Bilder, die das Denken schrieb

Bernhard Taurecks Kritik der analogischen Vernunft

Von Stephan GünzelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stephan Günzel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In seinem Versuch einer kritischen Ikonologie der Vernunft unternimmt es Taureck, der 'Bilder'-Sprache der Philosophen auf die Schliche zu kommen. Leider wird dieser längst überfällige Versuch durch Taurecks Absicht korrumpiert, offensiv mit den beiden - mittlerweile toten - Großmeistern auf diesem Gebiet zu konkurrieren: dem glücklosen Blumenberg und dem findigen Derrida. Ob Taureck es besser macht, muss das Ergebnis zeigen. Derrida einen irreführenden Gebrauch der Spurmetaphern und anderes nachzuweisen zu wollen, wirkt weitestgehend unbeholfen. Damit steht sich Taureck ebenso selbst im Weg wie mit seiner Fundamentalunterscheidung zwischen philosophischem und poetischem Metapherngebrauch, wobei der Unterschied schlicht im reflektierten Gebrauch der Bildsprache durch die Philosophie liege. (Diese 'metaphysische' Unterscheidung ist unbrauchbar, insofern nicht-reflexive Metaphern im philosophischen Text dann schlicht als 'Poesie' gelten, und nicht etwa die Unterscheidung hinfällig würde.) Dieser Irrtum hat zur Konsequenz, dass die Hauptfunktion von Metaphern im philosophischen Text verkannt wird, die darin zu suchen ist, dass Bilder an die Stelle von Argumenten treten bzw. deren Aufgabe übernehmen, wenn es nichts mehr zu argumentieren gibt. Eine 'kritische' Ikonologie muss zeigen, wie eine Philosophie abhängig ist von ihren leitenden Bildern (in durchaus suggestiver Absicht), und wie diese dem inhaltlichen Ziel des Schreibens mitunter zuwiderlaufen. Dies leistet Taureck nicht.

Stattdessen stellt er eine Fülle von Einzeluntersuchungen zusammen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben mögen und ihren Schwerpunkt in Antike, deutschem Idealismus und der negativen Dialektik haben. Wie seine unterschätzten ABCs zu Nietzsche und zuletzt zu Machiavelli gezeigt haben, ist Taurecks Spezialgebiet das anthologische Wissen: Feinheiten und Blüten des Denkens zu versammeln, von denen man nicht genug bekommen kann und die vor allem die überfällige abiografische Herangehensweise an Autoren kultivieren. Mit der Abruptheit der Artikel in diesen (Hand)Büchern enden aber auch die einzelnen Einträge in dem ikonologischen Versuch, so dass die Arbeit am Material stets nur partiell ist und in der Gesamtschau unvollendet wirkt. Das Scheitern seines Unterfangens hat Taureck unterdessen auch bemerkt und wird deshalb nicht müde zu betonen, dass es ein notwendiges sei. Dieses Pathos ist unangebracht. Vielmehr scheitert Taurecks Versuch nicht deshalb, weil man über metaphorischen Treibsand keine Bretter legen könnte, sondern weil eine Zusammenstellung der Zentralmetaphern der Philosophie nicht von einer Person allein geleistet werden kann. Ein Einzelner kann nur aus dem eigenen Lese- und Wissensvorrat schöpfen und eben Fallbeispiele behandeln. Ein Kollektiv hingegen kann ein Wörterbuch schreiben. Genau dies wird im "Metaphernprojekt" (Verlag Schwabe) angegangen: Mit großer Verspätung kommt man hier Blumenbergs Forderung nach, die er seinerzeit gegen Joachim Ritter und Karlfried Gründer nicht durchsetzen konnte und wonach auch Metaphern in das "Historische Wörterbuch der Philosophie" aufzunehmen sind. Nun bekommen die Metaphern im wissenschaftlichen Text ihr eigenes Geschichtslexikon.

Dass Taureck aus seinem Wissensarchiv schöpft, ist das eine. Das andere ist, dass er selbst noch eine Rahmenerzählung aufbaut, deren Legitimität sich aus der Gruppierung und Häufung philosophischer Metaphern gibt: Taurecks im Großen metaphorologische und im Kleinen dann jeweils historische Metaphernkritik bewegt sich vom Pol der Wahrheit als dem einen Zentralthema der Philosophie zum Pol des Todes als dem zweiten. Es sind die beiden großen Transzendenzen der Philosophie: die klare und die dunkle. In Letzter legt Taureck den Fluchtpunkt einer wenig überraschenden, transzendentalen Reformulierung der Metaphorologie: Der Tod als Grenze des Lebens (Wittgenstein), als selbst Undenkbares - und damit: als Bedingung des Denkens; weit genug weg, um dem Denken nicht immanent sein zu können, nahe genug, um es herauszufordern. (An dieser Stelle wird Taurecks folgendes Buch "Philosophieren: Sterben lernen?" einsetzen, das dahingehend ein Diskursverbesserungsmodell vorbringen will.) Diese Pointe von Taurecks Untersuchung lässt die einleitenden, metapherntheoriebegründenden Kapitel hinfällig werden, in denen eine Unzahl kaum mehr nachvollziehbarer, analytischer Differenzierungen betrieben wird, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass eine Metapherntheorie alles andere als apriorisch verfahren kann.

Hut ab vor Taurecks Bildung. Schade, dass er vor ihr zu wenig Respekt hat.

Titelbild

Bernhard H. F. Taureck: Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie. Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2004.
504 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-10: 3518292668

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