. Angesichts der mächtigen rechtsradikalen Presse in der Spätphase der Weimarer Republik und der Zensurbestimmungen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten kann man seinen Mut und seinen - die Hohlheit der Nazis entlarvenden - Sarkasmus nur bewundern: "Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wir haben Frühling und die Blätter fangen schon an, braun zu werden." Andere Pointen sind unpolitisch, aber keine Durchschnitts-Kalauer-Ware. Finck beschreibt die Größe seines Grundstücks: "Zwei Morgen werden es sein. Also - reichlich zwei Morgen. Vielleicht auch noch ein Übermorgen." Darauf muss man erst mal kommen. Bei wieder anderen Witzen bleibt einem das Lachen im Halse stecken, etwa wenn Finck seine Ankunft im Gefängnis schildert. Der Aufseher, "ein baumlanger SS-Mann", fragt ihn: "Haben Sie Waffen?" Finck fragt zurück: "Nein, wieso? Braucht man hier welche?"

Titelbild

Werner Finck: Aufgehobene Rechte. Kabarett aus der Katakombe. 1 CD.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2002.
54 Minuten, 14,95 EUR.
ISBN-10: 3491911141

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