Geballte Ermittlerkompetenz

Friedrich Ani ruft seine Helden zusammen und führt den Leser in ein Gestrüpp aus Verbrechen und Motivlagen

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In seinem neuen voluminösen Kriminalroman Die unbewohnten Zimmer lässt Friedrich Ani die fast schon legendären Ermittler aus seinen diversen Bestsellerreihen erstmals zusammen arbeiten. Er führt den Leser dabei in ein Gestrüpp aus verschiedenen Verbrechen sowie in hochpolitische und psychologische Gemengelagen.

Zum  Auftakt des Romans wird auf einem belebten Münchener Platz eine Frau von einem Heckenschützen erschossen und ein Polizeibeamter schwer verletzt. Chaos bricht aus und die gerade von einer Strafversetzung zurückgekehrte Polizeibeamtin Fariza Nasri stürmt alleine die Wohnung, aus der vermutlich geschossen wurde. Der Täter ist schon entkommen, aber Nasri kostet dieser Alleingang fast abermals ihren Job. Doch ihr Chef Polonius Fischer – der ehemalige Mönch, der seine Kollegen zur Mittagszeit immer zu einer meditativen Lesestunde an einer langen Tafel versammelt – drückt beide Augen zu.

Mit seiner ruhigen und souveränen Erzählweise spannt Friedrich Ani schon auf den ersten Seiten seines Romans  ein vielschichtiges und atmosphärisch dichtes Tableau auf. In der Folge verquickt Ani den ersten Fall mit einem rätselhaften Polizistenmord und der Suche nach einem verschwundenen Alleinunterhaltungskünstler sowie nach zwei syrischen Kindern. Nach und nach vervollständigt sich dabei das Ermittlerteam um den pensionierten Kommissar Franck, der es übernimmt die Todesnachrichten zu überbringen und gerne seine Methode der „Gedankenfühligkeit“ einsetzt: „Wie in einem imaginären Film projizierte er Fakten und Details auf die Leinwand über sich, spürte ihnen nach und gab gleichzeitig seinen Gefühlen Raum, das Gesehene, das Unerhörte zu bewerten und auszuloten.“

Und dann tritt auch noch der heruntergekommene Tabor Süden auf den Plan, der im Ruf steht, den Verschwundenen ihren Schatten zurückzubringen. Dieser Süden kommt nur mit etlichen Drinks über den Tag und neigt dazu, „sich in einen Monstergrübler zu verwandeln, der nur deswegen so ausgiebig und provozierend schwieg, weil sein innerer Aufruhr ihm die Luft für Worte und Getue raubte“.

Gemeinsam versuchen Anis Ermittler, die echte Typen mit Macken und Abgründen sind, die Spuren zu verfolgen und die komplexen Fäden dahinter zu entwirren. Sie bekommen es dabei mit einer sensationslüsternen Medienmeute, Rechtsradikalen und Rassisten, einer syrischen Flüchtlingsfamilie, Obdachlosen, Verzweifelten, Einsamen und falschen Geständnissen zu tun. Für den Leser ist es dabei zuweilen selber nicht ganz einfach, den Überblick in diesem komplexen Tableau aus Personen, Verdachtsmomenten und Motivlagen sowie den sich nach und nach zeigenden Querverbindungen zu behalten.

Dennoch bleibt es spannend bis zum Schluss. Friedrich Ani erweist sich einmal mehr als meisterlicher Kriminalschriftsteller mit einem Faible für die leisen Töne und psychologischen Feinheiten. Sein neuer Fall ist dabei mitten im Hier und Jetzt angesiedelt und spiegelt die aktuellen Verwerfungen und Diskurse unserer Gesellschaft wider.

Titelbild

Friedrich Ani: All die unbewohnten Zimmer. Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019.
496 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783518428504

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