Kinder Küche Kehren?
Eine Ausstellung in Bottrop präsentiert die Thematisierung von Care-Arbeiten in der Kunst seit 1960
Von Walter Delabar
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseBleiben wir beim Kern: Arbeiten, die mit dem privaten Haushalt verbunden sind, werden bis heute meist von Frauen erledigt. Unabhängig davon, ob diese Zuordnung jeweils auf persönlicher Entscheidung beruht oder als selbstverständlich zugeordnet wird, ist dieses gesellschaftliche Phänomen bemerkenswert. Und es ist kein historisch neuer Befund. Selbst in Gesellschaften, in denen die Erwerbsarbeit von Frauen selbstverständlich ist, bleiben am Ende Haushalt und Kinder an ihnen hängen, und das seit etwa 200 Jahren – über die Zeit davor ist, was solche Arbeitsteilungen angeht, kaum zu reden. Zumindest sind hier ohne weiteres keine Blaupausen abzuziehen.
Die geschlechtsspezifische Aufteilung der Handlungsbereiche geht auf eine Struktur zurück, die Pierre Bourdieu in seinen Studien zu nordafrikanischen Gesellschaften herausgearbeitet hat: Öffentlichkeit als Handlungsraum von Männern, der nicht öffentliche, private Bereich als Handlungsraum von Frauen. Das wird im 18. Jahrhundert vor allem im deutschen Kulturraum durch ein Bindemittel angereichert, das bis heute seine Wirkung nicht verloren hat: Liebe, die im Privaten zu herrschen hatte und die als Gegenkonzept zum höfischen Liebeskonzept aufgestellt wurde. Hier die echte Empathie, dort die Simulation von Zuneigung, mit der beliebige Allianzen geschmiedet werden konnten. Skandal!
Das Problem bei den historischen Ableitungen der heute noch im Großen und Ganzen geltenden Aufteilung der geschlechtsspezifischen Aufgaben ist allerdings, dass sie in der Form, wie wir sie heute kennen, eine Erfindung der modernen Gesellschaften, also noch nicht so alt ist. Immerhin lässt sich der Aufstieg der Kleinfamilie, der bis heute anhält, aus den Konzepten des 18. Jahrhunderts halbwegs ableiten, auch wenn das bürgerliche Konzept seinerzeit andere soziale Schichten anvisierte. Hinzu kommt, dass das, was seit kurzem als Care-Tätigkeiten begrifflich gefasst wird, selbst wieder eine Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert ist, also eng mit der Entwicklung einer sozial ausdifferenzierten, arbeitsteiligen Gesellschaft verbunden ist. Die Ubiquität des modernen Familienmodells mit seiner Binnenstruktur und der darauf gesetzten Ideologie heute in allen sozialen Schichten, Gruppen oder Klassen ist jedenfalls ein historisch gewachsenes Produkt der Entwicklungen seit dem 18. Jahrhundert. Auch die Auflösungsphänomene, zu denen die Durchsetzung der weiblichen Erwerbsarbeit auch außerhalb der Arbeiterschaft gehört, können bereits im 19. Jahrhundert beobachtet werden – mit allen Konsequenzen, die daraus folgen. Soweit vorab zur Sicherung des historischen Fundaments.
Der von Friederike Sigler und Linda Walther herausgegebene Katalog zur Bottroper Ausstellung zur Care-Arbeit in der Kunst und damit zur Zuweisung von Hausarbeit und deren Derivate an Frauen rekurriert wohl mit Recht eben nicht auf solche komplexen Vorgeschichten. Basis der Studien, die sich in diesem Band finden, sind die Ansätze der Frauenbewegung seit den 1960er Jahren, die eine grundlegende Emanzipation weiblichen Alltags von den selbstverständlichen Zuweisungen anvisierte. Mit gutem Grund: Weshalb sogenannte Care-Arbeiten zwingend von Frauen zu erledigen sind, ist sachlich kaum begründbar – nicht einmal mit dem Umstand, dass nun mal Frauen Kinder gebären und Männer sich aufs Zeugen beschränken können. Alles, was nach der Geburt folgt, ist Gegenstand gesellschaftlicher Verhandlungen und Zuweisungen, und da gibt es keine definitiven geschlechtsspezifische Kompetenzen (etwa was Brötchen schmieren und Brötchen verdienen angeht – wers nicht erkennt: „Im Dutzend billiger“).
Solche gesellschaftlich zwingend zu befolgenden Regeln geraten aber in den modernen Gesellschaften mehr und mehr unter Druck. Wobei zugleich die Aufteilung öffentlich/privat mitaufgehoben wird, was eine spezifische Sicht auf den Bereich generiert. In diesem Rahmen lassen sich die Ziele des Katalogs, seiner Beiträge und der vorgestellten Kunst fassen: Care-Arbeit soll endlich sichtbar gemacht und – wahlweise – entlohnt oder aus der zwingenden Zuweisung an Frauen gelöst werden. Zugleich sollen die Zwangsapparate und Unterdrückungsmechanismen, mit denen Frauen in ihren sozialen Positionen gehalten werden, zerschlagen werden, was als gesellschaftliches Projekt in einer offenen Gesellschaft wohl unbedingte Zustimmung erfahren sollte. Allerdings wird der verdeckte Vorrang des im konventionellen Konzept männlich konnotierten Bereichs (Berufsarbeit, Öffentlichkeit etc.) erkennbar. Erwerbsarbeit ist anscheinend doch mehr „wert“ als zuhause auf dem Boden herumzukriechen, um hinter den Blagen herzuräumen, könnte man zumindest meinen.
Die Herausgeberinnen haben für den Band ein breites und beeindruckendes internationales Spektrum an Künstlerinnen und Werken zusammengetragen, die nichts minder als die Breite der künstlerischen Auseinandersetzungen mit Care-Arbeit demonstrieren. Es werden Arbeiten und Künstlerinnen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Italien, Spanien, Polen, Südafrika, Mexiko, Süd- und Nordamerika vorgestellt. Zudem werden besondere Aspekte wie die Differenzen zwischen Ost und West im Verhältnis zur Care-Arbeit, die Geschichte koreanischer Frauengruppen in Deutschland oder auch das Verhältnis von Care-Arbeit zur künstlerischen Arbeit bearbeitet. Die meisten Arbeiten, die vorgestellt werden, gehören wohl letztlich zur Aktionskunst, allerdings werden auch Filme, Fotografien, Plastiken, Assemblagen und Gemälde aufgenommen.
Problematisiert werden dabei etwa Werkstoffe wie das aus Wäschetrocknern gewonnene Flusenmaterial, das von Künstlerinnen auf verschiedene Weise verarbeitet wird. Die Diskussion allerdings darüber, ob das Material künstlerisch satisfaktionsfähig ist, scheint in den Zeiten nach der klassischen Moderne, die die Materialbasis massiv und grundlegend ausgeweitet hat, ein wenig müßig. Et vice versa: Selbst ein Joseph Beuys musste sich mit seinem Material gelegentlich der Care-Arbeit beugen, was am Kunstcharakter seiner Arbeiten freilich dennoch keine Zweifel generierte. Darin mag erneut eine genderspezifische Ungleichbehandlung erkennbar werden, aber die zu suspendieren sind Künstlerinnen und Herausgeberinnen ja nun angetreten.
Auffallend ist ebenfalls, dass die Beiträge des Katalogs durchgängig die Grenzen zwischen Realität und Werk, Künstlerin und Lebenswelt aufheben – was im Grundsatzbeitrag von Anne Söll ja auch legitimiert wird. Soweit die Künstlerinnen in ihren Arbeiten selbst auftreten, werden sie ohne weiteres mit beiden Positionen, die der Künstlerin und die der Care-Arbeiterin gleichgesetzt. Das Verhalten wird dabei problematisiert, etwa über die Diskussion des Deskillings, was auf Haushaltsarbeiten wie Kunst zu Care-Arbeiten gleichermaßen angewandt wird. Das mag zweifelsohne auch Intention der Arbeiten sein, die in der Tradition der klassischen Moderne die ontologischen Grenzen zwischen Kunst und Leben aufzuheben versuchen, auch wenn sie (allen Gegenbehauptungen zum Trotz) daran scheitern müssen. Die Künstlerin, die sich selbst als Hausfrau vorstellt, bleibt immer noch Künstlerin, die Aktion immer noch Kunst, die Hausfrau immer noch dargestellt, wie realistisch die Darstellung auch sein mag und mit wie viel authentischem Personal sie auch besetzt wird. Zwar ist das Spiel mit den verschiedenen Ebenen bewusst als durchlässig gestaltet, und eröffnet damit möglicherweise einen Reflexionsprozess oder kritisches Potential. Dennoch bleibt dies als reflexives Spiel, als künstlerische Aktion letztlich unhinterschreitbar. Die Inszenierung selbst wird als Authentifizierungsstrategie erkennbar, was allerdings von den Beiträger/innen beiseite gelassen wird. Kunst, Werk und Person in all ihren Rollen werden ohne weitere identifiziert.
Stattdessen wird die Überlagerung der verschiedenen Rollen behauptet, wie sie auch das kritische oder reflexives Potential der Arbeiten tendenziell mehr behaupten als konzeptionell entwickeln. Immer wieder finden sich Vorgaben, wie denn Aktionen oder Werke zu verstehen seien, welche Kritik mit ihnen geäußert wird und welches politische Potential sie entfalten. Vorgetragen nicht mit der Vorsicht einer entwickelten Interpretation, sondern mit der Gewissheit, die Arbeit jeweils korrekt verstanden zu haben. Kunst wird hier auf eindeutige und klare Aussagen reduziert, die politisch fundiert werden – was die Frage provoziert, ob es dafür Kunst überhaupt bedurft hätte.
Auf der Strecke bleiben die provokativen, ironischen, spielerischen und ausbordenden Aspekte der Werke: Küchenschürzen auszustellen, einen bunten Topf mit Stacheldraht zu umwinden, einen Staubsauger in einer von Lucas Cranach entlehnten Haltung zu umarmen, sich selbst an einem Kleiderhaken in den Schrank zu hängen oder eine Herdplatte (die auch den Umschlag ziert) zu präsentieren – Kunst kann auch hier viel mehr, als die Welt umzustürzen oder politische Botschaften zu verbreiten, was man selbst dem klassischen Agitprop der 1920er Jahre zuschreiben kann. Dass sich die Beiträgerinnen und Beiträger des Bandes als eine Art verlängerter Arm der politischen Agitation der Arbeiten und ihres Umfelds verstehen, ist wohl als Grundsatzentscheidung zu verstehen. Anscheinend trauen die Beiträger/innen den Betrachter/innen nicht zu, sich ihr eigenes Bild zu machen. Das geht aus hiesiger Sicht zu Lasten der Beiträge, die zwar beeindruckendes Material beibringen, in dessen Sinn vielleicht sogar aktiv werden, aber eben eine differenzierte Argumentation unterlassen – allerdings braucht einem um die Kunst selbst kaum bange zu sein. Denn auch wenn die Beiträgerinnen und Beiträger des Bandes auf Nummer sicher gehen wollen, entfalten die Arbeiten ein ungemeines Potential, das sich jeder selbst erschließen sollte.
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